Neu an der Uni: Prof. Dr. Gerold Sedlmayr

Prof. Dr. Gerold Sedlmayr
Prof. Dr. Gerold Sedlmayr, Lehrstuhl für Anglistik, insbesondere Literaturwissenschaft an der FAU (Bild: FAU/Georg Pöhlein)

Prof. Dr. Gerold Sedlmayr – Lehrstuhl für Anglistik, insbesondere Literaturwissenschaft

Die Begreifbarkeit der Gegenwart liegt in der Vergangenheit – Prof. Dr. Gerold Sedlmayr stellt sich vor.

Was ist Ihr Forschungsschwerpunkt?

Ich bin anglistischer Literatur- und Kulturwissenschaftler. Nur einen einzigen Forschungsschwerpunkt zu nennen, ist kaum möglich. Um eine Professur in diesem Bereich zu bekommen, ist es unabdingbar, sich in mehreren Feldern forschend zu betätigen. Promoviert habe ich über einen irischen Gegenwartslyriker, meine Habilitationsschrift untersuchte die Bedeutungsvielfalt des Konzepts „Wahnsinn“ in den literarischen, politischen und medizinischen Diskursen in Großbritannien um 1800, also der Zeit der englischen Romantik. Es gibt aber noch eine Reihe anderer Themen, mit denen ich mich auseinandersetze. Ich würde mich unter anderem als jemanden beschreiben, der großes Interesse an theoretischem Denken hat. Immer wieder bin ich davon begeistert, auf welche Weise mir sowohl alte als auch neue und neueste kultur- und literaturtheoretische Ansätze, die aber zumeist sowieso über enge Disziplingrenzen hinausgehen, frische Perspektiven eröffnen und so die Welt auf überraschende Weise anders lesbar und erfahrbar machen. Momentan befasse ich mich mit dem Wandel des Wertbegriffs. Dabei mache ich den Anfang ebenfalls mit der Zeit um 1800, blicke aber gleichzeitig auf die Gegenwart.

Warum genau dieses Thema /diese Themen?

Der Wertbegriff ist ein unheimlich aufgeladener Begriff und hat schon allein aus diesem Grund hohe Relevanz. Wenn wir auf die aufgeheizten politischen Debatten unserer Tage schauen, sehen wir sofort, wie unterschiedliche Wertverständnisse miteinander konkurrieren. So gibt es natürlich ethische Werte, die in diese Debatten einfließen, gleichzeitig scheint aber der dominante Wertbegriff unserer Zeit ein ökonomischer zu sein. Beide werden oft als unvereinbar wahrgenommen. Komplizierter wird das Ganze, wenn man bedenkt, dass die jeweiligen Begriffe innerhalb ihres Diskurses oder ihrer Disziplin nicht einheitlich benutzt werden. Die Literatur und andere „kulturelle Texte“ (beispielsweise Gemälde oder Streamingserien) sind Orte, an denen solche Wertverständnisse auf höchst differenzierte Weise miteinander in Kontakt gebracht und verhandelt werden. Literarische und andere kulturelle Texte sind daher zum einen so etwas wie „Wert-Messinstrumente“, zum anderen haben sie einen formenden Charakter, d.h. sie tragen aktiv zum Wandel von Wertverständnissen bei. Eine wichtige Rolle spielt, dass sie selbst wiederum mit einem Wertbegriff identifiziert werden, der als typisch für sie angesehen wird, nämlich dem ästhetischen. Es ist eine meiner Grundüberzeugungen, dass wir die Gegenwart nur dann begreifen können, wenn wir fähig sind, sie – und damit uns selbst – historisch zu verorten. Das erklärt, warum sich meine Aufmerksamkeit zunächst auf die wichtige Sattelzeit um 1800 richtet. Von dort lässt es sich dann hervorragend sowohl weiter in die Vergangenheit als auch in Richtung Gegenwart und damit Zukunft gehen.

Ihre letzte Station vor der FAU?

Ich war Professor für „English Literature and Culture“ an der Technischen Universität Dortmund.

Wo haben Sie studiert und welche Fächer?

An der Universität Passau habe ich Englisch und Geschichte für das Lehramt an Gymnasien studiert. Allerdings hatte ich damals zudem viele Veranstaltungen in der Germanistik und der Philosophie belegt. Ein Grund dafür war, dass ich mir die Möglichkeit offenhalten wollte, ebenfalls das Staatsexamen für Deutsch zu machen, um später drei Fächer an der Schule unterrichten zu können. Der andere – und wichtigere – Grund war aber, dass mich diese Fächer schlicht interessierten. Philosophie hatte ich dann auch als Nebenfach für das Rigorosum belegt, welches damals noch im Rahmen der Promotion abgelegt werden musste. Es war jedenfalls sehr bereichernd, auf diese Weise über den Tellerrand zu blicken. Äußerst prägend war außerdem, dass ich ein akademisches Jahr am Trinity College Dublin verbringen durfte.

Ihr Lieblingsort an der FAU?

Da meine Arbeit an der FAU erst beginnt, muss ich das noch herausfinden. Allerdings freue ich mich auf alle Orte, an denen ich mit Studierenden und den Kolleginnen und Kollegen zusammenkommen und mich austauschen kann. Was Erlangen angeht, kann ich allerdings schon sagen, dass mir der Schlossgarten mit dem danebengelegenen Botanischen Garten sehr gut gefällt. Ich mag auch die Vielzahl der kleinen Restaurants und Cafés in der Innenstadt. Besonders toll und zukunftsweisend finde ich, dass Erlangen eine Stadt der Radfahrerinnen und Radfahrer ist. Es ist beeindruckend, wie viel Wert (!) auf die entsprechende Infrastruktur gelegt wird.

Welche Veranstaltungen/Aktivitäten möchten Sie in und um Erlangen gerne besuchen?

Von meinem Dortmunder Team habe ich zum Abschied unter anderem einen Gutschein für das Theater Erlangen geschenkt bekommen. Wie ich gesehen habe, werden dort auch Aufführungen angeboten, die ein jugendliches Zielpublikum ansprechen wollen. Meine Familie und ich planen daher, bald einmal gemeinsam ins Theater zu gehen.

Ihr nützlichstes Professoren-Utensil?

Neben dem Computer wahrscheinlich der Bleistift, um beim Lesen annotieren zu können. Obwohl ich immer noch lieber auf Papier lese, bevorzuge ich für manche Texte, u.a. Hausarbeiten oder wissenschaftliche Aufsätze, mittlerweile das Tablet: In dem Fall muss der Bleistift durch einen entsprechenden Digitalstift ersetzt werden.

Welchen Berufswunsch hatten Sie als Kind?

Ich glaube, dass ich schon immer Lehrer werden wollte. Irgendwie ist es dann halt der Hochschullehrer geworden. Brettspiel- oder Rollenspieldesigner (Pen & Paper) wäre aber auch was gewesen. Zumindest habe ich immer gerne gespielt.

Haben Sie ein Vorbild? Wenn ja, hat das Ihre akademische/berufliche Laufbahn beeinflusst?

Ich habe zu viele Vorbilder, als dass ich mich für eines entscheiden könnte.

Haben Sie ein geheimes Talent?

Nicht, dass ich wüsste. 😉

Was wollten Sie schon immer mal tun?

Nach Skandinavien reisen, um die Polarlichter zu sehen. Vielleicht hat das damit zu tun, dass Philip Pullmans His Dark Materials-Trilogie zu meinen Lieblingsromanen zählt. Der erste Band heißt in der britischen Originalausgabe Northern Lights (deutscher Titel: Der goldene Kompass), also ‚Polarlichter‘.

Neu@FAU