Angriff der Killerzellen
Von Beginn seiner Karriere an hat sich Andreas Mackensen damit befasst, wie sich das Immunsystem so manipulieren lässt, dass es auch Krebs angreift. Mit gentechnisch veränderten Immunzellen bekämpft er nun zudem Autoimmunerkrankungen.
An Wunder glaubte Andreas Mackensen eigentlich nicht. Jedenfalls bis 2021, als er gemeinsam mit Georg Schett, Direktor der Medizinischen Klinik 3, weltweit erstmals eine Patientin mit der Autoimmunerkrankung Lupus erythematodes mit CAR-T-Zellen behandelte. Im Mausmodell hatte die Therapie bei der Regulierung des überaktiven Immunsystems bereits Erfolge gezeigt. „Anfangs war ich skeptisch, später überwältigt: Alle Krankheitsparameter verschwanden, die junge Frau ist seit mittlerweile dreieinhalb Jahren krankheitsfrei“, sagt Mackensen. „Man kann wirklich von einem Wunder sprechen.“
Der Direktor der Medizinischen Klinik 5 – Hämatologie und Internistische Onkologie forscht an chimären Antigenrezeptor-T-Zellen, kurz CAR-T-Zellen. Die Behandlung mit ihnen gehört bei Rückfällen einiger Krebsarten des blutbildenden und lymphatischen Systems bereits zum medizinischen Standard. Dafür werden den Patienten körpereigene T-Zellen entnommen und gentechnisch so verändert, dass sie auf der Oberfläche von Krebszellen vorkommende Merkmale, sogenannte Antigene, erkennen und die Krebszellen abtöten.
Nachdem diese Zelltherapie nun auch bei schweren Autoimmunerkrankungen so gut ansprach, konnten die Immunologen Mackensen und Schett sowie ihr Team sich vor Anfragen kaum retten. Vor wenigen Monaten wurde ein an Lupus erkranktes 15-jähriges Mädchen erfolgreich mit CAR-T-Zellen behandelt. Mackensen: „Das war immer mein Ziel: zu forschen, um Behandlungen zu entwickeln, die den Patienten zugutekommen.“ Schon früh hatte der Mediziner sich dafür eingesetzt, CAR-T-Zellen am Uniklinikum Erlangen selbst herzustellen. 2019 war es dann so weit: Mackensen und sein Team erhielten die erste Herstellungserlaubnis durch die Regierung Oberfranken. Erlangen ist seitdem eines der wenigen akademischen Zentren in Europa, die CAR-T-Zellen für den klinischen Einsatz produzieren dürfen.
Krebsforschung weiter im Fokus
Natürlich treibt der Mediziner auch die Forschung zu CAR-T-Zellen bei der Behandlung von Krebserkrankungen voran – und zwar im Bereich der soliden Tumore. Das sind bösartige Neubildungen von Gewebe, die von jedem Organ ausgehen und im ganzen Körper Metastasen bilden können. „Eine Herausforderung hier ist, ein Antigen zu finden, das sich exklusiv auf den Krebszellen befindet“, erzählt Mackensen. „Hinzu kommt, dass sich solide Tumoren abkapseln und versuchen, sich dem Immunsystem zu entziehen.“ Aktuell läuft in Kooperation mit Arbeitsgruppen in Münster, Regensburg und Hannover eine vom Bundesforschungsministerium geförderte Studie zu CAR-T-Zellen, die gegen vorwiegend im Kindesalter vorkommende Tumoren – Sarkome und Neuroblastome – aber auch gegen Brustkrebs gerichtet sind.
Die CAR-T-Zellen erkennen auf diesen Tumorzellen das Antigen GD2 – auf diese Weise können sie das Ziel sicher ansteuern. Zusätzlich implementieren die Forschenden einen Booster: Sie sorgen dafür, dass die CAR-T-Zellen das Hormon Interleukin 18 produzieren. „Wenn die CAR-T-Zellen an die Tumorzellen andocken, sind sie schon ziemlich erschöpft“, erklärt Mackensen. „In diesem Moment wird das Hormon ausgeschüttet. Es stimuliert die CAR-T-Zellen. Sie bekommen einen Push, um die Tumorzellen angreifen zu können.“
Steiniger Weg zur CAR-T-Zell-Herstellung
Erlangen ist europaweit eines der wenigen akademischen Zentren, die CAR-T-Zellen herstellen dürfen. Bis die zuständige Behörde, die Regierung von Oberfranken, 2019 die Erlaubnis erteilte, dauerte es fast fünf Jahre. Andreas Mackensen und sein Team um den Herstellungsleiter PD Dr. Michael Aigner mussten zahlreiche bürokratische Anforderungen erfüllen und ein Labor der Sicherheitsstufe S2 für die Durchführung gentechnischer Arbeiten mit Reinräumen einrichten. Außerdem ist qualifiziertes Personal nötig – etwa ein Dutzend Personen sind in dem Labor tätig. Die Zellen werden in einem geschlossenen System (Prodigy-System), einer Art Bioreaktor, hergestellt, das die Firma Miltenyi Biotec® entwickelt hat. Klinische Studien mit CAR-T-Zellen bedürfen zudem jedes Mal der Erlaubnis der Abteilung beim Paul-Ehrlich-Institut, die für zelluläre Therapien zuständig ist.
Stammzelltransplantation bei Leukämie
Als Standortsprecher des Sonderforschungsbereichs (SFB) Transregio 221 forscht Andreas Mackensen außerdem daran, die allogene Blutstammzelltransplantation – bei bestimmten Leukämieformen die einzige Chance auf Heilung – sicherer und erfolgreicher zu machen. Dabei erhalten Erkrankte nach einer Chemotherapie oder Bestrahlung, die gegen die Leukämie gerichtet sind, aber auch das Immunsystem des Patienten für die Transplantation vorbereiten sollen, Stammzellen eines gesunden Spenders. „Hier handelt es sich ebenfalls um eine zelluläre Immuntherapie, bei der die Immunzellen des Spenders die entscheidende Rolle spielen“, sagt Mackensen. „Denn es ist ein gewisser Unterschied zwischen den Gewebemerkmalen von Spender und Empfänger nötig, um die Krankheit zu heilen. Das fand man heraus, nachdem Knochenmarktransplantationen zwischen eineiigen Zwillingen die höchste Leukämierückfallrate hatten.“
Die Spender-Immunzellen erkennen Leukämiezellen als fremd an und töten diese ab. Das wird als Spender-gegen-Leukämie- oder Graft-versus-Leukemia-(GvL)-Effekt bezeichnet. Die Kehrseite der Medaille: Die Immunzellen des Spenders können auch gesundes Gewebe angreifen – man nennt das Graft-versus-Host-Disease, kurz GvHD. Der SFB will die GvL-Reaktion gezielt verstärken und zugleich die GvHD durch neue therapeutische Ansätze besser kontrollieren. Bei der Verbesserung des GvL-Effekts kommen auch wieder CAR-T-Zellen ins Spiel: Spender-Lymphozyten sollen mit einem CAR, also einem chimären Antigen-Rezeptor, versehen werden, um zielgerichteter gegen die Leukämie vorzugehen.
Autorin: Simone Harland
Dieser Artikel ist Teil des FAU Magazins
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