Neuer Sonderbeauftragter an der FAU

Porträt von Professor Dr. Lutz Edzard
Prof. Dr. Lutz Edzard ist neuer Sonderbeauftragter gegen Antisemitismus der FAU. Bild: Dorothea Dietzel

Für den neuen Sonderbeauftragter gegen Antisemitismus Prof. Dr. Lutz Edzard ist die Auswertung von Originalquellen und die direkte Kommunikation mit allen Beteiligten in Originalsprache von hohem Wert.

„Ich lese regelmäßig hebräische Zeitungen“ – ein Gespräch mit Prof. Dr. Lutz Edzard, dem neuen Sonderbeauftragten gegen Antisemitismus an der FAU.

Seit dem 1. Juli 2024 ist Prof. Dr. Lutz Edzard, Inhaber des Lehrstuhls für Arabistik und Semitistik an der FAU, Sonderbeauftragter gegen Antisemitismus der FAU. Er hat das Amt von Katharina Herkendell übernommen, die zum Jahresende an die TU Berlin wechselt. Im Gespräch erklärt Prof. Edzard, was ihm für dieses Amt besonders wichtig ist und was ihn mit dem jüdischen Leben verbindet.

Herr Prof. Edzard, Sie haben das Amt des Sonderbeauftragten gegen Antisemitismus an der FAU in herausfordernden Zeiten übernommen. Was hat Sie bewogen, der Bitte des Präsidenten nachzukommen?

Sowohl die offenkundige Bedeutung der Sache selbst, also eines redlichen Umgangs mit diesem virulenten Thema, als auch der Respekt vor der Arbeit meiner Vorgängerin in diesem Amt, Katharina Herkendell, hat mich dazu bewogen, Herrn Präsidenten Hornegger und Herrn Dekan Kirchmann in dieser Sache anzuschreiben, und ich bin sehr dankbar für das Vertrauen, das alle Beteiligten an der FAU hier in mich gesetzt haben.

Welche Schwerpunkte möchten Sie setzen?

Neben den Aufgaben als Ansprechpartner und Anlaufstelle für entsprechende Vorfälle sowie regelmäßigem Kontakt zu jüdischen Gemeinden, Diplomat/-innen und anderen Partner/-innen in der Region möchte ich Veranstaltungen organisieren, in denen nicht nur die historische Verantwortung Deutschlands für Israel angesprochen wird, sondern auch alle einschlägigen Probleme und Problemgruppen thematisiert werden. Wir hatten ja schon zwei wichtige Vorlesungsreihen zu diesem Thema, für die Katharina Herkendell und Heiner Bielefeldt verantwortlich gezeichnet haben, an der ersten Vorlesungsreihe war ich auch selbst mit einem begriffsgeschichtlichen Vortrag beteiligt. Auch gemeinsame Exkursionen in der Region, zum Beispiel zum Jüdischen Museum in Fürth oder jüdischen Friedhöfen und weiteren Lokalitäten in der Region könnten eine gute Basis für weiteren Diskurs sein. Im kommenden November werde ich im Auftrag der FAU Kraków und Auschwitz besuchen.

Sie sprechen und lehren sowohl Arabisch als auch Hebräisch. Inwiefern können Sie als Sonderbeauftragter davon profitieren?

Bei beiden Sprachen ist der Zugang zu schriftlichen Originalquellen und auch mündlichen Originalzitaten essentiell. Schon als Student habe ich von meinem verehrten Lehrer Stefan Wild über die Rezeption der arabischen Übersetzung von Mein Kampf, Kifāḥī, im arabischen Raum gelernt. Während vieler Jahre zogen muslimische Gruppierungen zum „al-Quds-Tag“ durch Berlin und riefen nicht nur Parolen wie „Ḥamās, Ḥamās, Juden ins Gas“, sondern auch Ḫaybar, Ḫaybar yā yahūd, ǧayš Muḥammad sa-yaʿūd „Chaibar, Chaibar, oh Juden, das Heer Muḥammads wird zurückkehren“. Chaibar ist eine Oase auf der arabischen Halbinsel, an der das erste größere von Muslimen begangene Massaker an Juden im Jahre 628 n.Chr. erfolgte, und dieser Hassaufruf kann insofern durchaus als Vorgeschmack auf den 7. Oktober 2023 gedeutet werden.

Ich lese regelmäßig hebräische Zeitungen, aber auch israelische Autoren wie den kürzlich verstorbenen Amos Oz, die sich differenziert zum Fragen des deutsch-jüdischen und deutsch-israelischen Verhältnisses geäußert haben, letzterer zum Beispiel in seinem Essay Ba-derex le-Germaniya. Dieser ist übrigens unter dem Titel Deutschland und Israel auch auf Deutsch erschienen.

Dass auch die Auswertung von Originalquellen und die direkte Kommunikation mit allen Beteiligten in Originalsprache von hohem Wert ist, versteht sich von selbst: mit den Leuten reden, nicht nur über sie.

Gibt es etwas, was Sie persönlich mit dem jüdischen Leben verbindet und wenn ja, was?

Schon als Kind hatte ich das Glück, bei Treffen meiner Eltern mit jüdischen Bekannten und Kollegen dabei sein zu können. Einmal durfte ich als Jugendlicher einen Erev Shabbat – also den Freitagabend – bei einem Professor für Judaistik in München verbringen. Als Student und später als akademischer Lehrer habe ich viel Zeit an israelischen Universitäten zugebracht. Mit meiner Kollegin Ofra Tirosh-Becker von der Hebrew University habe ich einen Band zu jüdischen Sprachvarietäten ediert, in dem ich selbst Abschnitte zum Jüdisch-Arabischen und zum Jiddischen bearbeitet habe. Auch die herausragende Rolle jüdischer Künstler/-innen, etwa in der klassischen Musik, und Wissenschaftler/-innen wurde mir früh vermittelt.

Antisemitische Vorfälle haben bereits seit einigen Jahren, auch deutlich vor dem 7. Oktober 2023, wieder zugenommen. Worauf führen Sie das zurück? Und was haben wir dem entgegenzusetzen?

Antisemitismus im rechtsextremen Bereich existiert nach wie vor, da gibt es nichts zu beschönigen oder zu relativieren. In der Selbstwahrnehmung der jüdischen Gemeinden stellen jedoch spätestens seit 2015 muslimische Migranten, aber auch linksautonome Gruppierungen, den „Elefanten im Raum“ in diesem Zusammenhang dar. Während etwa die angesehene Neue Zürcher Zeitung hierzu objektiv berichtet, halten sich hierzulande viele Medien und Akademiker/-innen mit diesbezüglicher Kritik zurück; eine rühmliche Ausnahme ist dabei der jüdische Historiker Michael Wolffsohn. Ein technisches Problem ist auch, dass jahrelang nicht-aufgeklärte antisemitische Straftaten in der Kriminalitätsstatistik per default dem rechtsextremen Lager zugeordnet wurden, was das Bild der Lage verzerrt hat. In keinem Fall darf pauschalisiert werden, es gibt auch überaus vernünftige Stimmen wie den israelisch-deutschen Araber Ahmad Mansour.

Einige Menschen beklagen, spätestens seit dem 7. Oktober sei auch an Universitäten der freie und respektvolle Diskurs – zum Beispiel über den Nahostkonflikt – zum Erliegen gekommen. Wie sehen Sie das?

Grundsätzlich ist festzustellen, dass höflich und sachlich formulierte Kritik erlaubt sein muss, an wem auch immer. Im Falle Israels besteht das massive Problem der double standards, dass nämlich westliche Kritiker Israels oft an anderen, zum Teil noch viel virulenteren Problemen – etwa an Konflikten von der West Sahara über Darfur bis hin nach Kurdistan, geschweige denn am Schicksal der Rohingya und an anderen Tragödien – nicht das geringste Interesse zeigen, was ihre Kritik an Israel unglaubwürdig macht. Zudem wird völlig legitime Kritik an den oft miserablen Zuständen in muslimischen Regimen bei uns regelmäßig als „rechts“ diffamiert und denunziert. In jedem Fall ist es wichtig, den Dialog aufrecht zu erhalten. Jüngst haben sich Präsident Hornegger, der Leiter der katholischen Hochschulgemeinde Harald Kressmann und ich mit einer Gruppe von sehr höflich und sachlich auftretenden palästinensischen Studierenden an der FAU ausgetauscht – bewusst nicht mit den nur anonym auftretenden „Students for Palestine“. Auch mit zwei Vertretern des Verbands der jüdischen Studenten in Bayern konnte ich kürzlich ein sehr fruchtbares Gespräch führen. All dies muss auch weiterhin möglich sein.