HIV-Impfung in Sicht?
Virologe Klaus Überla und sein Team entwickeln an der FAU neue Immunisierungsstrategien gegen HIV und bauen dabei auf jahrzehntelanger Expertise auf.
Eine von 1000 Personen in Deutschland ist HIV-positiv. Damit ist der Anteil der HIV-Infizierten in Deutschland so hoch wie noch nie. Das mag für viele überraschend sein – schließlich wird seit Jahrzehnten umfassend über HIV und AIDS aufgeklärt. Klaus Überla, Direktor des Virologischen Instituts und Inhaber des Lehrstuhls für Klinische und Molekulare Virologie, benennt zwei hauptsächliche Ursachen für die steigenden Zahlen: „Wir haben in den letzten 20 Jahren sehr gute Therapiemöglichkeiten entwickelt“, erklärt der Virologe. „Das hat zur Folge, dass inzwischen weniger HIV-Infizierte sterben, als neu infizierte Personen hinzukommen. Dadurch steigen natürlich die Zahlen.“ Außerdem, ergänzt Überla, wissen etwa zehn Prozent der Betroffenen nichts von ihrer Infektion – und laufen Gefahr, andere anzustecken. Mit einer lebenslangen antiviralen Therapie kann das Humanes-Immundefizienz-Virus, kurz HIV, inzwischen gut behandelt werden. Eine Impfung gibt es bis heute nicht. Überla gehört zu den Forschenden, die versuchen, das zu ändern.
Eine Impfung gegen HIV?
Seit dreißig Jahren befasst sich Überla mit der Entwicklung von Impfstoffen gegen HIV und mit der Frage, warum bisherige Immunisierungsstrategien erfolglos geblieben sind. „Im Rahmen unserer Forschung haben wir praktisch alle Immunisierungsarten durchlaufen“, beschreibt er. Derzeit forschen er und seine Arbeitsgruppe an einem passiven Immunisierungsverfahren. Während bei einem aktiven Immunisierungsverfahren der Organismus der geimpften Person durch den Kontakt mit einem Antigen dazu gebracht wird, eine Immunantwort auszubilden, also Antikörper zu entwickeln, werden die Antikörper bei einem passiven Immunisierungsverfahren direkt übertragen. Solange der Antikörper in der immunisierten Person vorhanden ist, ist diese geschützt. Vielversprechend: „Wir kennen Antikörper, die bei sehr vielen verschiedenen HIV-Varianten gleichzeitig wirksam sind“, erklärt Überla.
Die Infektion von der ersten Zelle an verhindern
Das Virologie-Team der FAU hat sich die Frage gestellt, ob solche passiven Immunisierungen in der Lage sind, die Infektion der allerersten Zelle zu verhindern. Wenn das HI-Virus eine Zelle infiziert hat, dann baut es sein virales Erbgut in das Erbgut der Zelle ein. Damit kann das Virus-Erbgut so lange bestehen, wie die Zelle lebt. Teilt sich die Zelle, wird das virale Erbgut auch auf beide Tochterzellen übertragen. „Wenn ich die Infektion der allerersten Zelle nicht verhindere, besteht die Gefahr, dass diese latent infizierte Zelle irgendwann später das Virusgenom aktiviert und neue Virusvarianten entstehen“, sagt Überla. „Wir konnten zeigen, dass gerade die neutralisierenden Antikörper, die das Eindringen des Virus in die Zelle blockieren, einen Schutz der ersten Zelle vermitteln. Das nennt man auch sterilisierende Immunität.“
Bei seiner Arbeit kann Überla sich auch und insbesondere auf die Forschung seines Vorvorgängers Harald zur Hausen stützen, dem Gründungsdirektor des Virologischen Instituts. Dieser hatte erstmals vermutet, dass Gebärmutterhalskrebs durch humane Papillomviren verursacht werden könnte, und führte in Erlangen die ersten Studien hierzu durch. Die erfolgreiche Entwicklung der HPV-Impfung hat folglich ihren Ursprung in Erlangen – zur Hausen erhielt später sogar den Medizinnobelpreis dafür. „Wir verwenden die Papillomvirus-Impfstoffe als partikuläre Impfstoff-Plattform“, erklärt Überla. „Unser Ziel ist es, das Hüllprotein von HIV an die Oberfläche der HPV-Partikel zu koppeln. Auf diese Weise wollen wir die Struktur der HPV-Partikel, die sehr immunogen ist, nutzen, um die Immunantwort gegen das HIV-Protein zu verbessern.“ Bis zu einem anwendbaren Impfstoff wird es aber noch dauern. „Das ist ein langwieriger Prozess“, sagt der Immunologe. „Wir reden über Entwicklungszeiten von 20 bis 30 Jahren.“
Innovative Ansätze im Graduiertenkolleg
Überla selbst steht nicht mehr häufig im Labor. Stattdessen betreut er eine Arbeitsgruppe, bestehend aus Doktorand/-innen, wissenschaftlichen Mitarbeiter/-innen und technischen Mitarbeiter/-innen. Er unterstützt sie bei Forschungsfragen und hilft, die passenden experimentellen Untersuchungsmethoden zu finden. Außerdem leitet er das Graduiertenkolleg „Neue antivirale Strategien: von der Chemotherapie bis zur Immunintervention“. Ziel des Graduiertenkollegs ist es, eine Gruppe von Doktorand/-innen, die in einem ähnlichen Gebiet arbeiten, inhaltlich und durch Kompetenzen bei ihrer Promotion zu unterstützen. Die Doktorand/-innen in diesem Graduiertenkolleg beschäftigen sich mit der antiviralen Chemotherapie. Sie wollen Medikamente gegen bestimmte virale oder zelluläre Strukturen entdecken und ihren Wirkmechanismus aufklären. Außerdem wollen sie neue Immunisierungsstrategien entwickeln. „Früher oder später wird auch die Kombination aus diesen Verfahren zum Einsatz kommen“, vermutet Überla. „Ich bin gespannt, welche neuen Ansätze das Graduiertenkolleg hervorbringt.“
Autorin: Miriam Weigand
Dieser Artikel ist Teil des FAU Magazins
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