Gabriele Chiogna untersucht Einflüsse auf den Wasserhaushalt

Abgebildet ist FAU-Prof. Dr. Gabriele Chiogna, Professur für Angewandte Geologie und Modellierung von Umweltsystemen an der FAU (Bild: FAU/Georg Pöhlein)
Bild: FAU/Georg Pöhlein

Als Physiker ist Gabriele Chiogna es gewohnt, mit komplexen Gleichungen zu arbeiten. Um zu verstehen, wie sich die Verfügbarkeit und Qualität von Wasser in den kommenden Jahren verändern wird, reicht das aber nicht aus. Denn je nachdem, wie wir mit der lebenswichtigen Ressource zukünftig umgehen, fällt die Antwort darauf sehr unterschiedlich aus.

„Als Modellierer müssen wir auch menschliche Entscheidungen berücksichtigen!“

Prof. Dr. Gabriele Chiogna untersucht Einflüsse auf den Wasserhaushalt – auch mit Hilfe von KI

Der Professor der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) findet diesen Aspekt seiner Arbeit besonders reizvoll. Mit Hilfe von computergestützten Modellierungen möchte er dazu beitragen, dass Entscheider/-innen die Konsequenzen unterschiedlicher Handlungsoptionen besser abschätzen können.

Der Klimawandel verändert weltweit die Niederschlagsmuster. In vielen Regionen werden die Dürren immer länger und ausgeprägter. Wenn Regen fällt, dann oft heftig und in kurzer Zeit, so dass er nicht versickern kann, sondern über Bäche und Flüsse abfließt. Gleichzeitig haben sich auch die Nutzungsgewohnheiten gewandelt: Wir duschen jeden Tag, wässern unsere Gärten und aalen uns im Urlaub am Pool. Wasser wird daher vielerorts zur umkämpften Ressource.

Das zeigt sich momentan auch in Italien, dem Geburtsland von Gabriele Chiogna: In Sizilien hat es in den letzten anderthalb Jahren kaum geregnet. Landwirte haben inzwischen sogar Schwierigkeiten, ihr Vieh mit Wasser zu versorgen. Der Tourismus verschärft die Lage noch zusätzlich. „Das Thema Wassermanagement ist äußerst komplex“, erklärt der W2-Professor, der kürzlich von der TU München an die Professur für Angewandte Geologie und Modellierung von Umweltsystemen an der FAU gewechselt ist. „Bei der Frage, wie wir mit dieser Ressource umgehen sollten, spielen nicht nur ökologische, sondern auch politische, wirtschaftliche und soziale Aspekte eine Rolle.“

Es gibt nicht die optimale Strategie

Denn die verschiedenen Stakeholder haben ja durchaus legitime Interessen: Die Landwirtschaft hat Sorge, dass ihre Ernte vertrocknet. Die Industrie benötigt Wasser für technologische Prozesse und damit indirekt auch für den Erhalt von Arbeitsplätzen. Die Menschen benötigen es zum Kochen, Trinken und für die Hygiene. „Es gibt daher beim Umgang mit Wasser nicht die eine optimale Strategie“, betont Chiogna. „Eine Maßnahme, die der Industrie nutzt, schadet vielleicht der Umwelt oder umgekehrt.“

Das klingt zunächst einmal frustrierend. Für den Wissenschaftler ist es aber unter anderem dieser Aspekt, der den Reiz seiner Arbeit ausmacht. „Wir konzipieren Modelle, mit denen sich die Konsequenzen von Entscheidungen sichtbar machen lassen: Was gewinnen wir, wenn wir auf diese Weise handeln? Was verlieren wir zugleich? Auf diese Weise tragen wir dazu bei, dass Entscheiderinnen und Entscheider die Konsequenzen unterschiedlicher Handlungsoptionen besser abschätzen können.“

Chiogna hat in Tübingen Physik und angewandte Geowissenschaften studiert; seine Habilitation erfolgte im Fach Hydrologie. „Ich stehe mit meiner Expertise an der Grenze zwischen sehr verschiedenen Fachgebieten“, sagt er. „Dieser Hintergrund hilft mir, einerseits die Prozesse zu verstehen, die einen Einfluss auf Wasserqualität und -verfügbarkeit haben, und andererseits auf dieser Basis Modelle zu entwickeln, die wir in Computerprogramme umsetzen können.“

Welche Auswirkungen haben Solarparks auf den Wasserhaushalt?

Die Software erlaubt dann bestimmte Prognosen: etwa, wie sich der Grundwasserspiegel in einer Region in den kommenden Jahren entwickeln wird, oder auch, wo nach Niederschlägen Hangrutschungen auftreten können. „Momentan beschäftigen wir uns beispielsweise mit der Frage, welche Auswirkung Solarparks auf den Wasserhaushalt haben“, erklärt Chiogna. „Einerseits sorgt die Beschattung für eine geringere Verdunstung. Andererseits verteilt sich der Niederschlag aber nicht mehr auf die gesamte Fläche, sondern konzentriert sich auf die Lücken zwischen den Paneelen. Das kann an diesen Stellen beispielsweise zu einer erhöhten Erosion führen und dazu, dass weniger Wasser versickert.“

Diese Prozesse korrekt zu gewichten und abzubilden, ist nicht trivial. Wenn das Modell dann in eine Software gegossen wird, lassen sich damit verschiedene Zukunftsszenarien durchspielen: Was passiert, wenn ich an dieser Stelle einen großen Solarpark errichte? Wie sähe es aus, wenn ich ihn an einem anderen Ort mit anderen geologischen Gegebenheiten bauen würde? „So können wir die Auswirkungen expliziter Entscheidungen sichtbar machen“, sagt der Wissenschaftler. „Wir bemühen uns aber auch, Effekte zu berücksichtigen, die aufgrund von Entscheidungen entstehen, die sich nicht direkt beobachten lassen. So können beispielsweise steigende Energiepreise dazu führen, dass in einer bestimmten Region mehr Solarparks gebaut werden. Das würde dann ihre Auswirkungen auf den Wasserhaushalt entsprechend verstärken. Mit Machine Learning – also Algorithmen aus der künstlichen Intelligenz – versuchen wir, solche Effekte vorherzusagen.“

Zentrales Ziel seiner Forschung sei es, Informationen zur Verfügung zu stellen – und zwar möglichst objektiv: „Wir treffen selbst keine Entscheidungen, sondern erstellen Prognosen, an denen beispielsweise die Politik ihr Handeln ausrichten kann“, betont er. „Dazu gehört auch, dass wir offen kommunizieren, wie sicher oder unsicher unsere Voraussagen sind. Denn unsere Modelle mögen noch so gut sein – mit hundertprozentiger Sicherheit können auch sie nicht in die Zukunft schauen.“

Weitere Informationen:

Prof. Dr. Gabriele Chiogna
Professur für Angewandte Geologie und Modellierung von Umweltsystemen
Tel.: 09131/85-23042
gabriele.chiogna@fau.de