Tag der Menschenrechte: Unsere Rechte, unsere Zukunft, jetzt!
Zum Internationalen Tag der Menschenrechte
„Unsere Rechte, unsere Zukunft, jetzt“ lautet das Motto des heutigen Internationalen Tags der Menschenrechte. Es soll auf die Bedeutung der Menschenrechte für Gegenwart und Zukunft aufmerksam machen. Aber wie steht es um die Menschenrechte und vor welche Herausforderungen stehen Forschung und Gesellschaft? FAU-Menschenrechtsforscherin Prof. Dr. Grażyna Baranowska im Interview.
Frau Professorin Baranowska, die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte kennt 30 Artikel. Wenn Sie sich im Augenblick in der Welt umsehen: Um welches Menschenrecht machen Sie sich am meisten Sorgen?
Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte war auch deswegen ein wichtiger Durchbruch, weil sie so viele verschiedene Rechte enthält: vom Verbot der Folter über den Anspruch auf wirksame Rechtsbehelfe, die Meinungsfreiheit bis hin zum Recht auf Arbeit. In verschiedenen Ländern und Kontexten bereiten andere Rechte Anlass zur Sorge. Sollte ich jedoch auf einen Artikel hinweisen, würde ich Artikel 1 auswählen, der klarstellt, dass alle Menschen frei und gleich an Würde und Rechten geboren sind. Dieses Recht wird in manchen Ländern Frauen, in anderen Migrantinnen und Migranten oder Menschen mit Behinderungen nicht anerkannt. Da es eine Grundlage des Menschenrechtsschutzes ist, sind solche Situationen besonders besorgniserregend.
Eines Ihrer Forschungsgebiete sind Menschenrechtsverletzungen an Grenzen. Welche Weichen müssten hier in der Welt gestellt werden – und wer kann sie stellen?
Die grundsätzliche Rechtslage an Grenzen ist klar: Staaten sind nicht verpflichtet, alle Menschen auf ihr Gebiet zu lassen, müssen jedoch das Recht der Menschen an den Grenzen auf internationalen Schutz prüfen. An den Grenzen darf es weder zu Misshandlungen noch zu Folter kommen. Staaten sind verpflichtet, diese Rechte an ihren Grenzen umzusetzen und sollten bei der Rückführung von Menschen in andere Länder sicherstellen, dass diese Rechte dort an den Grenzen gewährleistet werden. Natürlich kann die Rechtslage stets verbessert werden, doch meiner Meinung nach ist die konsequente Umsetzung der bestehenden Rechte durch Staaten ein erster Schritt zum Schutz der Menschenrechte an Grenzen.
Das Thema Migration ist im Augenblick immer wieder Gegenstand heißer politischer Debatten. Wie kann es Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, die auf diesem Feld forschen, gelingen, zwischen ihrer persönlichen Haltung und ihrer Forschung zu trennen?
Natürlich beeinflusst bei Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern die persönliche Haltung oft die Auswahl von Forschungsfeldern und -themen. Bei der eigentlichen Forschung ist dieser Einfluss jedoch gering, da sie durch Methoden und Fragestellungen geleitet wird. In heißen politischen Debatten stellt sich immer wieder die Frage, wann und wie Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mit Forschungsergebnissen eingreifen sollten und können. Zahlreiche Studien zeigen zum Beispiel, dass Such- und Rettungseinsätze nicht die Zahl der Migrantinnen und Migranten im zentralen Mittelmeer erhöht. Gerade dieses Argument wird jedoch wiederholt herangezogen, um Such- und Rettungseinsätze zu unterlassen. Unabhängig von der persönlichen Haltung der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern bleibt es eine große Herausforderung, in heißen politischen Debatten Forschungsergebnisse an die Öffentlichkeit zu bringen.
Welche Herausforderungen hält die Menschenrechtsforschung in diesen Zeiten für Forschende, aber auch für Politik und Gesellschaft bereit?
In jedem Bereich der Menschenrechtsforschung gibt es Herausforderungen, die auch für Politik und Gesellschaft relevant sind. Neben Migrationsthemen forschen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler an der FAU zum Beispiel zu Autokratisierung und Menschenrechten – ein gesellschaftlich hochrelevantes Thema, da es neben vielen autokratischen Staaten auch autokratische Tendenzen in liberalen Ländern gibt. Auch im an der FAU stark vertretenen Forschungsbereich „Wirtschaft und Menschenrechte“ werden wichtige Fragestellungen untersucht, etwa im Zusammenhang mit dem Lieferkettengesetz. Eine zentrale Herausforderung, nicht nur für die Menschenrechtsforschung, ist zudem das Gewährleisten der Forschungsfreiheit.
Seit 2024 hat Professorin Dr. Grazyna Baranowska den Lehrstuhl für Migrationsrecht und Menschenrechte an der FAU inne. Ihre Forschungsschwerpunkte sind verschwundene Personen, Menschenrechtsverletzungen an Grenzen sowie Erinnerungsgesetze. Sie ist ebenfalls Teil des Centers for Human Rights Erlangen-Nürnberg (CHREN) der FAU.
Weitere Informationen:
Prof. Dr. Grazyna Baranowska
Lehrstuhl für Migrationsrecht und Menschenrechte
grazyna.baranowska@fau.de