Größter Katalog hochenergetischer kosmischer Quellen veröffentlicht

Ausgedehnte Röntgenemission am Himmel verursacht durch Supernova-Explosionen in unserer Nachbarschaft.
Ausgedehnte Röntgenemission am Himmel verursacht durch Supernova-Explosionen in unserer Nachbarschaft. (Bild: FAU/Jonathan Knies)

Sternenleichen, Materiejets und weiße Zwerge

Supernovaüberreste, schwarze Löcher, Neutronensterne und das heiße interstellare Gas der Milchstraße und anderer Galaxien – der Himmel ist voller Quellen, die Röntgenstrahlung aussenden. Forschende der Dr.Karl-Remeis-Sternwarte – Astronomisches Institut des Erlangen Centre for Astroparticle Physics (ECAP) der FAU durchforsteten als eines der Kerninstitute des deutschen eROSITA-Konsortiums von 2019 bis 2022 mit Hilfe eines Röntgenteleskops den Himmel nach solchen Quellen. Nun hat das Konsortium den bisher größten Katalog  mit Röntgenquellen in der Zeitschrift Astronomy & Astrophysics veröffentlicht.

So viel wie in 60 Jahren zuvor

Rund 900.000 Röntgenquellen hat das Röntgenteleskop eROSITA an Bord des Spektrum-RG-Satelliten bei der ersten Himmelsdurchmusterung von Dezember 2019 bis Juni 2020 entdeckt. Mit Hilfe des Teleskops konnten die Forschenden bereits bei dieser ersten Durchmusterung mehr Strahlungsquellen entdecken, als in der gesamten sechzigjährigen Geschichte der Röntgenastronomie zuvor. Der erste eROSITA-All-Sky-Survey-Katalog (eRASS1) ist somit die größte jemals veröffentlichte Sammlung an Röntgenquellen. Die Forschenden erstellten den Katalog nach Verarbeitung und Kalibrierung der gesammelten Daten, indem sie Photonenkonzentrationen am Himmel vor einem großflächigen, hellen und diffusen Hintergrund nachwiesen.

Der eRASS1-Katalog deckt eine Hälfte des Röntgenhimmels ab und ist der Datenanteil des deutschen eROSITA-Konsortiums. Er umfasst etwa 710.000 supermassereiche schwarze Löcher, also aktive Kerne ferner Galaxien, über 180.000 Röntgensterne in unserer eigenen Milchstraße, 12.000 Galaxienhaufen und eine kleine Anzahl anderer exotischer Quellen wie röntgenstrahlende Doppelsterne, Supernovaüberreste, Pulsare und andere Objekte. „Die Daten, die nun der weltweiten Wissenschaftsgemeinschaft zur Verfügung stehen, werden unser Wissen über das Universum bei hohen Energien revolutionieren“, sagt Prof. Manami Sasaki, Professur für Multiwellenlängenastronomie der FAU. Die andere Hälfte der Daten werten die russischen Wissenschaftler/innen aus.

Die erste eRASS-Datenveröffentlichung beinhaltet nicht nur den Katalog der Quellen, sondern auch Bilder des Röntgenhimmels bei verschiedenen Energien sowie Listen der einzelner entdeckter Photonen mit ihren Himmelspositionen, Energien und genauen Ankunftszeiten. Die für die Analyse der eROSITA-Daten nötige Software ist ebenfalls in der Veröffentlichung enthalten. Für viele Arten von Quellen wurden auch zusätzliche Daten aus anderen Wellenbereichen in sogenannte „Mehrwert-Kataloge“ aufgenommen, deren Inhalte  über die reine Röntgeninformation hinausgehen. Zusammen mit den Daten veröffentlichte das Konsortium eine Reihe wissenschaftlicher Publikationen zu neuen Ergebnissen, die von Studien zur Bewohnbarkeit von Planeten bis zur Entdeckung der größten kosmischen Strukturen reichen.

Ausgedehnte Röntgenemission am Himmel verursacht durch Supernova-Explosionen in unserer Nachbarschaft.
Ausgedehnte Röntgenemission am Himmel verursacht durch Supernova-Explosionen in unserer Nachbarschaft. (Bild: FAU/Jonathan Knies)

Der Röntgenhimmel offenbart sich

Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der FAU haben dabei faszinierende Einblicke in den Röntgenhimmel erhalten. Federico Zangrandi, Doktorand an der Dr.Karl-Remeis-Sternwarte, dem Astronomischen Institut der FAU, hat die Überreste sterbender Sterne, sogenannte Supernova-Überreste, in der Großen Magellanschen Wolke untersucht. Sie ist die größte Begleitgalaxie unserer Milchstraße. „Wir haben in der Großen Magellanschen Wolke viele neue Supernova-Reste gefunden, insbesondere in deren Peripherie. Das ist ein Hinweis dafür, dass Sterne entweder aus der Wolke herausgeschleudert oder durch Gezeitenwechselwirkung zwischen der ihr und der Milchstraße herausgerissen wurden.”

Aafia Zainab erforscht hingegen die Röntgenstrahlung von Neutronensternen und Schwarzen Löchern in der Milchstraße. „Diese Quellen entstehen in der Supernova-Explosion am Ende der Entwicklung von massereichen Sternen,“ erläutert die Doktorandin. Mit eROSITA ist es uns gelungen, dutzende neuer Quellen dieser Art zu identifizieren.“ Auch der Doktorand Philipp Weber ist an solchen Sternleichen interessiert, allerdings in anderen Galaxien. „Zum ersten Mal hat eROSITA hat viele tausende bekannte Galaxien im Röntgenlicht beobachtet“, erklärt er. Dabei hat er Strahlungsquellen in diesen Galaxien gefunden, die die Helligkeiten von mehr als dem 100.000-fachen unserer Sonne erreichen können. „Diese Quellen sind sehr selten, nur wenige Prozent aller Galaxien enthalten derartige Quellen.“

Viele Galaxien beherbergen in ihrem Zentrum ein Schwarzes Loch mit vielen Millionen Sonnenmassen. Diese werden Blazare genannt. „Solche schwarzen Löcher können Materie in Form von sogenannten Jets mit Geschwindigkeiten nahe der Lichtgeschwindigkeit herausschleudern“, sagt Steven Hämmerich, der Blazare in seiner Doktorarbeit untersucht und mit eROSITA mehrere 1000 dieser Materiejets nachweisen konnte.

Durch das große Gesichtsfeld und die hohe Empfindlichkeit bei niedrigeren Röntgenenergien ist eROSITA auch für die Untersuchung von ausgedehnter Röntgenemission am Himmel sehr geeignet. Zum ersten Mal haben Forschende nun Daten, um die Population von Röntgenquellen in den nächsten Begleitgalaxien der Milchstraße zu untersuchen. „Wir finden weiße Zwerge und Neutronensterne in Doppelsternen, die Materie von ihren Begleitern aufsaugen,“ sagt Dr. Sara Saeedi, wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Professur für Multiwellenlängenastronomie.

Deutsch-russischer Satellit im Schlafmodus

Das Team um die FAU-Astronomen Prof. Dr. Manami Sasaki und Prof. Dr. Jörn Wilms, beide an der Sternwarte sowie am ECAP beheimatet, arbeitete bei der Entwicklung des Röntgenteleskops eROSITA mit, wofür sich Forscher/-innen aus mehreren deutschen Universitäten unter Führung des Max-Planck-Instituts für extraterrestrische Physik (MPE) und dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) zusammengeschlossen haben. Das Projekt wurde zusammen mit russischen Forschenden der Raumfahrtagentur Roskosmos und der Russischen Akademie der Wissenschaften, vertreten durch deren Institut für Weltraumforschung (IKI), verwirklicht.

Zwischen Juni 2020 und Februar 2022 wurde der Himmel drei weitere Male durchmustert. Einen Teil der dabei gewonnenen Daten bereiten die Wissenschaftler/-innen ebenfalls auf und stellen ihn der Öffentlichkeit in Zukunft dann ebenfalls zur Verfügung. Seit Februar 2022 ist der Satellit in den Safe Mode versetzt, der wissenschaftliche Betrieb wurde seitdem nicht wieder aufgenommen.

Weitere Informationen:

Dr. Sara Saeedi
Professur für Multiwellenlängenastronomie
sara.saeedi@fau.de

Prof. Dr. Manami Sasaki
Professur für Multiwellenlängenastronomie
manami.sasaki@fau.de

Prof. Dr. Jörn Wilms
Lehrstuhl für Astronomie und Astrophysik
joern.wilms@fau.de