„Wir müssen uns mehr trauen“

Prof. Dr. Joachim Hornegger
Joachim Hornegger im Gespräch mit internationalen Studierenden: „Wir müssen die Erstsemester besser in die Uni, die Stadtgesellschaft und die Region integrieren.“ (Bild: FAU/Anna Tiessen)

Joachim Hornegger über Spitzenforschung, Risiko und Nachwuchsförderung

Joachim Hornegger gehört zu den 100 besten Informatikern Deutschlands und ist seit 2015 Präsident der FAU. Wichtig sind ihm Spitzenforschung, Nachwuchs­förderung und der Mut, auch mal ein forscherisches Risiko einzugehen. Und sonst so?

Herr Hornegger, eine Frage zum Aufwärmen: Was war Ihr erstes Forschungsobjekt als Kind?

Ein Biologiekasten. Da war so ein in Glyzerin eingelegter Frosch drin und eine Anleitung, wie man ihn aufschneidet. Das klingt rückblickend jetzt nicht mehr wirklich sexy – aber es war wirklich mein erstes.

Klingt, als hätten Sie von Anfang an Forscher werden wollen?

Oh, das kommt darauf an, in welcher Phase man mich gefragt hätte. Meine Berufs­wünsche reichten von Feuerwehrmann über Pfarrer bis hin zu Mathe- und Physiklehrer. Weil mich meine Mathe- und Physiklehrer ziemlich geprägt haben.

Pfarrer?

Ich fand das damals reizvoll. Der Pfarrer hat am Sonntag eine Stunde geredet, und sonst ist er spazieren gegangen. Dachte ich. Das fand ich doch eine ganz interessante Berufsvariante.

Präsident wollten Sie nie werden?

Nein, wollte ich nicht.

Tja. Nun führen Sie eine der größten deutschen Unis. Wo sehen Sie die Herausforderungen?

Forscherisch sind es sicher die großen Themen unserer Zeit, wie etwa Energiewende, Menschenrechte und Klimaproblematik. Diese Herausforderungen können nur im Schulterschluss der Disziplinen gelöst werden. Da ist noch so viel Luft nach oben. Das gilt für die Universitäten selbst, das gilt für die Forschenden, die offen sein müssen für Fragen auch jenseits ihres Kerngebiets. Aber das gilt auch für Forschungsförderung. Wir müssen uns mehr trauen.

Prof. Dr. Joachim Hornegger ist seit dem 1. April 2015 Präsident der FAU. Er studierte Infor­matik mit Nebenfach Mathematik an der FAU und promovierte 1996 mit einer Arbeit zur statistischen Objektmodellierung und Objekterkennung. Es folgten Aufent­halte am Massachusetts Institute of Technology (MIT) und an der Stanford University, bevor Hornegger als Entwicklungsingenieur bei Siemens Medical Solutions anfing. 2005 übernahm er den Lehrstuhl für Muster­erkennung an der FAU. Von 2011 bis 2015 gehörte Joachim Hornegger der Universitätsleitung als Vizepräsident an. Sein Verantwortungsbereich umfasste vor allem die Forschung sowie den wissenschaftlichen Nachwuchs.

Prof. Dr. Joachim Hornegger
Bild: FAU/Anna Tiessen

Und zu welchem Thema machen Sie sich in der Lehre die meisten Gedanken?

Zur Internationalisierung. Ein Drittel aller Erstsemester kommt mittlerweile aus dem Ausland. Wie integrieren wir internationale Studierende? Nicht nur in die Uni, auch in die Region. Gerade weil wir keine Campus-Uni sind, müssen wir ihnen helfen, ihren Alltag in der Stadtgesellschaft zu meistern. Und wir müssen einen Weg finden, diejenigen, die besondere Aufmerksamkeit brauchen, besser zu betreuen: Sie kommen mit unterschiedlichen Voraussetzungen – aber mit der Erwartung eines erfolgreichen Abschlusses.

Mehr interdisziplinäre Forschung, bessere Betreuung – all das will finanziert sein.

Nun gut, dass die Grundfinanzierung ange­hoben werden müsste, ist unstrittig. Aber zumindest haben wir in Bayern in den ver­gangenen fünf Jahren hohe Investitionen in die Wissenschaft gesehen – die Politik hat erkannt, dass ohne die Wissenschaft Innovation nicht möglich ist. Darüber bin ich froh.

Bei Themen wie KI?

Auch. KI ist ein gutes Beispiel: In der Vergangenheit haben wir uns mit KI vor allem in der Grundlagenforschung beschäftigt – an der FAU übrigens schon seit 1975. Es war eine Nische. Heute ist KI einer der wichtigsten Innovationstreiber. Gleichzeitig arbeiten Unis heute an Themen, die vielleicht in 20 Jahren die Rolle einnehmen, die KI heute hat. Oder Photonik vor zehn, 15 Jahren. Da stellt sich eher die Frage, wie wir die Dynamik an Unis herstellen, um auf aktuelle Entwicklungen flexibler reagieren zu können. Man wird nicht alle zehn Jahre eine Hightech Agenda haben, um schnell und gezielt Schwerpunkte zu setzen. Wir müssen andere Wege finden, unser System flexibler zu machen.

Was sind denn die Hürden?

Wir müssen es schaffen, ein bewährtes und nachhal­tiges Studienprogramm zu bedienen und trotzdem Forschungskapazitäten dort aufzubauen, wo die brisanten Themen liegen.

Dabei hört man ohnehin, es würde zu viel Lehre auf den akademischen Mittelbau abgewälzt, also auf die wissenschaftlichen Mitarbeitenden nach der Promotion, aber vor einer Professur …

Prof. Dr. Joachim Hornegger
Er sucht nach Wegen, universitäre Forschung dynamischer und flexibler zu machen: FAU-Präsident Joachim Hornegger. (Bild: FAU/Anna Tiessen)

Der Mittelbau hat viel zu stemmen. Ohne den Mittelbau ist eine forschungsstarke Uni in Deutschland nicht funktionsfähig. Aber auch im Mittelbau müssen die Leute die Chance haben, zu forschen und zu publizieren. Das gilt gerade für den Nachwuchs. Denn der Stellenkegel signalisiert sehr klar: Im Mittelbau eine Lebenszeitstelle zu bekommen, ist extrem schwer und nicht planbar.

Was raten Sie denn dann jungen Forscherinnen und Forschern?

Mein Rat kann eigentlich nur lauten: Wenn ihr euch für eine akademische Karriere entscheidet, muss das Ziel eine Professur sein. Bitte nicht falsch verstehen: Ich sage nicht, dass in diesem System alles richtig läuft. Ich bewerte nur die Chancen realistisch. Und eine akademische Karriere ohne das Ziel einer Professur ist in den seltensten Fällen erfolgreich. Auch eine Stelle als Akademischer Rat sollte nur eine Zwischenposition sein.

Das klingt nicht ermutigend.

Das würde ich so nicht sagen. Wichtig ist, dass man die Optionen kennt, sie richtig einschätzt und sich mit Alternativen auseinandersetzt. Es gibt auch attraktive Stellen außerhalb der akademischen Welt. Ich bin zwei Jahre nach meiner Promotion in die Industrie gegangen und erst acht Jahre später an die Uni zurückgekehrt. Wobei es für einen Informatiker leichter ist, aus der Wirtschaft nach Jahren in die Forschung zu wechseln als umgekehrt. Aber möglich ist auch das.

Wenn Sie selbst nun doch die Uni-Welt verlassen würden: Welcher Beruf wäre ganz sicher nichts für Sie?

Ich sage jetzt sicher nicht „Jurist“. Das hat mich schon einmal eine Packung Merci gekostet. Spaß beiseite: Ein Beruf, bei dem jeder Tag gleich ist, bei dem ich morgens schon wüsste, was ich abends gemacht habe – das wäre ganz sicher nichts für mich.

Autorin: Blandina Mangelkramer


Dieser Artikel ist Teil des FAU Magazins

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