Auf der richtigen Spur

Prof. Mahlberg und Minister Blume im angeregten Gespräch.
(Bild: FAU/Giulia Iannicelli)

Wissenschaftsminister Markus Blume und Sprachforscherin Michaela Mahlberg über die Hightech Agenda Bayern, digitale Technologien und die Rolle sozialer Medien.

Mit der Hightech Agenda hat der Freistaat eine einzigartige Innovationsoffensive gestartet. Das Ziel: Noch mehr Forschung und Lehre zu Spitzentechnologien in Bayern. Und: Die Menschen bei all den Entwicklungen mitzunehmen. Bayerns Wissenschaftsminister Markus Blume im Gespräch mit der Linguistik-Professorin Michaela Mahlberg über KI, Wissenschaftskommunikation und TikTok.

Markus Blume: Die FAU ist ziemlich stolz darauf, dass Sie dem Ruf nach Erlangen gefolgt sind. Und auch für den Freistaat freut es uns sehr. Sie sind ja ein Kind der Hightech Agenda Bayern.

Michaela Mahlberg: Ja, die Hightech Agenda. Mir gefällt daran besonders, dass es nicht nur um Investitionen geht, sondern auch um Möglichkeiten, neu zu denken. Wie Universitäten ihre Fachbereiche organisieren, ist eine Reflexion dessen, wie man die Welt sieht. An den meisten Unis hat man zum Beispiel eine Schublade für Sprachwissenschaft, eine für Mathematik und eine andere für Physik. So funktioniert aber die Welt nicht mehr, weil Probleme komplex sind und wir zusammenarbeiten müssen, um die zu lösen.

Markus Blume: Wir haben mit der Hightech Agenda nur den politischen Impuls gegeben, quasi den finanziellen Dünger, um den Boden fruchtbar zu machen – rund 5,5 Milliarden Euro. Die Hochschulen konnten selbst entscheiden, wie sie diese Mittel verwenden. Die FAU hat das genial umgesetzt. Und zum Beispiel Sie nach Erlangen geholt. Was haben Sie nun vor an der FAU? Ich muss ja sehen, dass unser Geld gut angelegt ist (lacht).

Michaela Mahlberg: Auf jeden Fall! Wir bauen ein neues Department auf, Digital Humanities and Social Studies, und nutzen die Hightech Agenda-Mittel für Wissenschaft an der Schnittstelle von digitalen Technologien und Gesellschaft. Im Department liegt mein eigener Forschungsfokus auf dem Bereich Sprache, ich habe bereits eine Kollegin, die sich um die Literatur kümmert, und es werden noch weitere Professuren eingestellt. Zur Zeit läuft ein Berufungsverfahren für eine Professur, die sich mit bild- und objektbasierten Daten beschäftigten soll. Ziel ist es, ein ganzes Team zusammen zu bringen, das die fundamentalen Bereiche der digitalen Wirklichkeit unserer Gesellschaft so umfassend wie möglich erforschen kann.

Markus Blume: Hier merkt man, dass die FAU eine Volluniversität moderner Prägung ist: traditionell extrem stark in den technischen Feldern, aber gleichzeitig auch geisteswissenschaftlich und gesellschaftlich auf der richtigen Spur.

Michaela Mahlberg: Ganz genau. Dazu kommt, dass unsere Digital Humanities zusammen mit Artificial Intelligence in Biomedical Engineering und Data Science im selben Gebäude angesiedelt werden. Das ist nicht selbstverständlich. Es kann immer noch Unis geben, wo die Geisteswissenschaften das ganze Jahr nicht mit Fächern in Kontakt kommen, die sich mit neuen Technologien befassen.

Markus Blume: Das heißt, da werden bei Ihnen an der Kaffeemaschine sehr spannende Dinge passieren …

Michaela Mahlberg: Am Kicker.

Markus Blume: Noch besser – einen Kicker brauchen wir im Ministerium auch noch, bei der Bewegung entstehen die besten Ideen. Mir gefällt übrigens Ihr Ansatz sehr gut: nicht automatisch vorauszusetzen, dass Technik per se gut ist, sondern sie menschendienlich einzusetzen und auch ein Bewusstsein dafür zu schaffen, wie Technik den Menschen Nutzen bringen kann.

(Bild: FAU/Giulia Iannicelli)

Michaela Mahlberg: Ganz genau. Dabei ist es entscheidend, wie wir in einer Gesellschaft über Innovationen reden und Zukunftspotential kommunizieren. Wenn wir von KI sprechen und hauptsächlich von Problemen und  Ängsten, davon, dass KI Arbeitsplätze kaputt macht und eine Gefahr ist für den Umgang mit Daten, dann entsteht natürlich das Bild, dass KI schlecht ist. Es gilt aber auch zu überlegen, was die tollen Stories sind: Wie hilft KI den Menschen, wie macht sie vielleicht die Gesellschaft sogar besser? Narrative beeinflussen die Zukunft. Jede Transformation braucht ihre eigene Story, um erfolgreich sein zu können.

Markus Blume: Ich habe feststellen müssen, dass die Begeisterung für solche Fragen oft leider gar nicht so stark ausgeprägt ist. Wenn man in den sozialen Medien ein Foto von der Bergtour am Wochenende postet, geht das durch die Decke. Wenn man hingegen erzählt, welche spannenden Forschungsergebnisse im Feld von Digital Humanities bei uns in Bayern erzielt werden, dann erntet man ein müdes Achselzucken. Gleichzeitig haben die Leute große Angst davor, was KI mit uns macht.

Michaela Mahlberg: Wenn Sie sich Filme mit KI Themen anschauen, geht es oft darum, dass etwas schiefläuft. Die Technologie gerät in die falschen Hände, die Menschheit geht zugrunde. Filme sind vielleicht Fiktion, aber so funktionieren auch die Geschichten bei uns in der Gesellschaft. Da müssen wir gegenhalten und interessante Geschichten erzählen, in denen die Menschen sich als aktive Teilnehmer sehen können.

Markus Blume: Sind Sie auf TikTok?

Michaela Mahlberg: Noch nicht, aber auf allen anderen Kanälen. Sind Sie dort?

Markus Blume: Ja, ich habe einen TikTok-Account und will in Zukunft dort auch aktiver sein. Das ist schon ein bedeutender Kanal. Unser Ministerpräsident Markus Söder ist dort sehr erfolgreich unterwegs. Er zeigt, wie es geht: Politik und Wissenschaft müssen dorthin, wo die Menschen sind. Und heute ist das eben auch TikTok. Man kann dort Hunderttausende von jungen Menschen erreichen, die auf anderen Wegen nicht zu erreichen sind.

Politik trifft Wissenschaft: Markus Blume und Michaela Mahlberg im Gespräch. (Bild: FAU/Giulia Iannicelli)

Michaela Mahlberg: Social Media ist super wichtig. Die Räume dort werden auf jeden Fall gefüllt. Sie gehören zur Gesellschaft. Daher müssen wir darüber nachdenken, wie wir dort präsent sein wollen, und das Zusammenleben organisieren.

Markus Blume: Wir müssen sicherstellen, dass Social Media nicht überflutet wird von den Angstmachern, die sagen, dann schalten wir die KI lieber ab. Und auf der anderen Seite von denen, die diese Kanäle für ihre Propaganda oder Fake News benutzen.

Michaela Mahlberg: Das ist ein ganz großes Thema. Wir müssen einen Diskurs schaffen, der die Leute und die Gesellschaft deutlich besser mitnimmt.

Markus Blume: Und Fake News verdrängt! Mir ist neulich ein Zitat von Hannah Arendt begegnet, sinngemäß die Lüge habe immer dazugehört. Mit den technischen Möglichkeiten haben sich auch die Möglichkeiten des Lügens weiterentwickelt. Sie hatte wahrscheinlich nie eine Vorstellung, dass es jemals so etwas wie ein Internet geben könnte.

Michaela Mahlberg: Ah, so ein Zufall. Ich habe gerade mit einer Kollegin aus Birmingham, Lyndsey Stonebridge, einen Podcast zu Hannah Arendt gemacht, in dem wir über unsere turbulenten politischen Zeiten sprechen. Wie viele Leute kennen noch Hannah Arendt? Ihre Ideen sind heute relevanter denn je.

Markus Blume: Bei mir liegt es wahrscheinlich daran, dass ich neben Physik auch Politikwissenschaft studiert habe und in den letzten Jahren auch beruflich viel mit der Frage konfrontiert war, was denn eigentlich in den Echokammern des Internets passiert. Wir haben nicht nur eine digitale Transformation, sondern einen fundamentalen gesellschaftlichen Umbruch. Und das Handwerkszeug, den Umbruch gesellschaftlich zu gestalten, ist noch gar nicht so entwickelt, wie es nötig wäre. Wir brauchen eine neue Aufklärung!

Michaela Mahlberg: Da wird deutlich, wie wichtig in dieser Situation Wissenschaft und Bildung sind. Denn wenn man da nicht investiert, wird‘s am Schluss richtig teuer. Es ist auch entscheidend, die Wissenschaft von unterschiedlichen Enden anzugehen und verschiedene Sichten zusammenzubringen: zum Beispiel Technik und Geisteswissenschaften. Oder wie bei Ihnen: Physik und Politik

Markus Blume: Also, wenn ich im Ministerium fertig bin, dann klopfe ich bei Ihnen als wissenschaftlicher Mitarbeiter an.

Michaela Mahlberg: Dann kommen Sie vorbei und wir machen mal ein paar  TikTok-Videos!

Autorin: Sandra Kurze


Dieser Artikel ist Teil des FAU Magazins

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