Diagnostik ohne Grenzen
Magnetresonanztomografen haben die Diagnose von Krankheiten revolutioniert. Michael Uder, Direktor der Radiologie am Uniklinikum Erlangen, möchte die Technologie auch dort einsetzbar machen, wo es heute noch nicht möglich ist – etwa in Entwicklungsländern. 2023 hat er dafür den Deutschen Zukunftspreis bekommen.
Herr Prof. Uder, Sie haben zusammen mit Siemens Healthineers einen neuartigen Magnetresonanztomografen entwickelt. Was war der Grund dafür?
Die bislang verfügbaren Geräte lassen sich eigentlich nur in Industrieländern betreiben. Und sie stellen hohe Anforderungen an Gebäude- und Infrastruktur. Wir wollten dagegen einen Scanner bauen, der überall auf der Welt funktioniert.
MRT-Bilder werden umso klarer und detailreicher, je stärker das erzeugte Magnetfeld ist. Aktuelle Geräte erreichen bis zu sieben Tesla, Ihr Gerät dagegen nur 0,55 Tesla. Ist das für gute Aufnahmen nicht viel zu wenig?
Uns war vollkommen klar, dass 0,5 Tesla nicht in allen Fällen ausreichend sind. Wir wollten aber zumindest 80 bis 90 Prozent der Untersuchungen abdecken, also die „Brot-und-Butter-Diagnosen“. Erreicht haben wir das durch eine ganze Fülle von Innovationen, auch durch den Einsatz von KI. Wir haben lernfähige Algorithmen mit Tausenden Aufnahmen trainiert und ihnen dadurch beigebracht, die Bildqualität deutlich zu verbessern.
Ein Vorteil Ihres Tomografen ist, dass er sehr wenig Helium benötigt – statt rund 1.000 Liter nur 0,7 Liter.
Das ist ein ganz entscheidender Punkt. Die Magnete in MRT-Geräten müssen stark gekühlt werden, um arbeiten zu können. Diese Aufgabe übernimmt flüssiges Helium, denn es ist extrem kalt. Um es auf niedrige Temperaturen zu bringen, benötigt man elektrische Energie. Bei einem Stromausfall verdampft das Helium daher schon nach kurzer Zeit. Es dehnt sich dabei extrem aus und muss normalerweise in die Atmosphäre abgelassen werden, damit der Tomograf nicht zerstört wird. Der Hersteller schickt dann einen Lkw mit flüssigem Helium vorbei und füllt den Tomografen wieder auf – Kostenpunkt rund 50.000 Euro. So etwas geht an vielen Orten in der Welt natürlich nicht. 0,7 Liter flüssiges Helium aber nehmen auch im gasförmigen Zustand so wenig Platz weg, dass sie sich im MRT problemlos auffangen lassen. Sobald der Strom wieder da ist, kann das Gerät das Gas verflüssigen und ist dann wieder einsatzbereit.
In dem Tomografen stecken zehn Jahre Entwicklungszeit. Gab es auf diesem Weg auch Rückschläge?
Jede Menge. Aber die Arbeit hat sich gelohnt, zumal von den Innovationen auch herkömmliche MRT-Geräte profitieren. Wir haben gerade einen 1,5-Tesla-Tomografen in Betrieb genommen, der ebenfalls mit 0,7 Litern Helium auskommt. Und die KI-Software wurde inzwischen auch auf unseren anderen MRTs installiert.
Werden Sie das Gerät weiterentwickeln?
Wir sind schon dabei. Der Nachfolger soll beispielsweise Operationen erlauben, während die Patientin oder der Patient gescannt wird. Das war bislang unter anderem wegen der starken Magnetfelder und der engen Röhre des Tomografen nicht möglich. Die Technologie eröffnet uns also völlig neue Anwendungsgebiete.
Autor: Frank Luerweg
Dieser Artikel ist Teil des FAU Magazins
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