Interview mit Künstler und KI-Professor
Wir haben den Künstler Dr. Hans Furer und den Informatiker Prof. Dr. Bernhard Egger (Professor für Cognitive Computer Vision) gefragt, ob eine KI einen Künstler und sein Werk verstehen kann.
Kunst und KI – eine spannende Kombination. Was ist die Idee hinter Ihrem Projekt?
Bernhard Egger: Im Ursprung war der Gedanke mit generativen Modellen zu experimentieren, insbesondere wie diese den Stil eines Künstlers oder einer Künstlerin anhand einiger Beispiele erlernen können. Ich kannte Hans Furer aus meinem Studium – ich hatte während meinem Informatikstudium in seiner Kanzlei gearbeitet. Es entstand daraus eine langjährige Freundschaft. Ich kannte deshalb auch sein Werk, welches vollständig digitalisiert und mit dem Entstehungsdatum erfasst ist. Mit meinen ersten KI-Entwürfen habe ich ihn dann kontaktiert und wir haben uns gemeinsam Gedanken gemacht, was daraus entstehen könnte.
Wie ging es mit diesem KI-Experiment weiter?
Bernhard Egger: Ich habe eine KI auf jeweils zehn Jahren der Kunstwerke von Hans Furer trainiert. Danach habe ich aus hundert generierten Werken einige herausgesucht, die mir besonders gut gefallen haben und Hans Furer hat die finale Auswahl aus den KI-Werken getroffen. Er hat diese dann mit Acryl auf Leinwand übertragen. Gleichzeitig hat er ein eigenes Werk ausgewählt, das bei den jeweiligen Trainingsdaten dabei war und zum KI-Werk passt. Für dieses hat er ebenfalls eine Replik erstellt. Die Werke hat Hans Furer über mehrere Monate gemalt. Ich hatte jedes Mal eine riesige Freude, wenn ich ein Foto eines neuen KI-Werkes auf Leinwand erhalten habe – die Leinwand gibt dem ganzen einfach noch einmal eine ganz andere Authentizität als Kunstwerk im Vergleich zu einer Bilddatei am Computer.
Wie war es für Sie als Künstler als die KI anfing, in Ihrem Stil zu „malen“?
Hans Furer: Als mir Bernhard Egger die ersten Bilder per WhatsApp schickte, war ich verwundert über die merkwürdige Interpretation meiner Bilder, dann amüsierte ich mich.
Das Entscheidende geschah in meinem Atelier. Am ersten Bild knorzte ich herum und als es fertig war, fand ich es interessant. Einen Monat später malte ich das zweite KI-Bild und am Schluss überraschte mich, dass ich es fast besser fand als meine eigenen Bilder. Das löste eine Wut in mir aus, sodass ich für das dritte KI-Bild ein besonders ‚schlechtes‘ auswählte zum Trotz: ‚Jetzt habe ich es der KI gezeigt‘, dachte ich. Beim vierten Bild versöhnte ich mich wieder mit der KI und konnte bereits eine Distanz zwischen mir und dem Bild entwickeln. Beim letzten Bild verfügte ich über Gelassenheit.
Was würden Sie angesichts der Bildvorschläge, die die KI geliefert hat, sagen: Fühlen Sie sich von der KI verstanden?
Hans Furer: Wenn Whitney Houston ‚I will always love you‘ singt, so berührt mich das ganz tief in meiner Seele, sofern es diese gibt. Als ich mit 21 Jahren das Bild ‚der Engel‘ gemalt habe – als Replik in der FAU ausgestellt –, so habe ich darin mein tiefes Gefühlschaos ausgedrückt und ich denke, bei konzentrierter Betrachtung kann das auch ein Dritter spüren. KI ist noch nicht so weit. Mich als Menschen hat die KI in diesen künstlich generierten Bildern nicht verstanden. Zugutehalten muss ich der KI, das ich auch nicht erwarte, dass mir ein Mensch mit all seinen Gefühlen gegenüberstehen würde. Wenn das so wäre, würde ich das als bedrohlich empfinden.
Was ist für Sie das Besondere am KI-Experiment?
Bernhard Egger: Aus meiner Sicht ist es einzigartig, dass eine KI auf dem Werk eines einzigen Künstlers trainiert wurde und die generierten Werke dann von diesem Künstler auch wieder in die ursprüngliche Form übertragen werden. Dieser Full Circle, also vom Gemälde über die Fotografie zur KI und wieder zurück zu einer Bilddatei und am Ende einem Gemälde, habe ich so sonst noch nirgends gesehen. Auch dass ein Künstler sich auf ein solches KI-Experiment einlässt, ist eher ungewohnt. Aktuell werden fast täglich sehr kreative Werke geschaffen – insbesondere Werke, bei denen KI und Künstlerinnen und Künstler gemeinsam wirken, finden aus meiner Sicht am meisten Anklang. Die Demokratisierung der KI – fast jeder kann diese Werkzeuge verwenden – trägt sehr stark zu dieser Entwicklung bei.
Weitere Informationen:
Prof. Dr. Bernhard Egger
Professur für Cognitive Computer Vision (adidas-Stiftungsprofessur)
bernhard.egger@fau.de