Die Gehirn-Ingenieurin

Sylvia Budday hält ein bester Hamlet-Manier eine Hirnmodell in der Hand.
(Bild: FAU/Giulia Iannicelli)

Silvia Budday erforscht, wie unser Gehirn auf mechanische Kräfte reagiert. Dafür wird sie seit 2024 mit einem ERC Starting Grant gefördert. Wissenschaftlerin und Mutter zu sein, darin sieht die junge Maschinenbauprofessorin keinen Widerspruch.

Mit dem Boot wäre es zu weit gewesen. Also sind Silvia Budday und ihr Mann, beide begeisterte Segler und Wassersportler, mit dem Flieger nach Vancouver gereist. Zweieinhalb Wochen Jahresurlaub, nichts Ungewöhnliches eigentlich. Allerdings hat die Ingenieurin zwei Wochen davon auf Konferenzen verbracht, ein Symposium sogar mitorganisiert. „Ich bin froh, dass sich das miteinander verbinden ließ und Dominik sich während der Konferenzen um unseren zweijährigen Sohn kümmern konnte.“

Silvia Budday hat den Lehrstuhl für Kontinuumsmechanik mit dem Schwerpunkt Biomechanik inne, der im Rahmen der Hightech Agenda Bayern an der FAU geschaffen wurde. Sie erforscht, wie unser Gehirn auf mechanische Einflüsse reagiert: „Das ist beispielsweise bei Hirnoperationen wichtig“, erklärt sie. „Wenn etwa ein Tumor entfernt werden muss, wirken unweigerlich Kräfte auf das umliegende Gewebe ein. Bisher wissen wir nicht, welche Belastungen es aushält und wann es irreparabel geschädigt wird.“ Diese Wissenslücke soll im Projekt MAGERY geschlossen werden, das Budday leitet und für das sie 2023 einen Starting Grant eingeworben hat, eine der renommiertesten Förderungen des Europäischen Forschungsrates.

Der handwerkliche Teil der Untersuchungen ist nichts für schwache Nerven: Silvia Budday und ihr Forschungsteam schneiden kleine Würfel oder Zylinder aus dem Gehirn von Organspendern. Die Gewebestücke werden komprimiert oder auseinandergezogen und dabei mit einem Multiphotonenmikroskop bis hinein in die zelluläre Ebene beobachtet. „Mit den Mess- und Beobachtungsdaten füttern wir mathematische Modelle und Simulationen“, erklärt Budday. Geplant ist, Virtual- und Augmented-Reality-Anwendungen für die Neurochirurgie zu verbessern – zum einen für Trainings, zum anderen als OP-Unterstützung. „Dabei setzen wir stark auf die Rückmeldung der Chirurginnen und Chirurgen, denn einerseits wollen wir gesundes Gewebe schützen, andererseits sollen bei einer OP aber auch nicht ständig rote Lämpchen blinken, die ablenken könnten.“

Achterbahn statt Ottomotor

Obwohl sie als Kind wahlweise Zoodirektorin oder Journalistin werden wollte, hat Silvia Budday, die in der Nähe von Stuttgart aufgewachsen ist, sich nach dem Abitur für Maschinenbau entschieden. „Bei der Einführungsvorlesung am Karlsruher Institut für Technologie hat der Professor den Ottomotor vorgestellt mit den Worten, dieses Werk deutscher Ingenieurskunst lasse Herzen höherschlagen. Ehrlich gesagt, ist bei mir der Funke nicht übergesprungen.“ Das änderte sich, als Budday ein Praktikum bei einem Münchner Konstrukteur für Achterbahnen machte: „Das hat mich total fasziniert, weil hier viel modelliert wird und die Veränderung kleinster Parameter gravierende Auswirkungen hat. Wie viel Schwung braucht der Wagen für die nächste Kuppe? Liegt er sicher in der Kurve? Welche Passagen finden die Besucher aufregend? Wie groß dürfen Beschleunigungen sein, ohne die Fahrgäste zu gefährden?“

Silvia Budday hat ihre Bachelorarbeit zu diesem Thema geschrieben und ist während ihres Masterstudiums, das sie 2013 als Jahrgangsbeste abschloss, mit einem DAAD-Stipendium für ein Jahr an die Purdue University in Indiana, USA, gegangen. Hier fasste sie endgültig den Entschluss, sich mit der Biomechanik zu beschäftigen. 2014 ging sie nach Erlangen an den Lehrstuhl für Technische Mechanik (LTM) zu Paul Steinmann, der sie – gemeinsam mit Ellen Kuhl von der Stanford University – bei ihrer Doktorarbeit betreute. Ellen Kuhl forscht seit Juli 2024 im Rahmen eines ERC Advanced Grants ebenfalls an der FAU. „Wir haben in Erlangen mittlerweile eine unglaublich starke Expertise im Bereich der Hirnmechanik, die inzwischen im Sonderforschungsbereich ‚Exploring Brain Mechanics‘ gebündelt ist“, erklärt Budday.

„Es wird oft thematisiert, wie Wissenschaftskarriere und Familie unter einen Hut zu bringen sind. Diese Frage stellt sich mir eigentlich gar nicht. Wenn man etwas leidenschaftlich betreibt, bekommt man alles organisiert.“

Prof. Dr. Silvia Budday

Menschen in einem Labor der FAU, Prof. Budday im Zentrum
(Bild: FAU/Giulia Iannicelli)

Familie und Karriere verbinden

Wie sie Wissenschaftskarriere und Familie unter einen Hut bekommt, diese Frage stellt sich für die Professorin und bald zweifache Mutter eigentlich gar nicht: „Wenn man etwas leidenschaftlich betreibt, bekommt man alles organisiert“, sagt sie. Sie kann sich auf eine engagierte Tagesmutter verlassen und nimmt ihren Sohn auf Dienstreisen mit, wann immer es geht. Die späten Nachmittagsstunden sind für die Familie reserviert, abends setzt sie sich dann meist wieder vor den Rechner, um sich ihrer Forschung zu widmen oder Vorlesungen vorzubereiten. „Das ist ja der große Vorteil der Wissenschaft, dass man zeitlich sehr flexibel ist.“ Herausfordernd bleibt es dennoch, denn auch Ehemann Dominik, ebenfalls promovierter Maschinenbauer, ist als Produktmanager bei Siemens beruflich stark eingebunden.

Wenn die Zeit es erlaubt, segeln die beiden am Dechsendorfer Weiher, wenige Kilometer von Erlangen entfernt, in dessen Nähe sie auch leben. „Es gibt sicher größere Seen, aber die Winde sind hier nicht zu unterschätzen“, sagt Silvia Budday. „Dann geht es raus mit der Jolle oder bei Flaute eben zum Stand-up-Paddeln.“ In Vancouver hatten sie überlegt, ein Segelboot zu mieten, aber das Wetter war dann doch zu ungemütlich. Das obligatorische Whale Watching haben sie sich jedoch nicht entgehen lassen. Und der ganz große Törn? „Mein Mann würde gern den Atlantik überqueren“, verrät die Forscherin. „Aber ich glaube, der Zug ist abgefahren. Ein solches Abenteuer ist ja nicht ungefährlich, und wenn dann erst mal Kinder da sind, überlegt man sich das zweimal. Aber ein paar Tage ohne Land in Sicht, ringsum das Meer bis zum Horizont, das wollen wir schon mal erleben.“

Autor: Matthias Münch


Dieser Artikel ist Teil des FAU Magazins

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