Leitplanken für die Forschung
Fünf statt acht – die FAU hat ihre Forschungsschwerpunkte neu definiert. Warum sie das getan hat und welcher Prozess dahintersteht, erzählen Anja Boßerhoff, Vorsitzende des FAU-Senats, und Georg Schett, Vizepräsident Research, im Interview.
Herr Schett, seit 2024 hat die FAU fünf neue Forschungsschwerpunkte, vorher waren es acht. Wird an der FAU heute weniger geforscht als früher?
Schett: Ganz im Gegenteil. Wir zählen zu den forschungsstärksten Universitäten weltweit und suchen in breit angelegten Kooperationen nach Antworten auf die drängenden Fragen unserer Zeit. Genau das spiegeln die neuen Schwerpunkte wider, und ich bin sehr dankbar dafür, dass Anja Boßerhoff hier die Initiative ergriffen hat.
Was hat Sie dazu veranlasst, Frau Boßerhoff?
Boßerhoff: Den Ausschlag gab die Exzellenzinitiative Anfang 2023, bei der wir mit interdisziplinären Clustern angetreten sind, in denen eine unglaublich breite Expertise gebündelt war. Der Senat der FAU hat sich gefragt, ob die FAU als Volluniversität in den bisherigen Forschungsschwerpunkten angemessen repräsentiert ist. Eine größere Zahl an Schwerpunkten heißt ja nicht automatisch, dass damit alles abgedeckt ist, zumal wir eine sehr dynamische Forschungslandschaft haben. Die Intention des Senats war, übergreifende Forschungswelten zu definieren, die sämtliche Disziplinen und Kooperationen, auch künftige, einbinden.
Das setzt einen guten Überblick über die Forschungsstrukturen der FAU voraus.
Boßerhoff: Richtig. Die hat aber keiner von uns vollständig im Kopf, deshalb war das CRIS-System sehr hilfreich. Auf unsere Bitte hin haben Marcus Walther und Bastian Melsheimer vom FAU Competence Center Research Data and Information die CRIS-Plattform intensiv durchforstet und ausgewertet, welche Forschungskooperationen es an der Universität gibt. Dazu kommt, dass die Kompetenz-, Profil- und Forschungszentren der FAU bereits definiert waren und sich natürlich in den neuen Schwerpunkten wiederfinden mussten.
So wie in „Targeting environmental and economic Challenges“, um ein Beispiel zu nennen …
Schett: Hier wird besonders deutlich, dass sich die Zielsetzung nur in einem engen Verbund faktisch aller Fakultäten in Angriff nehmen lässt: Naturwissenschaften, Technik, Medizin, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften. Damit wird auch klar, dass die Forschungsschwerpunkte nicht jeweils eine Fakultät der FAU repräsentieren, auch wenn das ebenfalls fünf sind. Uns war wichtig, dass die neuen Schwerpunkte visionär und inklusiv sind, zugleich aber auch granular genug, um den inhaltlichen Rahmen abzustecken. Ich denke, das ist uns gelungen.
Anders als die bisherigen Formulierungen beginnen die neuen mit der sogenannten Gerund-Form, also „Exploring“, „Targeting ”, „Understanding“, „Developing” und „Engineering“. Hat das einen besonderen Grund?
Schett: Das ist kein Zufall und folgt konsequenterweise der Entwicklung der FAU als Marke. Wir haben 2021 unser Motto von „Wissen in Bewegung“ in „Wissen bewegen“ geändert. Damit wollten wir das Aktive betonen, das die Forschung prägt. Wissen bewegt sich ja nicht von selbst, sondern ist das Ergebnis der intensiven Arbeit und großen Leidenschaft, mit der die Forschenden ihre Projekte vorantreiben. Dieses Handeln wollten wir bei den Forschungsschwerpunkten erneut in den Mittelpunkt rücken.
Boßerhoff: Interessanterweise haben die Verben inzwischen eine Eigenständigkeit entwickelt und werden etwa vom FAU-Marketing auch singulär in Verbindung mit dem jeweiligen Symbol verwendet, also beispielsweise „Targeting“ und die Zielscheibe. In der Tat ist es ja genau das, was die Forschenden tun: ins Visier nehmen, erkunden, verstehen, entwickeln und konstruieren. Wir scheinen also nicht nur ein tragfähiges inhaltliches, sondern auch ein gutes sprachliches Konzept entwickelt zu haben.
Wie kann man sich diesen Entwicklungsprozess eigentlich vorstellen – der Senat stimmt ab, und das Ergebnis ist für alle verbindlich?
Boßerhoff: Nein, so läuft das nicht. Wir haben das in vielen Sitzungen sehr intensiv diskutiert. Im Senat sind ja die Fakultäten vertreten, zusätzlich haben wir unser Konzept der erweiterten Universitätsleitung vorgestellt, zu der sämtliche Dekane der FAU gehören. Das bedeutet, unsere Vorschläge sind in die Fakultäten und Departments getragen worden, und wir haben konstruktive Rückmeldungen bekommen, die in die finalen Formulierungen eingeflossen sind. Ich würde also eher von einem Bottom-up- als von einem Top-down-Prozess sprechen.
Was von Ihren ursprünglichen Vorschlägen ist denn am Ende geblieben?
Boßerhoff: So viele Änderungen gab es gar nicht. Von der Philosophischen sowie der Rechts- und Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät wurde angeregt, die Formulierung „Understanding Cultural Practices and Social Formations“ um den Begriff „Norms“ zu erweitern. Und Roland Busch, der Vorsitzende des Universitätsrats, hat vorgeschlagen, „Engineering transformative Medicine“ in „Engineering transformative Healthcare“ zu ändern, weil das Thema Gesundheit eben mehr umfasst als die rein medizinische Versorgung. Rückmeldungen von Personen, die mit der Nomenklatur gar nicht leben können, gab es bis heute keine.
Was bedeutet die neue Schwerpunktsetzung konkret für den Forschungsalltag an der FAU?
Schett: Entscheidend ist immer, dass neue Schwerpunktsetzungen keine Galaxien sind, die irgendwo im Äther driften, sondern tatsächlich gelebt werden. Und das tun sie: Sie bestimmen unsere tägliche Arbeit – nicht nur in der Forschung, sondern auch in der Lehre und in unseren Beziehungen nach außen. Sie sind Leitplanken für die strategische Profilbildung unserer Universität und stärken die Marke „FAU“. Und sie sind offen für das, was an wissenschaftlichen Themen und Herausforderungen noch auf uns zukommen wird.
Zu den FAU-ForschungsschwerpunktenAutor: Matthias Münch
Dieser Artikel ist Teil des FAU Magazins
Innovation, Vielfalt und Leidenschaft – so lauten die drei Grundwerte unserer FAU, so sind sie in unserem Leitbild festgehalten. An der FAU leben wir diese Grundwerte jeden Tag
und in allem, was wir tun – in der Forschung, in der Lehre und wenn es darum geht, Wissen, das an der Universität entsteht, in die Gesellschaft hineinzutragen.
Die zweite Ausgabe unseres FAU Magazins macht dies einmal mehr sichtbar: Es zeigt Forschende, die immer wieder die Grenzen des bislang Machbaren überschreiten. Es stellt Studierende vor, die gemeinsam Höchstleistung für ihre FAU erbringen, erzählt von Lehrenden, die mit Freude und Kreativität ihr Wissen weitergeben. Und es berichtet von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die sich mit Weitblick und einem Gespür fürs Wesentliche der (Forschungs-)Infrastruktur an der FAU widmen sowie von Menschen in Schlüsselpositionen, die für ihre Universität da sind und sich für den Forschungsstandort stark machen.
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