Von Zeitzonen und Nervenzellen
Japan, USA, Deutschland: Egal, in welchem Land er lebt und forscht – der Neurowissenschaftler Tomohisa Toda will herausfinden, was die Nervenzellen unseres Gehirns robust macht.
Am Anfang war die Küchenzeile. Besser gesagt, sie fehlte – und das überraschte Tomohisa Toda und seine Frau doch sehr. Denn sowohl in Japan, wo der Neurowissenschaftler aufgewachsen ist, als auch in den USA, wo er mehrere Jahre geforscht und mit seiner Familie gelebt hat, waren die Apartments immer voll ausgestattet. „In unserer ersten Wohnung in Deutschland mussten wir dagegen zehn Wochen auf unsere Einbauküche warten“, erinnert sich der Forscher, der seit 2022 Professor für Neurale Epigenomik an der FAU sowie am Max-Planck-Zentrum für Physik und Medizin in Erlangen ist. „Als wir ankamen, hatten wir schon unser erstes Kind, da wäre eine funktionierende Küche echt gut gewesen.“
Mit Herausforderungen kann der Forscher jedoch bestens umgehen, das zeigt seine wissenschaftliche Karriere: 2011 wurde Toda in seiner japanischen Heimat in Neurowissenschaften an der Universität Tokio promoviert. Kurze Zeit später wechselte er als Postdoc in die USA und arbeitete am Salk Institute for Biological Studies in San Diego. Dort untersuchte er die epigenetischen Mechanismen adulter neuronaler Stammzellen – und wenn er im Labor mal nicht weiterkam, stieg er in der Mittagspause auf sein Surfbrett und kehrte mit neuen Ideen zurück. „Die direkte Nähe zum Strand vermisse ich heute natürlich schon manchmal“, räumt der Wissenschaftler ein. „Aber unsere Entscheidung, nach Deutschland zu gehen, war absolut richtig.“ Denn hier gehe es sowohl in der Forschung als auch im Privaten deutlich weniger „competitive“ zu als in den USA oder Japan. „In meiner Heimat ist die Erziehung auf extremen Wettbewerb ausgerichtet. Das möchte ich meinen Kindern nicht antun“, sagt der Familienvater. Und der Wissenschaftler in ihm schätzt die Möglichkeit zur Grundlagenforschung in Deutschland: „In den USA musst du deine Forschung immer rechtfertigen und möglichst schnell Ergebnisse erzielen.“
Starting Grant führt nach Deutschland
Der Anstoß zum Wechsel kam von einem deutschen Kollegen und Freund in San Diego, der Toda auf den Starting Grant des Europäischen Forschungsrates (ERC) aufmerksam machte. Um den Preis können sich Forschende jeder Nationalität am Beginn ihrer wissenschaftlichen Karriere bewerben. Also ergriff der Japaner die Chance, reichte seine Unterlagen ein, erhielt 2019 den begehrten ERC Starting Grant, zog mit seiner Familie nach Deutschland und gründete mit den Fördermitteln eine Forschungsgruppe am Deutschen Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen in Dresden. Zusammen mit seinem Team entschlüsselte der Wissenschaftler, der über eine einzigartige Expertise in Neurobiologie und Epigenetik verfügt, mehrere proteinbasierte Mechanismen, die für die langfristige Funktion von Nervenzellen verantwortlich sind.
„Die Lange Nacht der Wissenschaften ist ein tolles Format, um schon Kinder an Forschung heranzuführen. Das gefällt mir an Deutschland.“
Prof. Dr. Tomohisa Toda
Seine Ergebnisse stießen auch bei der FAU auf großes Interesse – und so zog der Forscher im Jahr 2022 mit seiner Frau und den (inzwischen) zwei kleinen Söhnen erneut um. Von Dresden nach Erlangen beziehungsweise von Sachsen nach Bayern, denn der Wechsel erfolgte im Rahmen der Hightech Agenda Bayern. Nach langer Suche fand die Familie eine große Wohnung in der Erlanger Innenstadt – dieses Mal mit Küche – und fühlt sich seitdem ausgesprochen wohl in der Hugenottenstadt. „Unsere Kinder können in die internationale Grundschule laufen und danach zum Sport gehen“, erzählt Toda. Er selbst fährt mit dem Fahrrad in die Uni oder ans Max-Planck-Zentrum für Physik und Medizin und widmet sich seiner Grundlagenforschung. 2023 wurde Tomohisa Toda dafür mit dem Consolidator Grant des ERC ausgezeichnet, der mit zwei Millionen Euro dotiert ist. Über einen Förderzeitraum von fünf Jahren untersucht die Toda-Gruppe nun im Projekt NEUTIME, welche Rolle Ribonukleinsäure (RNA) bei der Aufrechterhaltung der Gehirnfunktion und bei Prozessen der Gehirnalterung spielt. „Bestimmte RNA-Moleküle existieren in den Nervenzellen des Gehirns ein Leben lang, ohne erneuert zu werden“, erklärt der Wissenschaftler. „Deshalb ist es elementar für sie, dass sie ihre Funktion und ihren Zelltyp aufrechterhalten.“ Wie das funktioniert – und vor allem, was die Neuronen robust macht – will das Team herausfinden. „Das kann auch ein Schlüssel zur Vorbeugung und Behandlung neurodegenerativer Erkrankungen wie Alzheimer sein“, hofft Toda.
Was Neuronen robust macht
Prof. Dr. Tomohisa Toda will herausfinden, was Neuronen robust macht sowie welche Rolle Ribonukleinsäure (RNA) bei der Aufrechterhaltung der Gehirnfunktion und bei Prozessen der Gehirnalterung spielt. Neuronen sind die Nervenzellen unseres Gehirns. Sie senden und empfangen alle Signale und ermöglichen den richtigen Ablauf unserer Körperfunktionen. Doch auch Neuronen altern und sind damit ein wichtiger Risikofaktor für neurodegenerative Erkrankungen wie Alzheimer, Demenz oder Parkinson. Entscheidend für wirksame Therapiekonzepte ist ein grundlegendes Verständnis davon, wie der Alterungsprozess abläuft und welche Schlüsselkomponenten an der Zellfunktion beteiligt sind. Daran forscht die Toda-Gruppe und konnte bereits zeigen, dass bestimmte RNA-Moleküle in den Nervenzellen des Gehirns ein Leben lang existieren, ohne erneuert zu werden. Zukünftige Forschungsprojekte sollen tiefere Einblicke in die biophysikalischen Mechanismen dahinter geben.
Ihre Arbeit will die Forschungsgruppe im nächsten Jahr bei der „Langen Nacht der Wissenschaften“ vorstellen, denn Toda ist ein großer Fan der Veranstaltung: „Da kommen so viele Menschen, die sich für Wissenschaft interessieren“, schwärmt er. „Ein tolles Format, um schon Kinder an Forschung heranzuführen. Das gefällt mir an Deutschland.“ Weniger begeistert ist er allerdings – kaum überraschend – von der deutschen Bürokratie. Die macht ihm sowohl als Forscher wie auch als Privatmensch immer mal wieder zu schaffen. Darüber reden er und seine Frau des Öfteren in ihrer schönen Küche.
Autorin: Elke Zapf
Dieser Artikel ist Teil des FAU Magazins
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