Weiße Weihnacht? Kein Problem!
Prof. Dr. Sebastian Habig, Lehrstuhl für Didaktik der Chemie, erklärt das chemische Geheimnis hinter Kunstschnee.
Wussten Sie, dass der Kunstschnee in Filmen eine enge Verbindung zu dem Material in Wegwerfwindeln hat? Das Geheimnis liegt in der Chemikalie Natrium-Polyacrylat, einem Superabsorber, der ca. das 800-fache seines Gewichts an Wasser aufnehmen kann.
Die Geschichte des Kunstschnees
In den 1960er Jahren entwickelte das US-Landwirtschaftsministerium diese superabsorbierenden Polymere, um Feuchtigkeit im Boden zu halten. Frühe Experimente basierten auf Stärke, die beim Hinzufügen von Wasser aufquillt. Durch die Beimischung anderer Chemikalien wie Acrylnitril und Polyvinylalkohol entstanden schließlich Polymere, die das Hundertfache ihres Eigengewichts an Wasser absorbieren können – ein großer Fortschritt gegenüber saugfähigen Materialien wie Papier oder Baumwolle.
Von Damenbinden zu Windeln
In den 70er Jahren erkannten Hersteller schnell das Potenzial dieser Polymere. Sie wurden zunächst in Damenbinden und Inkontinenzeinlagen verwendet, später dann in Windeln. Heute findet man sie in Haargelen, Kältepackungen und auch in der Landwirtschaft zur Bodenbefeuchtung.
Aber zurück zum Kunstschnee: Natrium-Polyacrylat bildet, wenn es mit Wasser gemischt wird, ein Gel, dessen Eigenschaften von der Vernetzung langer molekularer Ketten, der sogenannten Polymerketten, abhängen. Mit wenigen Querverbindungen kann das Gel stark anschwellen. Eine spezielle Version, PolySnow™ genannt, hat mehr Querverbindungen und bildet trockenere, schneeweiße Flocken, die echtem Schnee täuschend ähnlich sehen.
Schnee in Hollywood
Diese Art von Kunstschnee schmilzt nicht, was für Filmschaffende, die Winterszenen bei höheren Temperaturen drehen müssen, ein echter Segen ist. Wer es zuhause ausprobieren möchte, sammelt einfach die weißen Kügelchen aus dem Inneren einer Windel und gibt ca. 100 ml Wasser hinzu. Ein Wermutstropfen ist leider die biologische Abbaubarkeit von Superabsorbern. Aber: An diesem Problem arbeitet die Wissenschaft! Und vielleicht können wir so bald „grünen“ Kunstschnee nutzen, auch wenn er natürlich optisch weiß bleiben muss, um „White Christmas“ zu garantieren.