Die Atomstrukturdesigner
Julien Bachmann und Andreas Hirsch auf der Suche nach neuen Materialien
Am Anfang stand das Staunen: „Im Chemieunterricht durften wir Laborversuche machen, bei denen Flüssigkeiten zum Beispiel die Farbe verändert haben. Es hat mich fasziniert, dass man Materie so verwandeln kann“, erzählt Julien Bachmann, Leiter des Lehrstuhls für Chemistry of Thin Film Materials der FAU und Vorstandsmitglied des FAU-Profilzentrums New Materials and Processes. Später kam der Wunsch dazu, neue Strukturen zu erschaffen, „wie ein Ingenieur, nur auf einer viel kleineren Skala“. Seine Diplomarbeit an der Universität Lausanne führte Bachmann zur Koordinationschemie. Sie erforscht Verbindungen zwischen einem zentralen Metall-Ion und einem oder mehreren organischen Liganden. Solche Komplexe werden häufig als Katalysatoren eingesetzt.
Wenn du ins Ausland willst, geh ans MIT!
Über seine Karriere hat er sich anfangs wenig Gedanken gemacht. Den entscheidenden Anstoß gab ein Laborleiter aus der Kosmetikindustrie, bei dem Bachmann in den Semesterferien jobbte: „Wenn du ins Ausland willst, geh ans MIT!“ Bachmann befolgte den Rat. Im Rahmen seiner Dissertation erforschte er neue Grundprinzipien zur Katalyse der Wasserelektrolyse: „Ich konnte zeigen, dass man Komplexe so aufbauen kann, dass beim Elektronenaustausch nicht nur das Metall-Ion, sondern auch der Ligand beteiligt wird. Das war damals noch kein großes Forschungsthema.“
Weil er nach seiner Promotion den Elektronenübergang an Grenzflächen besser verstehen wollte, ging Bachmann nach Halle an das Max-Planck-Institut für Mikrostrukturphysik. Nach einer Juniorprofessur an der Universität Hamburg erhielt er 2012 den Ruf nach Erlangen.
Aktuell entwickelt Julien Bachmann Methoden, mit denen die Geometrie von Nanostrukturen akkurat definiert und systematisch variiert werden kann. „Mein Ziel ist es, die Effizienz von Solarzellen, Elektrolyseuren oder künstlicher Fotosynthese auf der Basis leicht verfügbarer, preiswerter und ungiftiger Materialien zu optimieren“, erklärt er. „Dabei spielen Beschichtungsverfahren wie die Atomlagenabscheidung eine wichtige Rolle.“ 2019 gründete er mit Partnern „Atlant 3D nanosystems“. Die Firma entwickelt eine neue Art von 3D-Druckern, die beispielsweise Sensoren mit atomarer Genauigkeit herstellen kann.
Und es sollte doch Erlangen sein
Auch Andreas Hirsch, Leiter des Lehrstuhls für Organische Chemie II der FAU, war früh von den Möglichkeiten der elektronischen Materialien fasziniert. „Meine Diplom- und Doktorarbeit habe ich an der der Universität Tübingen bei Michael Hanack geschrieben. Er war einer der ersten Chemiker in Deutschland, die sich mit Molekülen beschäftigt haben, die den elektrischen Strom leiten“, sagt Hirsch. Hanacks Arbeitsgruppe habe schon mit Physikern und Materialwissenschaftlern zusammengearbeitet, als dies in der organischen Chemie noch nicht üblich gewesen sei.
Nach einem Postdoc-Aufenthalt in Santa Barbara kehrte Hirsch nach Tübingen zurück und erforschte die Chemie des „Fußballmoleküls“ C60 und anderer Fullerene. „Das war eine sehr erfolgreiche Pionierzeit“, erinnert er sich. 1995 folgte er trotz lukrativer Angebote aus dem Ausland einem Ruf an die FAU. „Erlangen hatte damals noch nicht das herausragende Standing von heute, aber die FAU bot sehr gute Arbeitsbedingungen und die Stadt eine hohe Lebensqualität.“ Firmen wie Siemens, Adidas und Schaeffler stünden für Weltoffenheit und Internationalität. Hirsch: „In Bayern gibt es eine exzellente Wissenschaftsförderung, und die Grundausstattung für Chemie-Lehrstühle ist im Vergleich zu anderen Bundesländern sehr gut.“
Seit zwölf Jahren leitet Andreas Hirsch einen Sonderforschungsbereich mit 25 Arbeitsgruppen, die sich mit den chemischen und physikalischen Eigenschaften von synthetischen Kohlenstoff-Allotropen, Kohlenstoff-Nanoröhren und Graphenen beschäftigen. „Dank der Förderung durch die DFG sind wir das führende Kohlenstoff-Forschungszentrum weltweit“, sagt Hirsch.
Hirsch ist Chemiker mit Leidenschaft, aber es gibt für ihn auch eine Welt jenseits der Naturwissenschaften. „Ich habe mich schon früh für Musik, für kulturelle und geschichtliche Themen interessiert“, erzählt er. Seit 2022 engagiert Hirsch sich als Vizepräsident People in der Universitätsleitung – und sorgt dafür, dass die FAU sich als innovationsstarke Talentschmiede positioniert.
Autor: Mathias Orgeldinger
Profilzentrum Neue Materialien und Prozesse (FAU NMP)
Das Profilzentrum fördert und stärkt die innovative, interdisziplinäre Forschung im Bereich neuer Materialien und Prozesse an der FAU. Es setzt die erfolgreiche Arbeit des Exzellenzclusters Engineering of Advanced Materials (EAM) fort, mit dem sich die Universität eine (inter)nationale Spitzenposition auf diesem Forschungsgebiet sichern konnte. Eines der Ziele des FAU NMP ist es, durch neue chemische Syntheseverfahren und die Miniaturisierung chemischer Labore erstmals künstliche Materialien mit atomar perfekter Struktur herzustellen, die leistungsfähiger und zugleich nachhaltiger sind.
Dieser Artikel ist Teil des FAU Magazins
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