Hochschulsport Boxen: Harter Kampfsport mit gesundheitlichen Vorteilen
FAU-Promotionsstudentin Sally Arnhardt hat ein ungewöhnliches Hobby: Boxen. Der Kampfsport hat immer noch mit seinem schlechten Ruf zu kämpfen. Zu Unrecht, denn er hat sogar viele gesundheitliche Vorteile zu bieten.
Die Luft ist verbraucht, es riecht nach Schweiß und nassen Lederhandschuhen. Ungewohnte Geräusche dringen ans Ohr: das Tippeln von Schuhen und das rhythmische Schlagen von Seilen auf dem Hallenboden, zischendes Ausatmen, etwas klatscht dumpf. Dazwischen immer wieder lautes Rufen, Kommandos wie: „Zehn Minuten Seilspringen“, „Hände bandagieren und fertigmachen für Sparring“, „Bei den Links-Rechts-Kombination mehr Akzente setzen“. Wer weitergeht, betritt ein besonderes Biotop: ein Boxgym. Hier härten Menschen ihren Körper und Geist. Sie lernen boxerisch korrekt zu atmen, zu schlagen, sich zu bewegen. Um einen Wettkampf zu bestehen, eigene Grenzen auszuloten oder einfach nur aus Spaß am Sport.
Die faszinierende Welt des Boxsports lässt sich auch an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) erkunden, denn hier gibt es eine Hochschulsportgruppe Boxen, die regelmäßig trainiert. Sally Arnhardt ist eine der Boxerinnen, der man in der Trainingshalle des Departments Sportwissenschaften und Sport in der Gebbertstraße begegnen kann. Sie hat an der FAU Molekulare Medizin studiert und promoviert am Uniklinikum Erlangen in den Neurowissenschaften.
Körperliche und geistige Herausforderung

Boxen ist für die 31-jährige Sally die perfekte Sportart. „Auf der einen Seite trainierst du deinen Körper extrem gut, ein wirkliches Ganzkörpertraining“, sagt sie. Boxen ist auf vielen physischen Ebenen herausfordernd: Für Ausdauer, Kraft, Schnelligkeit und Koordination. Es gilt unzählige Übungen zu absolvieren: Sit-ups, Liegestütze, Kniebeugen, Hanteltraining, Seilspringen, Laufen, Schlagtraining am Sandsack, Kombinationen an Schlagkissen, den sogenannten Pratzen üben. Und obendrauf kommen zudem Übungskämpfe, das sogenannte Sparring, um das Gelernte auch anwenden zu können. Nicht umsonst gilt das Boxtraining als eines der intensivsten.
„Auf der anderen Seite trainierst du beim Boxen aber die Psyche, deine mentale Stärke“, erzählt sie. Für Sally ist Boxen 20 Prozent körperliche Anstrengung und 80 Prozent mentale Anstrengung, also Kopfarbeit. Denn es gilt nicht nur den eigenen Körper immer wieder an die Leistungsgrenze zu bringen, sondern auch kontrolliert mit Trainingsschmerzen umgehen zu können und trotzdem fokussiert zu bleiben und weiterzumachen, auch wenn die Luft zum Atmen wegbleibt. Sich dabei gleichzeitig an den/die Gegner/-innen anzupassen, Lücken in deren Verteidigung zu erkennen und die eigene Strategie zu verfolgen, sind die wahren Herausforderungen.
Das Geheimnis: Ruhig bleiben

„Ich glaube, wenn du diesen Sport mit der richtigen Hingabe machst, kann er dein Leben verändern. Für mich ist Boxen auch ein Stück weit wie das Leben selbst“, sagt Sally. „Es gibt ja immerHausforderungen und Zeiten im Leben, in denen man sich durchboxen muss. Ob privat, im Job oder in der Uni.“ Im Sparring kann es schnell zu Situationen kommen, die sehr bedrückend sind. Der Umgang mit körperlichem Stress muss erst einmal erlernt werden. Genauso – oder vielmehr noch – müssen die aufwallenden Emotionen beherrscht werden. Diese reichen von leichter Panik oder Angst bis hin zu Wut. Gründe dafür können das Gefühl von Hilflosigkeit, die überwältigende neue Erfahrung extremer körperlicher Anstrengung ausgesetzt zu sein oder Frust sein. „Das ist erst einmal völlig normal, nur im Boxen hilft das nicht“, erklärt sie. „Man muss lernen trotzdem fokussiert und ruhig zu bleiben, einfach weiterzumachen.“ Deshalb sei es die größte Herausforderung, solchen Emotionen zu begegnen und sie richtig einzuordnen. „Wie schon viele große Boxer gesagt haben, und wie jeder, der schon einmal im Ring gestanden hat, bestätigen kann: der größte und gefährlichste Gegner bist du selber. Du musst lernen deine Ängste zu kontrollieren.“
Aber bei aller körperlicher und mentaler Anstrengung ist man nicht alleine, auch wenn Boxen kein Mannschaftssport ist. „Deinen Gegnern und dem harten Training musst du dich zwar alleine stellen, aber die Trainingspartner und -partnerinnen, die Trainer und Trainerinnen sind trotzdem da. Durch den Zusammenhalt in der Gruppe wächst du über dich hinaus, selbst wenn es richtig anstrengend wird.“, erzählt Sally mit leuchtenden Augen.
Schlechter Ruf zu Unrecht?
Trotz aller nachweislich positiver Punkte, hängt dem Boxsport aber immer noch ein schlechter Ruf an, meist jedoch zu Unrecht. „Nicht nur, dass mich viele komisch anschauen, wenn ich erzähle, dass ich als Frau boxe“, erzählt die Boxerin. Die Menschen unterstellen außerdem automatisch ein hohes Aggressionspotenzial. „Ein Vorurteil, dem ich nicht begegne, wenn ich sage, ich jogge oder ich gehe ins Fitnessstudio.“ Dabei kommt es letztlich aber ganz auf den Verein und die Trainer/-innen an sowie darauf, welche Kultur gepflegt wird, ob die Kämpferinnen und Kämpfer dort zu fairen Sportsleuten ausgebildet werden oder eben zu aggressiven Schläger/-innen.

„Was natürlich für viele ein Widerspruch ist, dass ich Neurowissenschaftlerin bin und beim Boxen viele Schläge auf den Kopf zielen“, sagt Sally. Allerdings trainiere sie ja nicht für Wettkämpfe, wo sowohl die Vorbereitung als auch die Kämpfe selbst von ganz anderer Intensität sind. „Wenn du Boxsport als Hobby betreibst, bleibt die Gefahr recht gering“, versichert sie. „Mit kleinen, kontrollierten Sparringseinheiten und entsprechender Schutzausrüstung ist das Risiko sehr überschaubar, sich Verletzungen zuzuziehen.“ Sie empfiehlt Boxen also tatsächlich nahezu jedem. Das Training sollte dafür jedoch an Alter und körperliche Verfassung angepasst werden. Kinder und Jugendliche können ihre Energie positiv kanalisieren, während Ältere Körper und Geist fit halten. Studien zeigen, dass zum Beispiel Krankheitssymptome bei Parkinson durch Boxtraining gelindert werden können. „Es gibt die Möglichkeit, Fitnessboxen zu machen oder Boxen nicht auf Wettkampfebene zu betreiben“, sagt Sally.
Sie selbst hat gerade nicht vor, Wettkämpfe zu bestreiten, auch wenn gerade die Vorbereitung darauf sie aufgrund der hohen Trainingsintensität reizt. Sally trainiert aktuell dreimal wöchentlich. Sie ist aber auch Teil des Trainerteams unter Headcoach Richard Obler. Trainings zu geben, macht ihr besonders viel Spaß. „Richard hat uns so viel beigebracht und hat das Trainerteam zusammengestellt“, sagt sie. „Wir alle können unterschiedliche Trainingsansätze mit einbringen, das bereichert das Training ungemein.“
Gefragt nach ihrem persönlichen Favoriten im Boxsport, antwortet Sally sehr schnell: Regina Halmich. Bekannt wurde Halmich durch ihre Showkämpfe gegen Stefan Raab, aber eigentlich war sie eine der besten Boxerinnen überhaupt, ist 2022 sogar in die International Boxing Hall of Fame aufgenommen worden. „Unglaublich, wie gut Regina Halmich gekämpft hat. Von 56 Kämpfen 54 zu gewinnen ist eine große Leistung“, sagt Sally. „Außerdem hat sie soviel für die Anerkennung des Frauenboxens und vor allem angemessener Kampfbörsen getan.“ Aber die Person, zu der sie am meisten aufblickt? „Meine Mama“, lautet Sallys Antwort kurz und knapp.
Weitere Informationen:
Allgemeiner Hochschulsport
guido.koestermeyer@fau.de