Ist Klimaschutz ein Menschenrecht?
Vom 11. bis noch zum 22. November findet in Baku, Aserbaidschan, die 29. Weltklimakonferenz statt, mit Vertreterinnen und Vertretern von 197 Staaten sowie rund 50.000 Teilnehmenden. Die Klimakrise ist – gemeinsam mit dem Verlust der Biodiversität und der Umweltverschmutzung – eine der großen planetaren Umweltkrisen. Und sie ist längst auch Thema des internationalen Menschenrechtsschutzes.
Menschenrechtsexpert/-innen der FAU fordern globale Lösungen
Mit der Frage, auf welche Weise Klimaschutz und Menschenrechte zusammenhängen, beschäftigt sich das Center for Human Rights Erlangen-Nürnberg (CHREN) an der FAU. Die Menschenrechtsexpert/-innen des CHREN erklären, welche Verantwortung Politik, Wirtschaft und Gesellschaft tragen – und diskutieren mögliche Lösungen.
Gerechte Klimapolitik und Menschenrechte gehören zusammen
„Eine wirksame und gerechte Klimapolitik ist eine wichtige Grundlage für den Schutz und die Förderung von Menschenrechten weltweit – und umgekehrt ist die Wahrung der Menschenrechte bei der Bekämpfung der Klimakrise unerlässlich“, sagt Prof. Dr. Michael Krennerich, wissenschaftlicher Leiter des CHREN an der FAU.
Er hebt hervor, dass Menschenrechte nicht nur die internationale Gemeinschaft in die Pflicht nehmen, klimapolitische Minderungs-, Anpassungs- und Ausgleichsmaßnahmen zu ergreifen, sondern auch vorgeben, wie diese menschenrechtskonform auszugestalten sind. „Zugleich schützen sie zivilgesellschaftliches Engagement für Klimagerechtigkeit und öffnen Diskurs- und Handlungsräume, um die gemeinsame menschliche Verantwortung nicht für die gegenwärtige, sondern auch für künftige Generationen, für nicht-menschliches Leben und die gesamte Natur sowie die Bewohnbarkeit des Planeten einzufordern und auszugestalten“.
Internationale Lösungen
Für Prof. Dr. Laura Clérico, Honorarprofessorin an der FAU und Professorin für Verfassung und Menschenrechte an der Universität Buenos Aires, und Dr. Marcel Zuñiga Reyes gelingen Lösungen in der Klimakrise nur mit internationaler Zusammenarbeit: „Die Klimakrise betrifft alle Lebewesen auf unserem Planeten. Menschenrechtsverpflichtungen müssen neu gedacht und die internationale Zusammenarbeit gestärkt werden. Das ist eine gemeinsame Verantwortung, die aber danach differenziert werden muss, wer historisch und aktuell die hauptsächlichen Verursacher und Betroffenen der menschlich gemachten Klimakrise sind und über welche Kapazitäten zur Krisenbewältigung diese verfügen. Besonders wichtig ist deshalb der Schutz der indigenen Gemeinschaften, die zur Biodiversitätserhaltung beitragen, aber unter den Folgen der Klimakatastrophe leiden.“
Clérico und Zuñiga Reyes erforschen deshalb, wie die Verantwortung für die globale Klimakrise zwischen Staaten und nichtstaatlichen Akteuren verteilt ist, die durch ihr Handeln zur Krise beigetragen haben. Dabei konzentrieren sie sich auf die Auslegung und Rechtsprechung regionaler Menschenrechtsgerichte.
Wirtschaftliche Transformation braucht auch soziale Gerechtigkeit
Auch die wirtschaftliche Transformation ist entscheidend für den Klimaschutz. Doch gerade soziale Aspekte rücken dabei oftmals in den Hintergrund. Prof. Dr. Markus Beckmann, Inhaber des Lehrstuhls für Corporate Sustainability Management, erläutert deshalb: „Der Kampf gegen den Klimawandel erfordert den zügigen Ausstieg aus fossilen Energien. Eine ‚Just Transition‘, also gerechte Transformation, ist entscheidend, um diesen Übergang sozial gerecht und im Einklang mit den Menschenrechten zu gestalten. Das reicht von den Rechten von Arbeiter/-innen und Gemeinden, die vom Strukturwandel betroffen sind, über die Menschen, die auf bezahlbare Energie und andere Güter angewiesen sind, bis hin zu den Menschen, deren Rechte durch den Abbau von Rohstoffen für die Energiewende betroffen sind.“
Für Beckmann haben Unternehmen die Verantwortung, alle betroffenen Gruppen zu berücksichtigen und durch nachhaltige Praktiken den Weg für eine grüne Zukunft zu ebnen.
Migration ist eine Folge des Klimawandels
Auch Migration wird durch die Klimakrise beeinflusst. Prof. Dr. Petra Bendel, Leiterin des Forschungsbereiches Migration, Flucht und Integration des Instituts für Politische Wissenschaft, weist darauf hin: „Der Klimawandel verändert Migrationsmuster weltweit und betrifft die Menschenrechte erheblich. Im internationalen Menschenrechtsrahmen bestehen jedoch erhebliche Schutzlücken: Die Genfer Flüchtlingskonvention definiert Flüchtlinge auf eine Weise, die – wenn überhaupt – nur bedingt auf Menschen zutrifft, die aufgrund des Klimawandels ihre Heimat verlassen müssen. Ein Schutzanspruch entsteht aktuell eher aus einer Verfolgungslage, die indirekt mit dem Klimawandel verbunden ist.“
Bendel forscht deshalb zur Frage, inwieweit die Menschenrechte angepasst werden können und wie sich an der Schnittstelle zwischen Migrations- und Flüchtlingspolitik und der Klimapolitik neue politische und rechtliche Optionen umsetzen lassen.
Von Menschen gemacht, von Menschen zu lösen
Prof. Dr. Heiner Bielefeldt, bis Ende September 2024 Inhaber des Lehrstuhls für Menschenrechte und Menschenrechtspolitik und nunmehr Seniorprofessor für Menschenrechte an der FAU, widmet sich auf ethischer und politischer Ebene der Frage, wer Verantwortung zur Lösung der Klimakrise trägt:
„Die Klimakrise wirft nicht nur Fragen über den Schutz der Menschenrechte auf, sondern fordert auch eine Diskussion darüber, ob und inwieweit wir die Subjekte von Rechten über die Menschen hinaus ausweisen sollten. Aus kritischer Sicht lautet der Vorwurf, dass es ungerecht sei, nur den Menschen in den Mittelpunkt zu stellen – beklagt wird ‚Speziesismus‘, also das Bevorzugen der menschlichen Spezies. In der Debatte ist es jedoch wichtig, zwischen einer problematischen Anthroprozentrik der Interessen und einer unhintergehbaren Anthropozentrik der Verantwortung zu unterscheiden: Zwar darf der Fokus nicht nur auf menschlichen Interessen liegen, doch bleibt die Verantwortung zur Lösung der Klimakrise eine Aufgabe, die nur von Menschen getragen werden kann. Dieser Begriff der Verantwortung, der über rein menschliche Interessen hinausgeht, muss in der Menschenrechtsdiskussion wieder stärker betont werden.“
Umdenken gefordert
Die planetaren Umweltkrisen zeigen, dass der Mensch untrennbar mit ökologischen Prozessen verbunden ist. Prof. Dr. Georg Glasze, Inhaber des Lehrstuhls für Kulturgeographie und Politische Geographie der FAU, und Prof. Dr. Sandra Jasper, ab 2025 Inhaberin des Lehrstuhls für Kulturgeographie & Gesellschaft-Umweltforschung, fordern deshalb, neue Dimensionen zu berücksichtigen:
„So stellt sich zunächst die Frage, wie Verantwortung verortet werden kann: Die planetaren Krisen fordern die politische und rechtliche Organisation der Welt in abgegrenzte Staaten heraus. Neben diese räumliche Dimension tritt die zeitliche: Die Umweltkrisen verdeutlichen die Einbettung menschlichen Lebens in erdgeschichtliche Zusammenhänge, die mit der Gegenwartsorientierung der etablierten politischen und rechtlichen Verfahren kaum bearbeitet werden können. Und nicht zuletzt stellt sich die Frage, wie die Menschenrechte sinnvoll mit ‚Rechten der Natur‘ zu einer umfassenden ökologischen Perspektive entwickelt werden können.“
Jasper erforscht dabei unter anderem, wie unterschiedlich Natur in einer vom Menschen geprägten Welt verstanden wird. Glasze fragt unter anderem, was die planetaren Umweltkrisen für die etablierten politischen Strukturen und deren räumliche Organisation bedeuten.
Über das Center for Human Rights
Das FAU-Forschungszentrum Center for Human Rights Erlangen-Nürnberg (FAU CHREN) ist ein Zusammenschluss von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus verschiedenen Fakultäten und Disziplinen, die Forschungsbeiträge zu regionalen, nationalen und internationalen Entwicklungen im Bereich der Menschenrechte leisten. Das Zentrum widmet sich der Analyse menschenrechtlicher Herausforderungen in Recht, Politik, Wirtschaft und Gesellschaft und arbeitet an zukunftsweisenden Lösungen.
Weitere Informationen
Prof. Dr. Michael Krennerich
Center of Human Rights Erlangen-Nürnberg an der FAU
michael.krennerich@fau.de