Arbeitspsychologie: Es liegt nicht immer am Vorgesetzten

Gestresste frau asiatischer Herkunft im Hintergrund, Kündigungsschreiben im Vordergrund
(Bild: shutterstock/Asian Isolated)

FAU-Forschende untersuchten, warum Beschäftigte freiwillig den Job wechseln

Man kündigt wegen des Chefs und nicht wegen des Jobs – „people quit bosses, not jobs“ – dieses negative Stereotyp über Führungskräfte ist in der Arbeitswelt weit verbreitet. Forschende der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) und der Universität Ulm haben dies überprüft und sind in ihrer dreiteiligen Studie zu einem anderen Ergebnis gelangt: Kündigungsgründe seitens der Beschäftigten sind mitunter vielschichtig und die Führungskraft ist nicht immer schuld.

Internationale Studien und Austrittsinterviews ausgewertet

Das Forschungsteam um die Arbeitspsychologin Dr. Sabine Hommelhoff vom Institut für Psychologie der FAU hat existierende Studien ausgewertet, eine anonyme Online-Befragung durchgeführt und vorhandene Austrittsinterviews mit Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern zu ihrem Ausscheiden analysiert. Bei den Kündigungsgründen unterschieden die Forschenden zwischen Annäherungs- und Vermeidungsperspektiven der Beschäftigten: Möchten diese sich durch den freiwilligen Jobwechsel etwas Neuem, Besseren annähern oder eher die negativen Aspekte ihrer gegenwärtigen Arbeitsstelle künftig vermeiden?

Hauptgründe für Kündigung: Überarbeitung und Stress

Die Auswertung von 78 internationalen Studien (44 Prozent davon aus Nordamerika und 18 Prozent aus Europa) hat gezeigt, dass Beschäftigte vor allem Überarbeitung und den dadurch bedingten Stress als Grund für die Kündigung nannten. Andere strebten bessere bessere Aufstiegs- und Weiterentwicklungsmöglichkeiten an. Die schlechten Führungsqualitäten von Vorgesetzten wurden im Durchschnitt am dritthäufigsten genannt.

Kündigungsgründe werden oft verschwiegen

Im zweiten Teil der Studie befragte das Forschungsteam rund 200 Beschäftigte anonym und online. Es kristallisierten sich mehrere Hauptgründe für den Jobwechsel heraus: vom Wunsch nach neuen Tätigkeiten und besseren Karrierechancen bis hin zu Problemen mit der Führungskraft, aber auch Problemen mit Kolleginnen und Kollegen sowie starken Stressbelastungen. „Die meisten Beschäftigten geben nicht nur einen Grund an, sondern meist drei oder vier, mitunter auch eine Mischung aus annäherungs- und vermeidungsorientierten Gründen. Interessant war auch, dass die Beschäftigten zugaben, dem ehemaligen Arbeitgeber gegenüber nicht alle Kündigungsgründe offenbart zu haben. Im Schnitt wurde ein Viertel der Gründe verschwiegen,“ erläutert Sabine Hommelhoff.

Schließlich werteten die Forschenden 312 anonymisierte Interviews aus, die Beschäftigte im Zuge ihres Ausscheidens mit Personalern eines großen Unternehmens geführt hatten. Nach den Gründen des Jobwechsels befragt nannten die Betroffenen, andere Jobs attraktiver zu finden, dort bessere Aufstiegsmöglichkeiten für sich zu sehen und besser bezahlt zu werden. Erst an vierter Stelle ging es um die mangelnde Qualität von Führungskräften, wobei hier häufiger das höhere Management genannt wurde als die unmittelbaren Vorgesetzten.

Hohe Stresslevel eindämmen

Für Psychologin Hommelhoff haben die Erkenntnisse aus der Studie auch eine praktische Relevanz, aus der Handlungsempfehlungen abgeleitet werden können. „Arbeitgeber sollten Arbeitsbedingungen möglichst so gestalten, dass Stress durch Überlastung vermieden wird. Zudem sollten sie darauf achten, dass Beschäftigte sich weiterentwickeln können. Wer diese beiden Aspekte im Auge behält, packt schon mal die beiden wichtigsten Kündigungsgründe (aus den 78 analysierten Studien) bei der Wurzel.“

Differenzierterer Blick auf Führungskräfte

Es gelte, negative Stereotypen über Führungskräfte – „people quit bosses“ – zu hinterfragen und differenzierter zu betrachten. Probleme mit Führungskräften waren ein wichtiger Kündigungsgrund, jedoch weniger zentral als häufig angenommen. Und: Scheidende Mitarbeiter neigten zu ehrlicheren Antworten, was die Führungskraft betrifft, wenn sie anonym befragt werden. In direkten Interviews mit Personalabteilungen nannten sie eher die annäherungsorientierten Gründe als die vermeidungsorientierten, beschwerten sich also seltener über ihre Führungskraft.

Austrittsinterviews sollten laut Sabine Hommelhoff eher als Teil einer positiven Job-Exit-Kultur betrachtet werden, „um noch einmal ein freundliches Abschlussgespräch zu führen“. Da aber in der Studie nur etwa 60 Prozent der Beschäftigten das Gesprächsangebot annahm und dabei negative Themen vermieden wurden, sollte man den Inhalt nicht überinterpretieren, sagt Hommelhoff. „Es ist anzunehmen, dass aus den Austrittsgesprächen beim Management fast nichts Negatives ankommt, das ist sozusagen durch mehrere Filter gegangen.“

Zur Studie

DOI: https://doi.org/10.1016/j.jvb.2025.104099

Weitere Informationen:

PD Dr. Sabine Hommelhoff
sabine.hommelhoff@fau.de