Greve‐Preis für Jochen Guck
Er ist einer der Pioniere im Kampf gegen den Krebs: Prof. Dr. Jochen Guck, Inhaber des Lehrstuhls für Biologische Optomechanik an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) und Direktor des Max-Planck-Instituts für die Physik des Lichts (MPI) setzt auf die Erkenntnisse der Biophysik, um die Mechanismen von Metastasenbildung zu verstehen und herauszufinden, wie sich Tumorzellen durch den Körper bewegen. Denn: In der Krebstherapie ist der Umgang mit Metastasen eine der größten Herausforderungen. Mehr als 90 Prozent der Krebstode gehen auf metastasierte Verläufe zurück.
Leopoldina ehrt FAU-Biophysiker für Pionierleistung in der Krebsforschung
Für ihre grundlegenden Erkenntnisse über die Beweglichkeit von Tumorzellen erhält Jochen Guck gemeinsam mit der Medizinerin Prof. Dr. Bahriye Aktas und dem Biophysiker Prof. Dr. Josef Käs, beide aus Leipzig, den Greve‐Preis der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina 2024. Die mit 250.000 Euro dotierte Auszeichnung wird von der Hamburgischen Stiftung für Wissenschaften, Entwicklung und Kultur Helmut und Hannelore Greve gestiftet.
Als Biophysiker sind Prof. Dr. Josef Käs und Prof. Dr. Jochen Guck weltweit führende Wissenschaftler auf dem Gebiet der Krebs-Physik. Mit ihren teils gemeinsamen Forschungsarbeiten untersuchten sie die physikalischen Eigenschaften von Zellen in der Interaktion mit ihrem umgebenden Gewebe. Sie konnten nachweisen, wie Tumorzellen zwischen festem, steifem und flüssigem, weichem Zustand aktiv wechseln, um sich durch das dichte Gewebe des menschlichen Körpers zu bewegen und Metastasen zu bilden. Diese Erkenntnis sorgte für einen Paradigmenwechsel in der Sicht auf Krebszellen und motivierte die Zusammenarbeit mit der Medizinerin Prof. Dr. Bahriye Aktas. Aktas ermöglichte die Untersuchung von menschlichen Tumorproben direkt nach der Operation und damit die Lebendzellmikroskopie der aktiven Verformung von Krebszellen. Aufbauend auf den Arbeiten ihres Vorgängers Prof. Dr. Michael Höckel brachte sie die Frage ein, welche Grenzen Krebszellen im Körper erfahren. „Bahriye Aktas, Jochen Guck und Josef Käs zeigen auf beeindruckende Weise, wie interdisziplinäre Grundlagenforschung das Verständnis von Krebserkrankungen maßgeblich erweitern kann“, sagt Leopoldina-Präsident Prof. (ETHZ) Dr. Gerald Haug. „Der physikalische Blick auf das Verhalten von Tumorzellen, verbunden mit direkten Erkenntnissen aus der Klinik, hat das Potenzial, völlig neue Behandlungskonzepte gegen Krebs zu entwickeln.“
Wann kommt es bei Krebs zu Metastasen?
Am Beispiel Brustkrebs zeigt sich schon jetzt das Potenzial für die Krebsbehandlung. Entscheidend für den Therapieerfolg ist, ob der Krebs metastasiert oder nicht. Bisher ließ sich jedoch nicht zuverlässig vorhersagen, wann ein Tumor Metastasen ausbildet. Käs und Aktas gelang es zusammen mit Prof. Dr. Axel Niendorf, Hamburg, Marker zu identifizieren, die zusammen mit den bisherigen Kriterien deutlich besser auf das Metastasierungspotenzial eines Tumors hinweisen könnten. Dafür nutzten sie biophysikalische Konzepte, an deren grundsätzlicher Idee, dass metastasierende Krebszellen weicher sein müssen, Jochen Guck maßgeblich beteiligt war.
Krebszellen sind lokal im Primärtumor sehr fest und dicht gepackt. Um sich vom ursprünglichen Tumor zu lösen und sich durch den menschlichen Körper zu bewegen, müssen die Krebszellen weicher werden, so dass sich die Krebszellaggregate verflüssigen. In ihrer Studie konnten Käs und Aktas gemeinsam mit Axel Niendorf die histologischen Merkmale der sich verflüssigenden Krebszellen identifizieren: Sie waren länglicher und wiesen deformierte Zellkerne auf. So konnten sie sich durch benachbartes Gewebe „quetschen“.
Ihre Studie mit über 1.000 Brustkrebspatientinnen ist ein starker Hinweis, dass diese deformierten Zell- und Kernformen als verlässliche Marker für die Aggressivität der Krebserkrankung genutzt werden können und das Potenzial eines Tumors, Metastasen zu bilden, vorhersagen. Somit könnte die Behandlung von Brustkrebs individueller an die jeweiligen Patientinnen angepasst werden. Parallel zu den Aktivitäten in Leipzig hat Guck in Erlangen eine Hochdurchsatzmethode entwickelt, um die Deformierbarkeit von Zellen zu messen (real-time deformability cytometry, RT-DC). Diese Methode ist besonders geeignet, um Wirkstoffe zu finden, die die Krebszellmechanik verändern können, um Metastasen zu verhindern.
Über Prof. Dr. Joachim Guck
Jochen Guck studierte Physik in Würzburg und promovierte an der University of Texas in Austin, USA, bei Josef Käs. Gemeinsam entwickelten sie Werkzeuge, um die Zellmechanik zu untersuchen, den Optical Cell Stretcher. Nach Forschungsstationen an der Universität Leipzig und der University of Cambridge, Großbritannien, erhielt Guck 2012 die Alexander von Humboldt-Professur für zelluläre Maschinen am Biotechnologischen Zentrum der Technischen Universität Dresden und war dort leitender Direktor. Seit 2018 ist er Direktor am Max-Planck-Institut für die Physik des Lichts sowie seit 2020 Professor für biologische Optomechanik an der FAU. Er entwickelte weitere photonischen und biophysikalischen Werkzeuge, wie beispielsweise die real-time deformability cytometry. Diese sind Grundlage für viele klinische Kooperationen in Erlangen am neuen Max-Planck-Zentrum für Physik und Medizin (MPZPM).
Über den Greve-Preis
Der Greve-Preis der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina wird an Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler oder Forschungsteams verliehen, die in Deutschland an Hochschulen, außeruniversitären Forschungseinrichtungen oder in Wirtschaftsunternehmen tätig sind. Die Auszeichnung wird alle zwei Jahre verliehen und würdigt besonders herausragende Forschungsleistungen in den Bereichen Naturwissenschaften, Medizin und Technikwissenschaften. Der Greve-Preis wird themenspezifisch ausgeschrieben, in diesem Jahr zu Grundlagen neuer Krebstherapien. Der Preis ist mit 250.000 Euro dotiert, die aus Mitteln der Greve‐Stiftung stammen. Die Preisverleihung findet am Freitag, 6. Dezember, in Hamburg statt.
Weitere Informationen:
Prof. Dr. Jochen Guck
Lehrstuhl für Biologische Optomechanik
jochen.guck@mpl.mpg.de