Wanderausstellung: „Die Nazis waren ja nicht einfach weg“

Dr. Mathias Rösch spricht bei der Eröffnung von „Die Nazis waren ja nicht einfach weg“ am 1. Juli 2025 im Dokumentationszentrum Topographie des Terrors in Berlin. (Foto: Stiftung Topographie des Terrors / Manuela Seeger)

Schülerinnen und Schüler erarbeiten mit FAU eine Ausstellung über den Umgang mit der NS-Zeit

Prozesse gegen ehemaliges KZ-Personal oder öffentlicher Streit über Straßennamen – die Aufarbeitung der NS-Zeit ist ein häufig diskutiertes Thema. Die Wanderausstellung „Die Nazis waren ja nicht einfach weg“ des Schulmuseums der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) thematisiert, wie Deutschland seit 1945 mit der NS-Zeit umgeht. Gerade ist die Ausstellung in Berlin zu sehen und ab Herbst 2026 in Nürnberg. Im Interview: der Kurator der Ausstellung, Dr. Mathias Rösch, Leiter des Schulmuseums der FAU.

Wie ist die Idee zur Ausstellung „Die Nazis waren ja nicht einfach weg“ entstanden?

In Workshops mit Jugendlichen haben wir gemerkt, dass sich junge Menschen auch mit der Zeit nach 1945 auseinandersetzen. Vor allem die Frage, warum viele Täter unbestraft blieben, hat sie beschäftigt. Zwei Begegnungen gaben den finalen Anstoß: Zum einen hat bei den Vorbereitungen zu unserer vorherigen Ausstellung fast jeder Interviewpartner zu aller erst von der subtilen oder offenen Präsenz des NS-Themas im Schulunterricht der 1950er bis 1980er Jahre berichtet. Zum anderen wurde im Gespräch mit der Tochter eines hochrangigen NS-Täters deutlich, wie tief belastet diese Frau auch Jahrzehnte später noch von der eigenen familiären Vergangenheit war. Da wurde mir klar: Das Thema ist brandaktuell.

Wie kam es zu der Entscheidung, die Ausstellung gemeinsam mit Schülerinnen und Schülern zu gestalten?

Wir, also mein Mitkurator Udo Andraschke und ich, wollten die Perspektive Jugendlicher sichtbar machen, also nicht nur über sie sprechen, sondern mit ihnen. Deshalb haben wir Schulen mit ganz unterschiedlichen Hintergründen aus vier verschiedenen Bundesländern eingebunden: Bayern, Hessen, Thüringen und Berlin.

Beschreiben Sie kurz wie die Inhalte der Ausstellung entstanden sind?

Polen sei verantwortlich, antwortet 1946 eine Schülerin in einem Fragebogen des Nürnberger Schulamts auf die Frage, wer schuld sei am Ausbruch des Zweiten Weltkrieges. Die nationalsozialistische Herrschaft ist vorbei, dennoch wird das ideologische Gedankengut weiterhin unterrichtet. Das belegen Exponate des Schulmuseums der FAU, die in der Ausstellung zu sehen sind. (Foto: Stadtarchiv Nürnberg)

Die Jugendlichen haben selbst Objekte aus den Sammlungen des FAU-Schulmuseums und vielen weiteren Archiven ausgewählt, Inhalte vorgeschlagen und Fragen entwickelt. Die Schülerinnen und Schüler interessierten sich dafür, wie junge Menschen damals die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg erlebten. Aus diesen Vorgaben haben wir dann das Konzept entwickelt. So entstand eine Ausstellung, die die Interessenlagen und Bedürfnisse von Jugendlichen sehr weitgehend im Blick hat. Denn gerade dieses Publikum ist es, das in Zukunft entscheiden wird, wie wir mit der NS-Vergangenheit umgehen.

Was hat Sie während der Arbeit mit den Schülerinnen und Schülern am meisten überrascht?

Mich hat beeindruckt, wie ernsthaft und empathisch viele Jugendliche sich auf das Thema eingelassen haben. Ein Beispiel besonders: Eine Schülerin brachte ein altes Familienfoto mit, das viele in der Klasse zu Tränen rührte. Auf dem Foto blicken sich ein Mann und eine Frau in die Augen, es wird sein letzter Heimaturlaub während des Krieges sein. Kurz darauf fällt der junge Familienvater an der Front. Daraus entstand im Unterrichtsgespräch die Frage: Darf man um einen Soldaten trauern, der Teil eines verbrecherischen Kriegs war?

Welcher Moment der inhaltlichen Arbeit ist Ihnen besonders in Erinnerung geblieben?

Es war der Moment, als wir antisemitische Haltungen offen thematisierten. In Einzelgesprächen mit Jugendlichen, die solche Ansichten äußerten, ging es nicht darum sie zu verurteilen, sondern sie zu verstehen: Woher kommt das Denken? Welche Narrative stehen dahinter? Diese Gespräche waren anstrengend, aber entscheidend. Sie zeigten, dass Dialog möglich ist. Wenn es dann noch gelänge, dass diese Jugendliche anfangen, übernommene Narrative zu hinterfragen, wäre schon viel gewonnen.

Rundumblick über den Umgang der NS-Zeit

Anhand von Einzelschicksalen erzählt die Ausstellung verschiedene Aspekte der Aufarbeitung des Nationalsozialismus: Zum Beispiel das Verdrängen der eigenen Nazi-Vergangenheit in den 50er-Jahren, das Verharmlosen der Gräueltaten gegen Millionen Juden, die Rückkehr der Täter oder die weitgehend gescheiterte Strafverfolgungen der NS-Verbrechen. Weitere Stationen widmen sich dem Kampf um Gedenkstätten oder dem Rechtsextremismus am Beispiel der Baseball-Schläger-Jahre ab 1990.

Bis zum 11. Januar 2026 ist die Ausstellung im Dokumentationszentrum Topographie des Terrors in Berlin zu sehen. Direkt danach wird sie im Kommunikationsmuseum Frankfurt am Main präsentiert und ab Herbst 2026 kommt sie ins Dokumentationszentrum Reichsparteitagsgelände Nürnberg.

Mehr Informationen:

Dr. Mathias Rösch
Schulmuseum der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg
mathias.roesch@fau.de