Bessere Schmerzmedikamente: DFG fördert FAU-Wissenschaftler mit rund einer Million Euro
Reinhart Koselleck-Förderung an den Chemiker Prof. Dr. Peter Gmeiner
Der pharmazeutische Chemiker Prof. Dr. Peter Gmeiner von der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) erhält eine Reinhart Koselleck-Förderung der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG). Gmeiner möchte einen innovativen Ansatz etablieren, mit dem sich neue Leitstrukturen für Medikamente identifizieren lassen. Diese sollen an mehrere unterschiedliche Rezeptoren auf der Zelloberfläche binden und sich so durch besonders geringe Nebenwirkungen auszeichnen. Die DFG unterstützt das Projekt in den kommenden fünf Jahren mit einer Million Euro.
Viele Medikamente entfalten ihre Wirkung, indem sie an bestimmte Empfängerstrukturen auf der Oberfläche von Zellen binden. Eine besonders wichtige Gruppe dieser sogenannten Rezeptoren sind die sogenannten GPCRs. Sie sind in der Zellmembran eingebettet – das ist die Hülle, die die Zelle umgibt. Wenn ein zu ihnen passendes Signalmolekül an ihre Außenseite andockt, wird dadurch eine komplexe Reaktionskette ausgelöst. An ihrem Ende werden dann beispielsweise bestimmte Enzyme in der Zelle reguliert oder spezifische Gene abgelesen.
Viele Schmerzmedikamente binden an solche GPCRs. Doch oft schalten sie dadurch nicht nur den Schmerz ab, sondern rufen zusätzlich unerwünschte Nebenwirkungen hervor. Sie können süchtig oder zum Beispiel schläfrig machen, so dass die Betroffenen kaum mehr am Alltagsgeschehen teilnehmen können. „Abhilfe versprechen sogenannte Partial-Agonisten“, erklärt Prof. Dr. Peter Gmeiner vom Lehrstuhl für Pharmazeutische Chemie an der FAU. „Diese binden zwar auch an den Schmerz-GPCR, aktivieren ihn aber auf eine etwas andere Weise als normalerweise. Folge ist häufig, dass die Nebenwirkungen schwächer werden oder ganz ausbleiben.“
Suche nach Wirkstoffen, die an mehrere unterschiedliche Rezeptoren binden
Mitunter ist aber auch die schmerzstillende Wirkung solcher Partial-Agonisten reduziert. Gmeiners Arbeitsgruppe sucht daher nach Wirkstoffen, die zur selben Zeit zwei oder noch mehr unterschiedliche Schmerz-GPCRs aktivieren. Dazu durchsuchen sie mit Computerunterstützung in riesigen Datenbanken nach Verbindungen, deren Struktur vermuten lässt, dass sie an die entsprechenden Rezeptoren binden können. Die Software probiert dabei virtuell die Passung von mehreren Milliarden Molekülen aus. Damit das effizient funktioniert, kommen dabei auch Algorithmen aus der künstlichen Intelligenz zum Einsatz. „Mit Hilfe von Hochleistungsrechnern können wir so Substanzen identifizieren, die sich eventuell als Leitstruktur für neue Schmerzmedikamente eignen“, sagt der Chemiker. „Diese werden dann in biologischen Modellsystemen getestet, ob sie tatsächlich geeignet sind, und schließlich im Synthese-Labor optimiert. Auch bei diesem Schritt spielen Computersimulationen im Hochleistungsrechenzentrum der FAU eine wichtige Rolle“
Normalerweise orientieren sich Pharmazeutinnen und Pharmazeuten bei der Wirkstoffentwicklung an den „natürlichen“ Agonisten der GPCRs – das sind zum Beispiel körpereigene Moleküle gegen Schmerz oder Naturstoffe wie Morphin. Diese werden dann modifiziert, damit sie eine stärkere Wirkung bei weniger Nebenwirkungen erreichen. Der Datenbankansatz eröffnet dagegen die Chance auf die Entdeckung völlig neuer Wirkstoffe. Denn dadurch lassen sich Substanzen finden, die mit dem natürlichen Agonisten kaum etwas gemeinsam haben – außer eben, dass sie an denselben GPCR binden.
Universitäre Kooperation
Um aus diesen Molekülen ein Medikament herzustellen, braucht es dann aber noch viele weitere Schritte. Gmeiner kooperiert dafür mit der Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Dagmar Fischer, Inhaberin des Lehrstuhls für Pharmazeutische Technologie und Biopharmazie der FAU. Sie ist unter anderem Expertin für die Entwicklung von Nanopartikeln und anderen Trägersubstanzen, die die kontrollierte Freisetzung von Arzneistoffen – etwa aus einer Tablette – erlauben. Auch dabei kommen heute aufwändige Computersimulationen zum Einsatz.
Über die Reinhart Koselleck-Förderung
Mit der Reinhart Koselleck-Förderung unterstützt die DFG besonders innovative Projekte. Das Programm richtet sich an Forscherinnen und Forscher, die sich in der Vergangenheit durch exzellente wissenschaftliche Leistungen ausgewiesen haben. Mit der Förderung erhalten sie den finanziellen Freiraum, vielversprechende Ideen umzusetzen und dabei auch wissenschaftliches Neuland zu beschreiten.
Weitere Informationen:
Prof. Dr. Peter Gmeiner
Lehrstuhl für Pharmazeutische Chemie
Forschungszentrum Neue Wirkstoffe
Tel.: 09131/85-65547
peter.gmeiner@fau.de