FAU-Chemiker erforscht funktionelle organische Materialien für die Energiewende
Ausgerechnet Kohlenstoff kann uns dabei helfen, die Dekarbonisierung unserer Industriegesellschaft voranzutreiben. Funktionale Kohlenstoff-Partikel, sogenannte Carbon Dots, können Sonnenlicht in Energie umwandeln und Wasserstoff aus Wasser gewinnen. Prof. Dr. Dirk M. Guldi, Chemiker an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU), erforscht die molekulare Struktur solcher Nanopartikel und setzt dabei auch auf künstliche Intelligenz.
Kohlenstoff. Punkt.
„Die Sonne liefert uns 4000-mal mehr Energie, als wir im Jahre 2050 weltweit verbrauchen werden“, sagt Prof. Dr. Dirk M. Guldi. „An dieser unerschöpflichen Energiequelle führt kein Weg vorbei, wenn wir es mit Klimaneutralität und nachhaltigem Energiemanagement ernst meinen.“ Der Inhaber des Lehrstuhls für Physikalische Chemie I an der FAU erforscht die Struktur und das Potenzial organischer Nanomaterialien, die Licht nutzen und umwandeln können.
Im Fokus stehen dabei Kohlenstoff-Nanoteilchen, sogenannte Carbon Dots, die im Gegensatz zu herkömmlichen Halbleitermaterialien und metallischen Katalysatoren präzise designt und beliebig skaliert werden können. „Das Geniale an diesen organischen Materialien ist, dass sie beinahe unbegrenzt und preiswert zu Verfügung stehen, weil sie aus organischen Abfällen oder dem CO2 der Luft gewonnen werden können. Außerdem sind sie ungiftig und einfach zu recyceln.“
Photovoltaik: Effizienz ist nicht alles
Diese Vorteile organischer Materialien haben beispielsweise bei der Optimierung der Photovoltaik zu einem Umdenken geführt.
„Viele Jahre stand die Effizienz im Fokus, die etwa bei klassischen Siliziummodulen ohnehin fast ausgereizt ist“, erklärt Guldi. „Erst in letzter Zeit wird die Entwicklung ganzheitlicher betrachtet.“
So gewinnen neben dem Wirkungsgrad vermehrt Aspekte wie Umweltverträglichkeit und Anwendungsspektrum an Bedeutung: „Die meisten der aktuell verkauften und installierten Solarmodule sind aus Verbundmaterialien gefertigt, die sich nicht oder nur schwer trennen lassen. Sie landen später entweder auf Deponien oder werden geschreddert und zum Beispiel im Straßenbau verwendet.“
Organische PV-Module hingegen lassen sich partiell wiederverwenden oder aber kompostieren. Und sie können auf dünne Substrate gedruckt werden – die biegsamen und zudem transparenten Elemente lassen sich in Fenster und Fassaden integrieren, in Innenräumen nutzen oder auf Feldern als Überdachungen einsetzen, unter denen Pflanzen wachsen können. Mit den undurchsichtigen und starren Siliziummodulen ist das nicht möglich.
Photokatalyse: Volatile Energien speichern
Eines verhindert jedoch auch organische Photovoltaik nicht: dass Sonnenenergie – ebenso wie Wind – zwar eine erneuerbare, aber eben auch volatile Energiequelle ist. „Wir müssen Sonnenenergie deshalb über längere Zeiträume möglichst verlustarm speichern, indem wir sie auf molekularer Ebene binden“, sagt Dirk Guldi.
Hoffnungsträger für die temporäre chemische Speicherung ist Wasserstoff, der in Wasser gebunden zwar unbegrenzt verfügbar ist, für dessen Freisetzung jedoch enorme Energiemengen benötigt werden. Eine vieldiskutierte Strategie zur Lösung dieses Problems ist die Elektrolyse von Wasser unter Nutzung regenerativer Energien, wo und wann diese im Überfluss zur Verfügung stehen.
Guldi: „Dafür müssen wir jedoch erst elektrischen Strom erzeugen und damit Wasserstoff abspalten, den wir später wieder in Strom umwandeln. Man ahnt schon, dass die Energiebilanz dieses Prozesses nicht gut ist.“
Vermehrt im Gespräch ist deshalb die künstliche Photosynthese, bei der Wasserstoff ohne den Umweg über Elektrolyse durch einfallendes Sonnenlicht in einem geschlossenen System gewonnen werden kann. „Ich bin überzeugt davon, dass der solarbetriebenen Wasserspaltung die Zukunft gehört“, sagt Dirk Guldi. „Konsequenterweise sollten wir diesen Schritt aber mit funktionalen organischen Materialien gehen.“
Gegenwärtig basieren die meisten Photokatalysatoren auf Metallverbindungen. Metallkatalysatoren aber haben mindestens zwei gravierende Nachteile: Das verwendete Material besitzt eine definierte Bandlücke, das bedeutet, es gibt keine einfache und skalierbare Möglichkeit, seine photokatalytischen Eigenschaften zu verändern, um den Wirkungsgrad zu verbessern.
„Ein zweites Problem liegt darin, dass Metallkatalysatoren eine kurze Lebensdauer haben, wenn sie Salzwasser ausgesetzt sind. Genau das aber muss das künftige Ausgangsprodukt für die Wasserstoffproduktion sein, wenn wir auf die zunehmend knapper werdenden Süßwasserressourcen in vielen Regionen der Erde schauen.“
Molekulares Design aus dem Chemiebaukasten
Organische Fotokatalysatoren sind Metallkatalysatoren potenziell überlegen. Die amorphe, das heißt unregelmäßige Struktur der Carbon Dots ist prädestiniert dafür, verschiedenste Moleküle einzubinden und damit die Funktionalität an den jeweiligen Einsatzzweck anzupassen. „Genau diese strukturelle Vielfalt ist jedoch unsere größte Herausforderung“, erklärt Guldi. „Was wir brauchen, ist ein tieferes Verständnis der Struktur-Aktivitäts-Beziehungen in organischen Nanomaterialien.“
Erklärtes Ziel der Forschenden ist es, die bislang verborgenen molekularen Geheimnisse zu entschlüsseln und damit die Möglichkeit zu erhalten, Carbon Dots mit exakt definierten photophysikalischen Eigenschaften zu designen.
Auf dem Weg dahin bedienen sich Dirk Guldi und seine Mitstreitenden auch Methoden der künstlichen Intelligenz: „Sowohl bei der Optimierung organischer Photovoltaik als auch beim Design von Kohlenstoffkatalysatoren lassen wir uns zunehmend von maschinellem Lernen unterstützen“, erzählt Dirk Guldi. „Zusammen mit unseren Kooperationspartnern haben wir begonnen, unsere Experimente zu automatisieren und sämtliche Schritte in einem digitalen Zwilling abzubilden. Wenn unsere Idee funktioniert, können wir auf eine Art molekularen Chemiebaukasten zurückgreifen, viele Wiederholungsschritte vermeiden und schnellere Durchbrüche erzielen.“
Den aktuellen Stand der Erforschung photokatalytisch aktiver Systeme auf der Basis leicht verfügbarer, biokompatibler und kosteneffizienter Kohlenstoff-Nano-Domänen hat Prof. Dirk M. Guldi gemeinsam mit Forschern aus Tschechien, Argentinien und der Slowakei unter dem Titel „Designing Carbon Dots for Enhanced Photocatalysis: Challenges and Opportunities“ im aktuellen Heft des Journals „Chem“ veröffentlicht.
DOI: https://doi.org/10.1016/j.chempr.2024.07.018
Weitere Informationen
Prof. Dr. Dirk M. Guldi
Lehrstuhl für Physikalische Chemie I
Tel. 09131 / 85- 27340
dirk.guldi@fau.de