Nachhaltigkeitspreis für Forschungsprojekt: Wie wir mehr Kunststoffe recyceln können
Wie können wir deutlich mehr Kunststoffe weiterverarbeiten und gleichzeitig den CO2-Ausstoß der Kunststoffindustrie reduzieren? Daran forscht die Multispectral Imaging Group der FAU – und wurde für ihre Ergebnisse mit einem FAU-Award 2024 ausgezeichnet: dem Nachhaltigkeitspreis in der Kategorie Research.
Der Nachhaltigkeitspreis der FAU würdigt Personen und Gruppen, die sich mit innovativen Ansätzen für eine nachhaltige Zukunft engagieren, und wird in fünf Kategorien vergeben. In der Kategorie Research zeichnet er Forschungsvorhaben mit Nachhaltigkeitsbezug aus, die Ressourceneffizienz und transdisziplinäre Kooperationen stärken.
Das trifft auf das Forschungsprojekt der Multispectral Imaging Group der FAU voll und ganz zu. „Ziel unserer Forschung ist es, die Recyclingquote von Kunststoffen um mindestens 35 Prozent zu erhöhen und damit auch den CO2-Ausstoß der Kunststoffindustrie signifikant zu reduzieren“, erklären Katja Kossira, Privatdozent Dr. Jürgen Seiler und Frank Sippel. Die Drei arbeiten am Lehrstuhl für Multimediakommunikation und Signalverarbeitung der FAU, riefen dort das Forschungsprojekt ins Leben und holten sich als Praxispartner den Automatenhersteller Sielaff und das Industrierecyclingunternehmen Krall mit ins Boot.
Mehr Kunststoff recyceln und weniger CO2 produzieren
„Aktuell wandern fast zwei Drittel des gesamten Plastikmülls in das sogenannte thermische Recycling, das heißt die Abfälle werden schlicht und einfach verbrannt“, bedauert Kossira. „Viel weniger Kunststoffabfälle – nur rund 35 Prozent – werden rohstofflich recycelt, also weiter verarbeitet.“ Dieses echte Recycling ist der Wissenschaftlerin extrem wichtig, deshalb will sie zusammen mit ihren beiden Kollegen und den Kooperationspartnern die rohstoffliche Recyclingquote deutlich erhöhen. „Das würde auch den Ausstoß an CO2 enorm reduzieren“, erklärt Frank Sippel und verweist auf aktuelle Forschungsergebnisse, laut denen die Kunststoffindustrie für 4,5 Prozent des Treibhausgas-Ausstoßes verantwortlich ist. Allein die Herstellung einer Tonne Kunststoff erzeugt demnach fast zwei Tonnen CO2, und bei der Verbrennung kommen weitere 2,7 Tonnen hinzu.
Doch warum wird – in Anbetracht dieser Zahlen – nicht mehr Plastikmüll rohstofflich recycelt? „Die Antwort darauf ist ganz einfach“, weiß Kossira: „Oft können die Recyclingfirmen nicht zweifelsfrei feststellen, um welche Art von Kunststoff es sich bei den Abfällen handelt. Dann können sie leider nur verbrennen, denn für die rohstoffliche Weiterverwertung muss die Art des Kunststoffs genau geklärt sein.“
Mit multispektraler Bildgebung Kunststoffe erkennen
Genau hier setzt das Forschungsprojekt der Multispectral Imaging Group an. „Unsere Forschung zielt darauf ab, die Art des vorliegenden Kunststoffs exakt zu erfassen“, erklärt die Promovendin, die sich seit Januar 2023 mit der multispektralen Bildgebung beschäftigt. „Mit dieser Technik können wir wichtige Informationen erkennen, die für das menschliche Auge nicht sichtbar sind, und so die Kunststoffe eindeutig erkennen und klassifizieren.“
Die Forschenden nutzen dabei die Eigenschaft, dass die verschiedenen Kohlenstoffketten der Polymere (aus denen Kunststoffe bestehen), langwelliges Licht unterschiedlich stark reflektieren und absorbieren. „Im infraroten Bereich weisen die Kunststoffe spezifische Unterschiede auf und können dadurch eindeutig voneinander unterschieden werden“, erklären sie. Zusammen mit den Kooperationspartnern aus der Industrie hat das Forschungs-Team mit mehreren herkömmlichen Industriekameras, einer Infrarot-Kamera und angebrachten Infrarotfiltern die Spektralbereiche der angelieferten Kunststoffabfälle untersucht. „Es zeigte sich, dass vor allem die Kunststoffarten PET, HDPE, LDPE, PP, PS und PVC am häufigsten auftreten“, fasst Privatdozent Dr. Seiler die Ergebnisse zusammen.
Nun will die Forschungsgruppe einen industrietauglichen Klassifikationsalgorithmus entwickeln, damit die rohstoffliche Recyclingquote schnellstmöglich deutlich erhöht werden kann. „Falls in der Zukunft alle Recyclingunternehmen in Deutschland unser System verwenden, können wir pro Jahr fast 2,7 Millionen Tonnen CO2 einsparen“, prognostizieren die Forschenden. Was für eine ausgezeichnete und nachhaltige Idee!
Mehr Informationen:
- Statistik des Umweltbundesamtes zum Weltrecyclingtag
- Statistik des Umweltbundesamtes zur Verwertung und Entsorgung von Kunststoffabfällen
- Plastikatlas der Heinrich-Böll-Stiftung
- Artikel „Growing environmental footprint of plastics driven by coal combustion” im Wissenschaftsmagazin Nature
Nachhaltigkeitspreis
Mit dem Nachhaltigkeitspreis werden Personen und Teams ausgezeichnet, die sich mit innovativen Ansätzen für eine nachhaltige Zukunft engagieren:
- Kategorie Education
- Kategorie Research
- Kategorie Outreach
- Kategorie Campus & Betrieb
Mehr Infos auf der Webseite des Green Office
Eine Übersicht über die Auszeichnungen gibt es auch in der FAU-Awards 2024-Übersicht.