Licht rein, Schall raus
Wenn Kinder mit Bauchschmerzen in die Kinderklinik kommen, beginnt die oft mühsame Suche nach der Ursache. Ferdinand Knieling erforscht im Rahmen eines ERC Starting Grants am Uniklinikum der FAU eine neue, minimal-invasive Diagnosemethode, die auf Ultraschall basiert. Eine Stippvisite in der Kinderklinik.
Wenn Ferdinand Knieling durch die bunten Flure der Kinderklinik streift, trifft er immer wieder Eltern, die er seit Jahren kennt: „Hallo, wie geht‘s?“ fragt der Oberarzt der Pädiatrie eine junge Familie, die zur Nachsorge kommt. „Danke, gut! Der Kleine wächst und gedeiht!“, freut sich die Mutter und zeigt auf ihren Sohn, der munter neben ihr her hüpft. „Als Kinderarzt bekommt man so viel zurück“, sagt der Mediziner später und erklärt: „Wir haben es an der Uniklinik meistens mit chronischen und seltenen Erkrankungen zu tun – und oft langen Verläufen.“
Die Ursachen der Krankheiten zu ergründen, ist stets eine Herausforderung und richtungsweisend für die Behandlung, weshalb Knieling sich der diagnostischen Forschung verschrieben hat. Dass er selbst vierfacher Vater ist, hilft ihm im Umgang mit den Kindern und ihren Eltern, die manchmal Tage und Wochen in der Klinik verbringen – am Krankenbett, in speziellen Gästezimmern oder im Ronald-McDonald-Haus. „In der Kinderklinik befinden sich alle medizinischen Fachrichtungen unter einem Dach: von der Kinderchirurgie und Kinder-Urologie über die Neonatologie bis zum Kinder-Nierenzentrum und der Rheuma-Ambulanz – zusammen rund 80 bis 100 Ärztinnen und Ärzte“, erklärt Knieling. Das Alter der Patientinnen und Patienten reicht vom Frühchen bis zu jungen Erwachsenen. „Eine 19-Jährige mit multiplen Vorerkrankungen aus der Kindheit wird bei Bedarf von uns auch weiterbehandelt.“
Ultraschall ersetzt Endoskopie
Ferdinand Knieling arbeitet zum einen auf den Stationen und hält zum anderen Vorlesungen in Kinderheilkunde vor Medizinstudierenden im hauseigenen Hörsaal. Sein drittes Betätigungsfeld und zugleich Herzensprojekt ist die Forschung im Bereich der Früherkennung von Magen-Darm-Erkrankungen mittels einer speziellen Ultraschalldiagnostik. „Bauchschmerzen bei Kindern bedeuten nicht immer gleich Blinddarm“, sagt Knieling. „Auch im frühesten Alter beobachten wir chronische Darmerkrankungen wie Morbus Crohn oder Colitis ulcerosa.“ Unbehandelt können sie Entzündungen im gesamten Körper auslösen und das Wachstum sowie die Pubertät verzögern.
Normalerweise erfordert die Diagnose auch schon bei Kleinkindern eine invasive Magen- oder Darmspiegelung. Das will man jedoch tunlichst vermeiden. „Es ist schwierig, eine Zweijährige zu endoskopieren“, erklärt der Arzt. Allein die vorherige Darmreinigung durch das Trinken einer Spezialflüssigkeit ist bisweilen eine Qual für das Kind, folglich muss es bereits stationär in der Klinik auf die Endoskopie vorbereitet werden. Das ist zeit- und kostenintensiv. Unkomplizierter und minimal-invasiv wäre eine Diagnostik mittels Bildgebung.
Ferdinand Knieling betritt einen abgedunkelten Raum, in dem mehrere Ultraschallgeräte stehen. Der Arzt deutet auf eine futuristische Apparatur, mit der sich die sogenannte Multispektrale Optoakustische Tomografie (MSOT) durchführen lässt. MSOT ist eine innovative Methode, bei der kurzwelliges Laserlicht verwendet wird, um Schwingungen im Körper zu erzeugen. Diese Schwingungen werden mit hochsensitiven Detektoren erfasst und zu einem Bild zusammengesetzt – ähnlich wie beim regulären Ultraschall. „Licht rein, Schall raus: Die unterschiedlichen Stoffe im Körper wie Lipide, Hämoglobin oder Bindegewebe absorbieren das Licht auf unterschiedliche Weise und werden dann sichtbar. Noch genauer wird der Darm nach Gabe eines harmlosen, farbgebenden Kontrastmittels sichtbar, das nicht gespritzt werden muss, sondern geschluckt werden kann“, erläutert er. „Mit noch besseren und zielgerichteten Farbstoffen könnten sich in Zukunft Entzündungen im Darm noch präziser feststellen lassen. Bei Kindern wäre die Methode besonders geeignet, weil sich die Organe in nur wenigen Zentimetern Tiefe unter der Hautoberfläche befinden und Veränderungen mit der Lasermethode gut erkennbar sind.“
Raupe als Darmmodell
Der Mediziner und sein Team haben vom European Research Council (ERC) einen renommierten Starting Grant in Höhe von 1,4 Millionen Euro erhalten, um die MSOT-Methode in den kommenden fünf Jahren weiterzuentwickeln. Die FAU ist weltweit Vorreiter bei dieser Diagnostik. Doch bevor sie regulär in der pädiatrischen Praxis angewendet werden kann, sind noch viele Hürden zu nehmen. „Das Problem ist, dass der Einsatz medizinischer Fachgeräte erst für Patienten ab 18 Jahre zugelassen ist. Das Gesetz hat dabei vor allem die Patientensicherheit im Auge“, erklärt Projektkoordinator Knieling. Erst wenn Vorstudien sowie Überprüfungen von Ethik-Kommissionen und Behörden Erfolg haben, darf die MSOT-Methode auch bei Kindern routinemäßig angewandt werden.
Aus diesem Grund nimmt das Erlanger Forschungsteam gerade Tierversuche an einer Raupenart vor. „Uns bleibt keine andere Wahl, wir müssen die Wirksamkeit präzise nachweisen“, sagt Knieling auf dem Weg ins Labor im dritten Stock der Klinik. Hier werden die Raupen fachgerecht präpariert und für den Laser-Ultraschall vorbereitet. In einem PC-Raum finden dann die Analysen der Bildgebung statt. „Wir arbeiten hier interdisziplinär mit Biologen, Ingenieuren und Informatikern zusammen.“ Der Kinderarzt hofft, dass die minimal-invasive Laser-Ultraschall-Methode eines Tages für kleine Patientinnen und Patienten Standard ist, um sie dann schnell und zielgerichtet behandeln zu können.
Vorstudie mit Falter-Raupe
Bevor die MSOT-Methode Standard für die Diagnostik im Bereich der Kinderheilkunde werden kann, bedarf es zahlreicher Voruntersuchungen. Hierzu forscht das Team um Ferdinand Knieling zusammen mit Dr. Anton Windfelder vom Uniklinikum Gießen auch an der Raupe des Tabakschwärmers, eines Nachtfalters. Das wirbellose Tier eignet sich besonders als Modellorganismus für präklinische Studien chronisch entzündlicher Darmerkrankungen, weil bis zu 75 Prozent der Gene, die eine Erkrankung bei Menschen auslösen können, auch bei diesem Insekt vorhanden sind. Anders als bei Tierversuchen an Mäusen bedarf es bei Larven keiner aufwendigen Genehmigungsverfahren. Zudem bieten Insekten im Vergleich zu Ratten oder Mäusen den Vorteil der schnelleren Reproduktion, einer kostengünstigeren Haltung und geringerer ethischer Bedenken. An der Kinderklinik der FAU werden die Raupen mit einer speziellen chemischen Lösung präpariert, bis sie durchsichtig werden. So kann nachgewiesen werden, dass die neuen Farbstoffe ihre Ziele im Darm wirklich erreicht haben.
Autorin: Susanne Stemmler
Dieser Artikel ist Teil des FAU Magazins
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