Mehr Wasserstoff!

Marion Merklein
Sie will die Serienfertigung von Brennstoffzellen optimieren: Marion Merklein. (Bild: FAU/Giulia Iannicelli)

Marion Merklein, Simon Thiele und ihr Beitrag zur Energiewende

Soll die Energiewende gelingen, brauchen wir grünen Wasserstoff – und effiziente Technologien für seine energetische Nutzung. Maschinenbauerin Marion Merklein und Verfahrenstechniker Simon Thiele forschen daran. Ein Gespräch.

Frau Merklein, Herr Thiele, was haben Sie mit Wasserstoff zu tun?

Marion Merklein: Mein Forschungsgebiet ist die Schnittstelle von Werkstoffwissenschaften und Maschinenbau. Ich beschäftige mich mit der Umformung und dem mechanischen Fügen metallischer Werkstoffe, also beispielsweise Nieten und Schneidclinchen. Wasserstoff ist für mich ein wichtiges Thema, weil ich sowohl den Aufbau als auch die Serienfertigung von Brennstoffzellen optimieren möchte.

Simon Thiele: Ich arbeite an der Verbesserung bestehender und der Erforschung komplett neuer elektrochemischer Wandler. Solche elektrochemischen Wandler sind beispielsweise Elektrolyseure für die Herstellung von Wasserstoff aus Strom und Wasser oder Brennstoffzellen für die spätere Umwandlung von Wasserstoff in elektrische Energie.

Prof. Simon Thiele
Bild: FAU/Giulia Iannicelli

Prof. Dr. Simon Thiele studierte Physik an der Universität Freiburg und wurde dort auch promoviert. 2011 wurde er Gruppenleiter „Poröse Medien“ am Institut für Mikrosystemtechnik der Universität Freiburg und 2017 zusätzlich Gruppenleiter „Elektrochemische Systeme“ am Freiburger Hahn-Schickard-Institut für Mikroanalysesysteme. Seit 2018 ist er Professor für Elektrokatalytische Grenzflächenverfahrens­technik an der FAU und Abteilungsleiter am Helmholtz-Institut Erlangen-Nürnberg für Erneuerbare Energien (HI ERN).

Elektrolyseure und Brennstoffzellen sind ja bereits im Einsatz. Woran hakt es aktuell?

Simon Thiele: Die Performance dieser Systeme ist noch nicht zufriedenstellend, und zudem sind aktuell auch die Kosten zu hoch. Wenn ein Hochlauf gelingen soll, muss der Preis für Wasserstoff drastisch sinken. Die USA haben ein ehrgeiziges Ziel ausgegeben: Innerhalb einer Dekade soll ein Kilogramm Wasserstoff für einen Dollar erhältlich sein. Und die Brennstoffzellen müssen natürlich auch günstiger werden.

Wie ist das zu schaffen?

Simon Thiele: Indem wir die Effizienz der Prozesse verbessern. Außerdem muss die künftige Massenproduktion deutliche Kostenvorteile bringen. Meine Arbeitsgruppe forscht intensiv an neuen Materialien und Verfahren, beispielsweise der Membran-Elektroden-Einheit, die sowohl in Elektrolyseuren als auch in Brennstoffzellen eine zentrale Rolle spielt. Zugleich müssen wir die Gesamtkosten im Blick behalten: Für die Elektrolyse mit saurer Polymerelektrolytmembran wird Iridium benötigt – ein sehr seltenes und damit teures Edelmetall. Eine Alternative könnten alkalische Elektrolyseure sein, die nichtedle Metalle für die Katalysatoren erlauben. Wir untersuchen zudem, ob sich die Leistung solcher Wandler zum Beispiel durch eine höhere Betriebstemperatur steigern lässt.

Simon Thiele prüft eine Testzelle für die alkalische Elektrolyse.
Simon Thiele prüft eine Testzelle für die alkalische Elektrolyse. (Bild: FAU/Giulia Iannicelli)

Frau Merklein, welchen Beitrag können Sie als Umformspezialistin leisten?

Marion Merklein: Das Herzstück von Brennstoffzellen sind sogenannte Bipolarplatten – das sind verrippte Metallplatten, die spiegelsymmetrisch zusammengefügt werden. Dadurch entstehen voneinander getrennte Kanäle, durch die Wasserstoff und Sauerstoff fließen – die Ausgangsstoffe für die katalytische Reaktion. Solch eine Platte misst 700 mal 700 Millimeter und ist beinahe so dünn wie eine Alufolie. Dennoch muss sie stabil genug sein, um sie in größerer Zahl mit exakt demselben Abstand zueinander in einer Brennstoffzelle stapeln zu können. Sie können sich vorstellen, dass das nicht trivial ist.

Marion Merklein an ihrem Schreibtisch.
Bild: FAU/Giulia Iannicelli

Prof. Dr. Marion Merklein studierte Werkstoffwissenschaften an der FAU und wurde anschließend wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Fertigungstechnologie (LFT). Nach ihrer Promotion 2001 leitete sie die Forschungsgruppen „Blech- und Profilbearbeitung“ und „Wirkmedien­basierte Umformung“ am LFT. 2008 wurde sie auf die Professur für Fertigungstechnologie an der FAU berufen. Marion Merklein zählt zu den renommiertesten Forschern im Bereich der Umform- und Fügetechnik. 2013 wurde sie mit dem Gottfried Wilhelm Leibniz-Preis der DFG ausgezeichnet.

Wie meistern Sie diese Herausforderung?

Marion Merklein: Zum einen mit dem richtigen Material – wir untersuchen vorzugsweise Titan, aber auch Edelstahl und Aluminium als günstigere Alternativen. Dann spielt natürlich die Formgebung eine entscheidende Rolle: Durch das Einbringen von Sicken gewinnt die Folie an Stabilität – das kennt man, wenn man ein Blatt Papier entsprechend faltet. Das ist aber nur der erste Schritt: Entscheidend für die spätere Serienproduktion ist, dass wir diesen Prozess in hoher Geschwindigkeit mit minimalen Toleranzen reproduzieren können. Deshalb arbeiten wir nicht nur an der Form der Platten, sondern bauen in Kürze eine komplette Fertigungsstraße für Brennstoffzellen im Labormaßstab auf.

Wann werden wir die Resultate Ihrer Forschung auf der Straße oder der Schiene sehen?

Marion Merklein: Wenn wir die Nutzung von Wasserstoff im Mobilitätssektor spürbar voranbringen wollen, brauchen wir ein technologisches Niveau, das dem von Verbrennungsmotoren entspricht. Davon sind wir mindes­tens zehn Jahre entfernt. Aber wir arbeiten daran, diesen Rückstand aufzuholen.

Autor: Matthias Münch

Hoffnungsträger Wasserstoff

Die Transformation zur Klimaneutralität wird ohne Wasserstoff nicht gelingen. „Für Pkw und leichte Fahrzeuge sind Batterien die wirtschaftlich sinnvollste Lösung“, sagt Prof. Dr. Veronika Grimm, Wirtschaftsweise und Inhaberin des Lehrstuhls für Wirtschaftstheorie an der FAU. „Für schwerere Fahrzeuge wie Lastkraftwagen und Baumaschinen wird Wasserstoff aber mittelfristig eine große Rolle spielen.“ Grüner Wasserstoff werde aber nicht nur im Mobilitätssektor, sondern vor allem in der Industrie sowie für die grundlastfähige Ver­sorgung mit Wärme und Strom zunehmend wichtig, so Grimm. Als Mitglied des Nationalen Wasserstoffrates und Vorständin des Wasserstoffzentrums Bayern (H2.B) ist sie unmittelbar in die Planungen des Bundes und des Freistaats zur Etablierung einer nachhaltigen Wasserstoffwirtschaft eingebunden.

FAU-Ökonomin und Wirtschaftsweise Veronika Grimm.
FAU-Ökonomin und Wirtschaftsweise Veronika Grimm. (Bild: Sachverständigenrat
Wirtschaft/Andreas Varnhorn)

Grimm: „Wir müssen innovative Technologien mit Hochdruck vorantreiben und gleichzeitig stabile internationale Partnerschaften aufbauen. Denn den künftigen Bedarf an grünem Wasserstoff wird Deutschland nicht selbst decken können.“ Für den gefahrlosen Import von Wasserstoff seien auch neue Konzepte gefragt, etwa die an der FAU entwickelte LOHC-Technologie.


Dieser Artikel ist Teil des FAU Magazins

 

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