Natürlicher Wasserstoff – der verborgene Schatz im Untergrund

Männer in Feld
Forschende des GeoZentrums Nordbayern und des Frauenhofer IEG Aachen suchen in Nordbayern nach natürlichem Wasserstoff. Von l. n .r.: Peter Achtziger-Zupančič, Akib Ahmed, Jürgen Grötsch, Daniel Fillers und Felix Gsell. ©B.Steinbauer-Grötsch

Günstige geologische Voraussetzungen in Nordbayern

Wird natürlicher Wasserstoff zum Hoffnungsträger der Energiewende?

Das Rennen um die Suche nach dem wertvollen Gas im Untergrund kommt in Gang, und das GeoZentrum Nordbayern der FAU liegt mit an der Spitze. Das Forschungsprojekt „Natürlicher Wasserstoff in Nordbayern“ lieferte erste Messwerte, die das Energiesystem der Zukunft revolutionieren könnten.

Felix Gsell und Julius Liebermann, Studenten im Masterstudiengang GeoThermie/GeoEnergie an der FAU, haben es nicht leicht: Anhand von Bodenluftmessungen untersuchen sie im Gelände, ob in vorab sorgfältig ausgewählten Gebieten Wasserstoffvorkommen existieren –die Methode ist zwar einfach, aber schweißtreibend. Mit einem Hammer schlagen die beiden Studenten einen ein Meter langen, dünnen Bohrstab in den Untergrund. Zusammen mit dem Gesteinsmaterial wird der dann wieder entfernt. Danach führen sie eine Sonde ein, die das Bohrloch gleichzeitig abdichtet, um es vor Kontamination durch Luft aus der Atmosphäre zu schützen.  In einem letzten Schritt schließen Felix und Julius die Sonde an ein mobiles Wasserstoffmessgerät an und pumpen die Bodenluft aus einem Meter Tiefe ab.

Kleine Sensation

Die Mühe hat sich jedoch gelohnt: Anfang August 2024 notierte Felix die erste Messung über 1000 ppm Wasserstoff, also ein Wert an der oberen Messgrenze des Sensors. Ein so hoher Wert bei Bodenluftmessungen ist bislang in der Fachliteratur nicht dokumentiert und kommt einer kleinen Sensation gleich. Im ersten Moment traute Felix seiner Entdeckung kaum: „Es war eine Mischung aus Erleichterung, dass ich nicht monatelang im Gelände unterwegs war, ohne überhaupt etwas zu messen, und Zweifeln, ob die hohen Werte tatsächlich stimmen“, so der Masterstudent. Die Zweifel zerstreuten sich jedoch schnell: Die Messwerte liefern seither, neben wenig oder keinem Wasserstoff, auch immer wieder Messungen über 1000 ppm. Projektleiter Dr. Jürgen Grötsch, Lehrbeauftragter am Lehrstuhl für Geologie von Prof. Dr. Harald Stollhofen, bekräftigt Felix‘ Entdeckung: „Die hohen Werte an H2 bestätigen uns in der Annahme, dass es kommerziell nutzbare Vorkommen von natürlichem Wasserstoff in Nordbayern gibt.“

Grötsch ist davon überzeugt, dass natürlicher Wasserstoff ein wichtiger Baustein im zukünftigen Energiesystem werden kann: „Es gibt genügend Hinweise, dass in vielen Regionen in Deutschland, aber auch weltweit, Vorkommen von Wasserstoff schlummern, die saubere Energie liefern können. Allerdings ist unser aktueller Wissenstand sehr lückenhaft und von großen Unsicherheiten geprägt. Wir sind bei unserer Einsicht in die Entstehungsmechanismen von natürlichem Wasserstoff auf dem Stand der Kohlenwasserstoffexploration vor 150 Jahren.“

Natürlicher Wasserstoff – vom Zufall zum System

Felix Gsell und Julius Liebermann bei Messarbeiten im Feld.
Felix Gsell und Julius Liebermann bei Messarbeiten im Feld. ©B.Steinbauer-Grötsch

Dabei könnte man auch schon weiter sein: Bereits 1910 entdeckte der Bergmann Ernst Erdmann im Salzbergwerk Leopoldshall bei Staßfurt – zufällig – natürlichen Wasserstoff und produzierte ihn einige Jahre. In Bourakébougou in Mali wurde 1987 bei einer Bohrung nach Trinkwasser – ebenfalls zufällig – natürlicher Wasserstoff gefunden. Aber erst 2012 begann man mit der ersten kommerzielle Produktion und Anwendung zur Stromerzeugung in Mali.

Nun gilt es, anders als in der Vergangenheit, zielgerichtet vorzugehen: „Wir wollen mit unserer Forschung den Zufall aus den bisherigen Funden nehmen und systematisch die Bedingungen für die Entstehung von natürlichem Wasserstoff im Untergrund untersuchen“, sagt Grötsch.

Zwei Konzepte konnten er und seine Leute bereits identifizieren. Zum einen wird die Entstehung von natürlichem Wasserstoff durch Radiolyse in Granitkörpern ausgelöst. Zum anderen können ultrabasische Gesteine bei Kontakt mit Wasser und hohen Temperaturen (200-350°C) im Untergrund ebenfalls Wasserstoff erzeugen – ein Mineralumwandlungsprozess, der als Serpentinitisierung bezeichnet wird. Dies sind jedoch nur zwei Entstehungsvarianten in einer ganzen Reihe weiterer, wie etwa dem aus der Exoplanetenforschung bekannten „primordial hydrogen“, also Wasserstoff, der sich im Kern und im unteren Mantel auch auf der Erde befinden könnte, fixiert in einem frühen Stadium der Planetenentstehung. Bis heute ist nicht bekannt, welche dieser Entstehungsmethoden die wichtigste Rolle spielt.

Das will das Team um Grötsch im Rahmen eines Forschungskonsortiums herausfinden: Neben dem GeoZentrum Nordbayern sind Wissenschaftler des Frauenhofer IEG, der RWTH Aachen, des Leibniz-Instituts für Angewandte Geophysik (LIAG), des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) und des GeoForschungszentrums Potsdam (GFZ) mit im Boot.

Gleichzeitig konzentrieren sich die Wissenschaftler am GeoZentrum Nordbayern ganz konkret auf die Region Nordbayern. Entdecken sie Vorkommen von natürlichem Wasserstoff, so ist jedoch noch nicht klar, wie diese prospektiert und produziert werden können. Das soll in einem zweiten Schritt mit einem Pilotprojekt untersucht werden. Dafür gelte es eine Reihe von Hürden zu überwinden, erklärt Grötsch. So existiere in Deutschland, anders als in Frankreich, kein rechtlicher Rahmen für die Vergabe von Wasserstoffkonzessionen, da natürlicher Wasserstoff nicht Teil des deutschen Bergbaurechts in den Bundesländern ist. Auch technische Expertise und finanzielle Förderung auf Bundes- und Landesebene ist notwendig.  Mit Blick auf die Expertise sieht Lehrstuhlinhaber Stollhofen die FAU gut aufgestellt: „Wir haben am GeoZentrum Nordbayern und auch in anderen Instituten der FAU das nötige Know-how, um der Wasserstoffforschung einen entscheidenden Impuls zu geben und perspektivisch die saubere Energie Wasserstoff für den Endverbraucher verfügbar zu machen.“ Auch für den Nachwuchs an Expertinnen und Experten ist gesorgt: „Seit mehr als sieben Jahren vermittelt unser Masterstudiengang GeoThermie/GeoEnergie Studierenden die notwendigen Fähigkeiten für die Gestaltung der Energiewende hin zu nachhaltigen Energieträgern aus dem Untergrund. Neben der geothermischen Projektentwicklung rückt nun endlich auch die Forschung zu der lang übersehenen Energiequelle natürlicher Wasserstoff in das Zentrum der Aufmerksamkeit. Und die geologischen Gegebenheiten in Nordbayern sind günstig.“

GeoZentrum Nordbayern der FAU

www.gzn.nat.fau.de