Die Quantenphysik erobert das Wirtshaus
Wenz, Farb-Solo und Sie gehören zu einem bayerischen Wirtshaus wie der Zapfhahn und der Stammtisch. (Meistens) vier Spielerinnen und Spieler sitzen beim traditionellen Kartenspiel Schafkopf tiefgebeugt über ihren Karten und kloppen Stich um Stich mit dem Ziel, 60 oder mehr Punkte zu erreichen. Auch FAU-Forscher Ludwig Nützel vom Lehrstuhl Theoretische Physik II ist ein großer Schafkopf-Freund und bringt mit einer neuen Version, die Elemente der Quantenphysik ins Spiel überträgt, neue Würze in das schöne Stichspiel. Hört sich komisch an? Ist es eigentlich gar nicht, wie er im Interview erklärt.
FAU-Forscher Ludwig Nützel kombiniert Schafkopf mit Quantenphysik
Herr Nützel, Sie haben dem traditionellen Kartenspiel Schafkopf ein Update verpasst, das Prinzipien der Quantenphysik beinhaltet. Wie kamen Sie auf die Idee zu diesem kuriosen Projekt?
Ludwig Nützel: Während meines Studiums an der FAU habe ich mir viele Gedanken über Matrizen und Vektoren gemacht. Das sind mathematische Objekte, die u.a. im Quantencomputing ständig verwendet werden, um Rechnungen durchzuführen. Mir ist dann aufgefallen, dass man Matrizen und Vektoren auch verwenden kann, um Stiche im Schafkopf zu beschreiben: Jeder Karte wird durch eine Matrix eine bestimmte Wertigkeit zugeschrieben, und die Karten selbst werden durch Vektoren beschrieben. Der Übergang zum QuantenSchafkopf kam dann fast von selbst. Ähnlich wie ein Quantencomputer nicht nur einen Vektor, sondern mehrere Vektoren gleichzeitig verarbeiten kann, erlaubt die mathematische Beschreibung eines Stichs prinzipiell auch das Spielen mehrerer Vektoren, also Karten, gleichzeitig. Ich habe dann mit Stift und Papier ein paar „Quantenstiche“ hingeschrieben und gemerkt, dass das ganz lustig sein könnte.
Welche Prinzipien der Quantenphysik können die Spielenden so spielerisch erleben?
Ludwig Nützel: In der Quantenphysik gibt es oft das Beispiel von Schrödingers Katze, die gleichzeitig tot und lebendig ist („Superposition“), bis man sie beobachtet und sie einen der beiden Zustände annimmt („Kollaps der Wellenfunktion“). Diese beiden Konzepte sind grundlegende Bestandteile beim QuantenSchafkopf. Des Weiteren wird „Verschränkung“ verdeutlicht, ein Effekt der in jedem Quantenalgorithmus vorkommt und eine elementare Rolle in der Quantenteleportation spielt. Auch „Interferenzen“, Rechenoperationen die ein Quantencomputer einsetzt, finden sich im Spiel wieder.
Welche Änderungen erwartet die Spielenden im Vergleich zum traditionellen Kartenspiel?
Ludwig Nützel: Manchmal ist man sich nicht sicher, welche Karte man beim Schafkopf spielen sollte. Beim QuantenSchafkopf ist das anders, denn anstelle von nur einer Karte darf jeder Spieler bis zu zwei Karten spielen („Superposition“). Am Ende der Runde „beobachtet“ jeder Spieler seine Karten, und eine der beiden Karten wandert zurück auf die Hand des Spielers („Kollaps der Wellenfunktion“). Zurück bleibt ein Stich, dessen Gewinner durch die normalen Schafkopfregeln bestimmt wird. Was das Spiel aber erst so richtig interessant macht sind die eben erwähnten Effekte der „Verschränkung“ und „Interferenz“. Hier können Spieler ihre Karten verknüpfen und Superpositionen manipulieren, um am Ende der Runde möglichst gute Chancen auf den Stich zu haben. Ein Beispiel hierzu ist auf www.quantenschafkopf.de beschrieben. Durch die Quanten-Regeln entstehen also auf ganz natürliche Art und Weise neue Taktiken, die es im normalen Schafkopf nicht gibt. Im Kern bleiben aber die traditionellen Regeln erhalten, diese bleiben trotz der Erweiterungen unberührt.
Weitere Informationen:
Ludwig Nützel
Lehrstuhl Theoretische Physik II
ludwig.nuetzel@fau.de
www.quantenschafkopf.de
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Instagram: @quantenschafkopf