Elektrokatalyse und Hirnmechanik: Zwei ERC Synergy Grants für FAU-Forscher

Collage aus Porträtfotos von Karl Mayrhofer und Kristian Franze.
Prof. Dr. Kristian Franze und Prof. Dr. Karl Mayrhofer (Fotos: Georg Pöhlein / Giulia Iannicelli)

Karl Mayrhofer und Kristian Franze erhalten besondere europäische Förderung

Gleich zwei Forscher der FAU dürfen sich über einen Synergy Grant freuen, eine der höchstdotierten Förderungen des Europäischen Forschungsrates (ERC). Chemiker Prof. Dr. Karl Mayrhofer erhält die Unterstützung für seine Arbeiten zur Elektrokatalyse, Physiker Prof. Dr. Kristian Franze für die Erforschung der mechanischen Prozesse während der Hirnfaltung.

Der ERC Synergy Grant ist der einzige europäische Förderpreis, der ausschließlich an Konsortien aus mehreren Forschungsgruppen vergeben wird. Damit will der ERC herausragende Vorhaben unterstützen, die nur durch die Bündelung unterschiedlicher Perspektiven, Fähigkeiten und Ressourcen zu bewältigen sind. Die Förderung umfasst einen Zeitraum von sechs Jahren und beträgt insgesamt zehn Millionen Euro für das jeweilige Konsortium.

Wissenschaftsminister Markus Blume betonte anlässlich der Bekanntgabe der Förderung für bayerische Universitäten: „Innovative Forschungsbeiträge zur zukünftigen Ernährung der Weltbevölkerung, zur Behandlung der Menschheitsgeißel Krebs und zu ungelösten Rätseln des menschlichen Gehirns machen die bayerischen Träger der ERC Synergy Grants zu Stars der internationalen Spitzenwissenschaft. In Bayern schaffen wir für diese Pioniere unserer Zeit besonders dank unserer 5,5 Milliarden starken Innovationsoffensive Hightech Agenda glänzende Voraussetzungen. Gleich fünf der zu den bedeutendsten europäischen Forschungspreisen gehörenden Synergy Grants in einem Jahr bestätigen unsere Politik und unterstreichen einmal mehr: Bayern ist Wissenschaftsstandort von Weltrang! Herzlichen Glückwunsch an die ausgezeichneten Forscherinnen und Forscher und ihre exzellenten Universitäten!“

Der Materialbibliothekar: Prof. Dr. Karl Mayrhofer

Wasserstoff gilt als Energieträger der Zukunft. Für seine Herstellung müssen Reaktionen katalysiert werden, die teils unter extremen Bedingungen stattfinden. Bisherige Elektrokatalysatoren halten das meist nicht lange aus – neue Materialien werden benötigt, die sowohl leistungsstark als auch langlebig sind und idealerweise keine seltenen und teuren Elemente enthalten.

Im Projekt „Directed Evolution of Metastable Electrocatalyst Interfaces for Energy Conversion”, kurz DEMI, machen sich Forschende aus Deutschland, Dänemark und der Schweiz auf die systematische Suche: „Besonders vielversprechend für Elektrokatalysatoren sind Materialien, die aus fünf oder mehr Elementen bestehen“, erklärt Prof. Dr. Karl Mayrhofer, Forschungsdirektor am Helmholtz-Institut Erlangen-Nürnberg (HI ERN). „Wir suchen damit praktisch die Stecknadel im Heuhaufen, denn es gibt eine schier unendliche Zahl möglicher Verbindungen.“

Das Projektteam verfolgt eine evolutionäre Strategie: Es berechnet und simuliert aussichtsreiche Materialkombinationen, nimmt daran kleinere Veränderungen vor und prüft, ob sie sich positiv oder negativ auswirken. So folgen die Forschenden dem Pfad zum immer besseren Material. Eine Art Materialbibliothek soll es ermöglichen, Tausende Verbindungen gleichzeitig herzustellen, extremen elektrochemischen Bedingungen auszusetzen und somit sehr schnell die „Überlebensfähigen“ zu identifizieren.

Am HI ERN, das über eine weltweit einzigartige Ausstattung und Expertise für die Hochdurchsatzprüfung von Materialien verfügt, werden die aussichtsreichen Kandidaten auf ihre elektrochemische Leistungsfähigkeit hin untersucht. Im Zentrum steht die sekundenschnelle, gleichzeitige Erfassung von Aktivität und Stabilität unter verschiedenen Betriebsbedingungen. Karl Mayrhofer: „Unser datengetriebener, vernetzender Ansatz wird Katalysatoren stabiler und leistungsfähiger machen. Ziel ist es, sowohl die Wasserelektrolyse als auch den Betrieb von Brennstoffzellen effizienter zu gestalten.“

Vita

Karl Mayrhofer
Prof. Dr. Karl Mayrhofer (Foto: Georg Pöhlein)

Karl Mayrhofer studierte Technische Chemie an der TU Wien und promovierte dort 2006 nach einem zweijährigen Forschungsaufenthalt am Lawrence Berkeley National Laboratory, USA. Im Anschluss an einen Post-doc-Aufenthalt an der TU München wurde er 2010 Gruppenleiter in der Abteilung Grenzflächenchemie und Oberflächentechnik des Max-Planck-Instituts für Eisenforschung in Düsseldorf. Seit Ende 2015 ist er Professor für Elektrokatalyse an der FAU und leitet gemeinsam mit Prof. Dr. Peter Wasserscheid und Prof. Dr. Christoph Brabec das Helmholtz-Institut Erlangen-Nürnberg für Erneuerbare Energie (HI ERN). Seine Abteilung beschäftigt sich mit der elektrochemischen Energieumwandlung in Niedertemperaturbrennstoffzellen und -elektrolyseuren.

Der Hirnmechaniker: Prof. Dr. Kristian Franze

Kristian Franze, seit 2020 Humboldt-Professor und Direktor des Instituts für Medizinische Physik und Mikrogewebetechnik an der FAU sowie des Max-Planck-Zentrums für Physik und Medizin, erforscht das Wachstum von Nervenzellen. Dabei konzentriert er sich nicht primär auf die biochemischen Prozesse, sondern auf die mechanischen Kräfte, die dieses Wachstum beeinflussen. In früheren Studien hat Franze herausgefunden, dass die Steifigkeit des umliegenden Hirngewebes maßgeblich daran beteiligt ist, wachsende Nervenzellen in die richtige Bahn zu lenken.

Im Projekt UNFOLD, mit dem sich der Physiker und Tierarzt gemeinsam mit spanischen, belgischen und französischen Forschern erfolgreich um einen ERC Synergy Grant beworben hat, sollen diese Arbeiten intensiviert werden. Das Konsortium nimmt vor allem die Hirnfaltung in den Blick: Bekannt ist, dass große Säugetiere mit höheren kognitiven Funktionen eine reich gefaltete Großhirnrinde besitzen – und dass Anomalien mit verschiedenen Behinderungen assoziiert sind.

Trotz ihrer Relevanz für die klinische Diagnostik sind die Ursachen und Folgen der Kortexfaltung noch immer kaum verstanden. „Lange wurde angenommen, dass die Faltung auf ein begrenztes Schädelvolumen zurückzuführen ist“, sagt Franze. „Heute wissen wir, dass das nicht stimmt. Wir gehen davon aus, dass sie aus einem dynamischen Zusammenspiel mechanischer und molekularer Prozesse entsteht und weitreichende Konsequenzen für die Architektur und Funktion des Gehirns hat.“

Das UNFOLD-Team wird diese Hypothese testen, indem es Genomik, Zellbiologie, Mechanik der Gehirnentwicklung und Computermodellierung integriert. Untersucht wird beispielsweise, welchen Einfluss zellbiologische Prozesse auf die Gewebemechanik haben. Damit sollen sowohl Schlüsselmechanismen identifiziert werden, die zur Faltung des Kortex führen, als auch die Auswirkungen der Hirnstruktur auf die Funktion neuronaler Schaltkreise und das Verhalten von Tieren. Franze: „Je besser wir die Mechanismen neuronalen Wachstums verstehen, umso eher können wir einen Beitrag zur Behandlung bisher unheilbarer neurologischer Krankheiten leisten.“

Vita

Kristian Franze
Prof. Dr. Kristian Franze (Bild: FAU/Giulia Iannicelli)

Kristian Franze ist seit August 2020 Direktor des Instituts für Medizinische Physik und Mikrogewebetechnik an der FAU und des Max-Planck-Zentrums für Physik und Medizin (MPZPM). Das MPZPM entstand durch die gemeinsame Initiative des Max-Planck-Instituts für die Physik des Lichts (MPL), der FAU und des Uniklinikums Erlangen. Franzes Untersuchungen zur Wechselwirkung von Mechanik und Nervensystem gelten als bahnbrechend. Er wurde für seine Arbeiten mehrfach ausgezeichnet, unter anderem mit einem ERC Consolidator Grant und einer Alexander von Humboldt-Professur, dem höchstdotierten deutschen Forschungspreis. Bevor er an die FAU wechselte, war er Professor für Neuronale Mechanik an der Universität Cambridge, Großbritannien. Franze hat Tiermedizin an der Universität Leipzig studiert und wurde dort in Physik promoviert.

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