KI trifft Fledermaus – lernen, wie die Tiere Parasiten abwehren
Experten der FAU erforschen mit dem Tiergarten Nürnberg die Immunabwehr von Fledermäusen
Sich mit Ameisen einreiben oder Gras fressen: Viele Tierarten wissen sich bei Krankheiten und Schädlingsbefall zu helfen – so wahrscheinlich auch Fledermäuse. Wie genau sie Viren und Bakterien abwehren und welche Mittel oder Pflanzenstoffe sie dafür verwenden, ist allerdings noch nicht erforscht. Das untersuchen nun Matthias Zürl und Julian Deyerler vom Lehrstuhl für Maschinelles Lernen und Datenanalytik (Prof. Dr. Björn Eskofier) an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) gemeinsam mit Wissenschaftler/-innen des Tiergartens Nürnberg. Die Forschungsarbeit ist auf drei Jahre angelegt und wird vom Human Frontiers Science Program mit insgesamt 1,2 Millionen Dollar gefördert.
Schon gut ein Jahr vor der Förderzusage begann Julian Deyerler, Lehrstuhl für Maschinelles Lernen und Datenanalytik der FAU, mit Dr. Ralph Simon, Fledermausexperte des Nürnberger Tiergartens, einen Flügelscanner für Fledermäuse zu entwickeln. Das Ziel: einzelne Tiere anhand individueller Flügelmerkmale wiederzuerkennen. „Wir wollen die Blutgefäß- und Kollagenmuster auf den Flügeln der Fledermäuse als eine Art Fingerabdruck verwenden, um die einzelnen Tiere auseinanderzuhalten“, sagt Deyerler. „Diese Methode ist nicht invasiv und damit auch schonend für die Tiere.“
Denn bislang wurden Tiere identifiziert, indem Metall- oder Plastikringe an ihren Armen befestigt oder Transponder angebracht wurden. Das neu entwickelte, kamerabasierte System dagegen zeichnet die Fledermäuse im Schwirrflug an der Blüte mit Hochgeschwindigkeit auf und scannt die individuellen Flügelstrukturen.
„Wir benutzen dafür ein neuronales Netz, das wir zunächst mit Bildern von uns bereits bekannten Tieren trainieren. Danach kann das System einfache Entscheidungen treffen – beispielsweise, ob zwei Bilder dieselbe Fledermaus zeigen. Es kann also die Individuen auf neuen Bildern wiedererkennen. Man spricht dabei von ‚Re-ID‘“, sagt Deyerler.
Dass sie einzelne Fledermäuse gezielt wiederfinden und -erkennen können, ist für die Forschenden im weiteren Projektverlauf entscheidend: Denn sie wollen unter anderem herausfinden, ob Tiere, die bestimmte Pflanzen oder Insekten fressen, weniger Parasiten haben als andere. Dabei konzentrieren sie sich auf fruchtfressende Blattnasenfledermäuse, die aus der gleichen Familie stammen wie die Fledermäuse im Manatihaus des Tiergartens.
Nächste Station: mittelamerikanischer Regenwald
Im nächsten Schritt geht es im Februar für Deyerler und Simon für vier Wochen nach Barro Colorado Island, einer Insel im Gatúnsee, der Teil des Panamakanals ist. Mit Krankheitsökologen von der Universität Oklahoma sowie ukrainischen Studentinnen und Wissenschaftlerinnen vom Ukrainischen Fledermaus Rehabilitationszentrum (Ukrainian Bat Rehabilitation Center) machen sie zuerst eine Bestandsaufnahme, um herauszufinden in welchem Zustand die dort lebenden Blattnasenfledermäuse sind.
Dafür werden sie einzelne Tiere fangen, Blut- und Fellproben nehmen und sie anschließend wieder frei lassen. Kotproben sollen Aufschluss darüber geben, was die Tiere gefressen haben. Zwar werden die Tiere hier zu Beginn händisch eingefangen, auf längere Sicht ist aber die Wiedererkennung der Individuen durch den Flügelscanner von der FAU essenziell: Nur so können die Forschenden den Gesundheitszustand der Tiere über einen längeren Zeitraum nachverfolgen.
In den kommenden Jahren wollen die Wissenschaftler mehrmals den Immunstatus der Tiere bestimmen und unabhängig davon auch sehen, welche Früchte die Fledermäuse wählen. Eines ihrer Ziele: Herausfinden, ob dies Früchte sind, die sekundäre Pflanzenstoffe enthalten. Das sind solche Stoffe, die Pflanzen nicht unbedingt zum Überleben brauchen, aber beispielsweise eine antibakterielle Wirkung haben. Das trifft zum Beispiel auch auf Koffein im Kaffeestrauch zu.
„Wir möchten erforschen, wie die Tiere die Informationen über bestimme Früchte weitergeben“, sagt Ralph Simon. „Ist das Wissen angeboren, kommunizieren sie darüber oder lernen sie es, indem sie erfahrene Artgenossen beobachten?“ Als Fledermausexperte und -fan sieht er das Projekt als Riesenchance. „Wir können hier nicht nur Erkenntnisse erlangen, die vielleicht für die Medizin relevant sind, sondern wir können auch viel mehr über Ökologie der fruchtfressenden Blattnasenfledermäuse herausfinden und somit deren oft noch völlig unbekannte Lebensweise besser verstehen lernen.“
Weitere Informationen
Julian Deyerler
Lehrstuhl für Maschinelles Lernen und Datenanalytik
Julian.deyerler@fau.de
Dr. Ralph Simon
Tiergarten Nürnberg
ralph.simon@stadt.nuernberg.de