Was sind Rhodolithe und wie werden sie durch den Klimawandel beeinflusst?

Ansicht von Rhodoliten vor der Küste Spitzbergens, die von einem Tauchbot angeschienen werden.
Rhodoliten (Bild: FAU/Dr. Sebastian Teichert)

Sebastian Teichert vom Lehrstuhl für Paläoumwelt der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen -Nürnberg (FAU) und seine Kollegen haben das Wachstum von Rhodolith-Kugeln erforscht. Dabei konnten sie herausfinden, welchen Einfluss der Klimawandel auf deren Entwicklung hat. Ihre Entdeckungen erscheinen jetzt in einem Artikel der Zeitschrift „Global Change Biology“.

Was sind Rhodolithe?

Rhodolithe kommen dort vor, wo es kalkige Rotalgen gibt. Diese finden sich auf dem Untergrund des Meeres, in einer Tiefe von einem Meter bis zu 80 Metern. Bei Rhodolithen handelt es sich um Kalkkugeln, die einen Durchmesser von 15 – 20 cm erreichen können. Das ist fast so groß wie ein Handball.

Die bunten Kalkkugeln erstrecken sich, wie ein farbenprächtiges Geröllfeld, über den Meeresgrund und sorgen dort für biologische Vielfalt. Die dicht aneinander gedrängten Rhodolithe bieten Lebensräume für unterschiedlichste Lebewesen.

Wie entstehen Rhodolithe?

Laut Sebastian Teichert, der Rhodolithe zu Forschungszwecken genau unter die Lupe genommen hat, entstehen sie, indem Rotalgen sich an einen Kieselstein oder eine Muschel heften. Vergleichbar ist das mit Flechten auf Baumrinde oder Steinen. Die Rotalgen scheiden Kalk aus. Dieser bildet nach und nach eine feste Schicht, um die Algen zu schützen. Daraus bilden sich mit der Zeit Kugeln. So wachsen die Rotalgen mit der Hilfe der Energie, die sie sich aus Sonnenlicht ziehen, langsam weiter.

Welche Rolle spielen Rhodolithen für die Biodiversität?

Analysen in den Labors der FAU haben gezeigt, dass allein auf einem faustgroßen Rhodolith weit über zehn unterschiedliche Arten leben können.

In den tieferen Schichten der Rhodolithen suchen beispielsweise Bohrmuscheln Schutz. Sie bohren sich hier durch die äußere Hülle in eine Tiefe, die ihnen vor Feinden Schutz bietet. Ihre Nahrung filtern sie aus dem Wasser, das durch einen kleinen Kanal zu ihnen strömt. Ein einziger Rhodolith kann mehr als fünfzehn dieser Muscheln beheimaten. Die Rotalgen kommen dabei nicht zu Schaden.

Nach dem Tod der Bohrmuscheln ziehen häufig andere Muscheln oder Schlangensterne ein. Schlangensterne sind eine beliebte Beute des Kabeljaus, dieser wiederum ist häufig auf den Speisekarten in den Restaurants Europas zu finden. Somit spielen die Rhodolithfelder auch eine indirekte Rolle für die Fischerei.

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Wie sind Sebastian Teichert und sein Team bei der Erforschung der Rhodolithe vorgegangen?

Gemeinsam mit Fahrtleiter Max Wisshak vom „Forschungsinstitut Senckenberg am Meer“ sammelte der FAU-Wissenschaftler in den Gewässern von Spitzbergen im Nordpolarmeer die farbigen Kalkkugeln ein. Zum Einsatz kam dabei das Tauchboot JAGO vom Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung in Kiel. Von dort aus wurden die Rhodolithe dann in die Labore des Senckenberg-Instituts und der FAU gebracht.

Röntgenaufnahme eines Bohrkerns eines Rhodolithen. HIer wird das jährliche Wachstum durch den Wechsel von dunklen und hellen Streifen sichtbar.
CT-Aufnahme eines Bohrkerns eines Rhodolithen. Hier wird das jährliche Wachstum durch den Wechsel von dunklen und hellen Streifen sichtbar.

Dort bohrte sie Sebastian Teichert mit Diamantbohrern vorsichtig an. So gewann er 4,5 Millimeter dünne Bohrkerne, die er dann mithilfe eines Computertomografen für sehr kleine Gegenstände durchleuchtete. Das jährliche Wachstum der Kugeln lässt sich an den unterschiedlichen Zonen der Bohrkerne ablesen. Man kann es mit dem Ablesen von Jahresringen bei einem Baum vergleichen.

Was fanden Sebastian Teichert und sein Team heraus?

Die gewonnenen Daten analysierte Sebastian Teichert gemeinsam mit Carl Reddin vom Alfred-Wegener-Institut.

„Mehr als zwanzig dieser Bohrkerne konnten wir gut auswerten. Sie liefern einen umfangreichen Datensatz“, erklärt Sebastian Teichert. So lässt sich das Wachstumstempo der Rhodolithe untersuchen.

Demnach wachsen die Rhodolithe durchschnittlich gerade einmal 85 Mikrometer oder knapp einen Zehntel Millimeter im Jahr. Damit ist das Wachstum um Größenordnungen langsamer als bei einem gesunden Fingernagel, der beim Menschen in der Woche einen halben bis etwas mehr als einen Millimeter zulegt. Allerdings können die Kugeln aus Kalk dieses Mini-Tempo sehr lange durchhalten. Der älteste Rhodolith der Reihe wächst bereits seit 1926.

Der Klimawandel bremst das Wachstum der Rhodolithe allerdings aus. Somit könnte auch ihr Einfluss auf die Artenvielfalt nachlassen. In einer Wassertiefe von 11 Metern hat sich die Erwärmung besonders bemerkbar gemacht. Befinden sich die Kalkkugeln tiefer im Meer, gemessen wurde noch in 27 Metern und in 46 Metern Tiefe, spielt die Oberflächenwassertemperatur eine geringere Rolle und das Wachstum wird nicht so stark ausgebremst.

Forschung an der FAU

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Was sind mögliche Erklärungen für das ausgebremste Wachstum der Rhodolithe?

Das Ergebnis überrascht. „Algen könnten laut Theorie in der Wärme eigentlich sogar schneller wachsen“, meint der FAU-Forscher dazu. Er weiß derzeit noch nicht, warum der Klimawandel die Rhodolithe ausbremst. Er hat aber drei mögliche Erklärungen parat:

  • Rotalgen passen sich gut an unterschiedliche Temperaturen an. Die gleiche Art lässt vor den Küsten Schottlands in 10 Grad warmen Wasser und in gerade einmal null Grad warmen Wasser vor Spitzbergen Rhodolithe entstehen. Eine Anpassung an steigende Temperaturen dauert jedoch einige Generationen. Der Klimawandel heizt das Wasser allerdings schneller auf, als die Organismen sich anpassen können.
  • Das Wasser aus den schmelzenden Eismassen auf Spitzbergen trübt das Meer. Somit könnten die Rotalgen weniger Sonnenlicht, also weniger Energie, abbekommen.
  • Das Wasser wird durch den Klimawandel saurer. Das kann die Kalkausscheidung der Rotalgen behindern. Das geht sogar so weit, dass die Kalkausscheidung ab einer bestimmten Grenze gar nicht mehr klappt.

Ein Zusammenspiel aller drei genannter Faktoren ist ebenfalls möglich. Zudem kann es natürlich noch weitere, nicht bekannte Gründe geben.

Möchten Sie mehr über die Forschungsergebnisse erfahren?

Sie können den vollständigen Artikel In situ decrease in rhodolith growth associated with Arctic climate change online lesen.

Weitere Informationen

Dr. Sebastian Teichert
Tel.: 09131/85 26958
E-Mail: sebastian.teichert@fau.de