Photovoltaik: automatisierte Materialentwicklung für Solarzellen

Die Köpfe hinter der Forschung: (v.l.n.r.) M. Eugenia Perez-Ojeda, Anastasia Barabash, Dirk M. Guldi und Erstautor Jiangchang Wu.
Die Köpfe hinter der Forschung: (v.l.n.r.) M. Eugenia Perez-Ojeda, Anastasia Barabash, Dirk M. Guldi und Erstautor Jiangchang Wu. (Bild: Gerd Gaetzschmann)

Dank Hochdurchsatz-Experimenten und maschinellem Lernen beschleunigen FAU-Forschende die Suche nach chemischen Verbindungen für Hochleistungselemente.

Ein Forschungsteam der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU), des Helmholtz-Institut Erlangen-Nürnberg (HI ERN) und des Karlsruher Institut für Technologie (KIT) hat einen geschlossenen Arbeitsablauf entwickelt, mit dem sich in kurzer Zeit optimale Hochleistungsmaterialien für Perowskit-Solarzellen (PSC) finden lassen. Der in der aktuellen Science-Studie vorgestellte Ansatz kombiniert computergestützte Modellierung, autonome Syntheseplattformen und quantentheoretische Berechnungen zur Charakterisierung von Molekülen, um Vorhersagen für geeignete Materialverbindungen zu treffen und letztere automatisiert zu testen.

„Wie geht man am besten vor, um neue Materialien für Photovoltaik-Bauteile zu finden, die bereits optimale Eigenschaften für diese Anwendung haben?“, diese Frage beschäftigte Prof. Christoph Brabec, Sprecher des Profilzentrums FAU Solar und Inhaber des Lehrstuhls für Werkstoffwissenschaften, und ein 22-köpfiges Forschungsteam, u.a. aus den Disziplinen Chemie, Materialwissenschaften, Informatik und Elektrotechnik, mehr als ein Jahr lang.

„Bisher gab es zwei Wege, um geeignete Molekülverbindungen für photovoltaische Bauteile zu finden – entweder mit rein digitalen Methoden, die gewünschten Bauelemente virtuell synthetisieren, um optimale Eigenschaften zu finden. Oder experimentell vorzugehen und mit den Ergebnissen Datenbibliotheken zu füllen“, berichtet Christoph Brabec. Der Nachteil dabei: Beide Methoden beruhen auf Versuch und Irrtum. Sie sind personal- und arbeitsintensiv und daher ineffizient. Denn die menschliche Fähigkeit, Muster in riesigen, komplexen Datensätzen zu erkennen, ist begrenzt.

Hybrider Ansatz

Die Forschenden entschieden sich für einen hybriden Ansatz: Sie verwenden Modelle des maschinellen Lernens (ML) und trainieren diese mit experimentellen und Daten aus Computer-Simulationen, um Molekülstrukturen und -eigenschaften für eine optimale Bauelementleistung vorhersagen zu können. Dafür reichten bereits rund 100 Moleküle aus. Als nächstes folgte eine Reihe von Optimierungen. In der ersten Runde schlug der Algorithmus 24 Moleküle vor. Diese hat das Team anschließend synthetisiert und getestet. Dabei stellte sich heraus, dass sie bereits besser sind als die derzeitigen Referenzen. In einer zweiten Optimierungsrunde wurde dies nochmals verifiziert. Die leistungsfähigsten Materialkandidaten erreichten einen Wirkungsgrad von bis zu 24 Prozent und übertrafen damit den bisherigen Referenzwert von 22 Prozent.

Automatisierte Probenmessung

Prof. Dr. Brabec (l.) erklärt und Prof. Dr. Guildi (r.) schaut ihn an.
Prof. Dr. Brabec (l.) und Prof. Dr. Guildi (r.). (Bild: FAU/Anna Tiessen)

Dabei spielt das Hochdurchsatz-Screening (HTS) eine zentrale Rolle. Es handelt sich um automatisierte Laborsysteme, die eine große Anzahl von Proben parallel vorbereiten, dosieren und messen. Dieses Verfahren ist nicht nur präziser, es reduziert den Zeitaufwand im Forschungsprozess und minimiert menschliche Fehler. In Zukunft ist es möglich, Materialbibliotheken mit Millionen von Molekülen in kurzer Zeit zu durchsuchen und Kandidaten zu entdecken, die optimal für die gewünschte Funktion der Bauteils sind. „Mit dem neuen Ansatz können wir nicht nur systematisch suchen, sondern auch den Suchraum eingrenzen. Außerdem lassen sich die neu entdeckten chemischen Verbindungen auf die gewünschten Materialeigenschaften hin optimieren und testen“, erläutert Prof. Dirk Guldi, Inhaber des Lehrstuhls für Physikalische Chemie und ebenfalls Sprecher des Profilzentrums FAU Solar.

Tiefere Einblicke

Ein weiterer Effekt: Die Forschenden können tiefer in die Materialwissenschaften eintauchen. Bislang konnten Chemiker anhand der Struktur eines einzelnen Moleküls auf dessen Eigenschaften schließen. Ist es aber Bestandteil eines Bauelements, wird es schwierig, da die Vorhersage für die Leistung einer Solarzelle von vielen Parametern abhängt. „Unser Ansatz ermöglicht neue Einblicke in Struktur-Eigenschaftsbeziehungen, nämlich die zwischen einem Molekül und der tatsächlichen Leistung in einem Bauelement. Das heißt, wir haben jetzt einen Algorithmus, den wir fragen können: ,Welche Eingangsparameter sind für die Leistung der Solarzelle relevant?ʿ‘“, freut sich Christoph Brabec. „Wir gehen davon aus, dass sich diese Technologie über die Solarenergie hinaus zu einem Innovationsmotor für weitere Branchen entwickeln wird, die per Hochdurchsatzverfahren neue Materialien entwickeln möchten.“

Das FAU-Profilzentrum Solar ist eine treibende Kraft für die Zukunftsforschung im Bereich der Solarenergiesysteme, für Innovationen und für relevante zukunftsorientierte Forschung. Was erforschen unsere Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler am FAU Profilzentrum Solar? Finden Sie es heraus!

Sie interessieren sich darüber hinaus für Photovoltaik-Technologien? In der gemeinsamen Vortragsreihe der FAU und des EnCN #FAUInsights diskutieren Expertinnen und Experten über das Thema Photovoltaik und wohin die Reise geht.

Zum FAU Profilzentrum Solar Zu FAUInsights

Weitere Informationen:

Prof. Dr. Dirk Guldi
Lehrstuhl für Physikalische Chemie I
Tel. +49-9131-85-27340
dirk.guldi@fau.de

Prof. Dr. Christoph Brabec
Lehrstuhl für Werkstoffwissenschaften
Tel. +49-9131-85-25426
christoph.brabec@fau.de