Auf der Sonnenseite
Wie die Fotovoltaik vorangebracht werden kann
Begrenzt effizient, schwer zu recyceln, keine nennenswerte Produktion in Deutschland – bei der Fotovoltaik gibt es viel Luft nach oben. Christoph Brabec, Verena Tiefenbeck und Ian Marius Peters haben sich zusammengetan, um ihr neuen Schub zu geben.
Christoph Brabec ist auf der Suche nach dem perfekten Stoff. Genauer: nach dem perfekten Material für die Solarmodule der Zukunft. „Silizium beherrscht den Markt“, sagt er, „aber wir wissen, dass selbst diese Technologie, nach über 75 Jahren Forschung und Entwicklung, Grenzen hat.“ Diese Grenzen liegen einerseits in der Leistungsfähigkeit – mehr als 30 Prozent Wirkungsgrad sind schon theoretisch für ein einfaches Siliziummodul nicht drin. Andererseits sind sie nur auf Dächern und Freiflächen einsetzbar, weil sie starr und schwer sind und kein Licht durchlassen.
Brabec, Professor für Materialien der Elektronik und der Energietechnologie an der FAU sowie Direktor am Helmholtz-Institut Erlangen-Nürnberg (HI ERN), forscht an Alternativen, insbesondere an organischer Fotovoltaik. „Wir können organische Halbleiter direkt auf dünne Substrate drucken. Das vereinfacht die Produktion und verbraucht deutlich weniger Energie“, erklärt der gebürtige Österreicher. „Da organische Fotovoltaik-Module biegsam und zudem transparent sein können, lassen sie sich in Fenster und Fassaden integrieren, in Innenräumen nutzen oder auf Feldern als Überdachungen einsetzen, unter denen Pflanzen wachsen können.“
Die Suche nach dem perfekten Halbleiterwerkstoff ist meist mit Kompromissen verbunden. Polymere mit langen Molekülketten etwa sind langlebig und temperaturresistent, aufgrund ihrer Struktur jedoch nur eingeschränkt effizient, insbesondere bei schwachem Licht. Kurzkettenmoleküle wiederum liefern mehr Strom, haben aber eine geringere Lebensdauer. Brabec und sein Team haben vor Kurzem ein sogenanntes Oligomer als heißen Kandidaten für organische Fotovoltaik identifiziert, das beide Welten – Leistungsfähigkeit und Robustheit – in sich vereint.
Zudem entwickeln sie Polymere, die nicht als aktive Halbleiter, sondern als passive Schutzschicht fungieren, etwa in Perowskit-Solarzellen. Perowskite sind metallische Kristalle, die eine hervorragende optoelektronische Leistung besitzen und sich leichter als Silizium verarbeiten lassen, jedoch extrem anfällig für Korrosion sind. Genau davor sollen die Polymerschichten schützen, zugleich aber die freigesetzten Elektronen ungehindert passieren lassen.
Solche Erfolge sind nicht möglich ohne ein aufwendiges Feintuning der atomaren Struktur. Das ist kein Selbstläufer – Trial and Error sind die Regel, nicht die Ausnahme. Ziel der Forschenden am HI ERN ist es, diese Experimente zu automatisieren. „Wir wollen alle Prozesse – von der Wahl der Materialien bis hin zu den Testzyklen – in einer Art digitalem Zwilling abbilden“, sagt Brabec. „Durch die KI-gestützte Entwicklung vermeiden wir viele Wiederholungsschritte und erhoffen uns schnellere Durchbrüche bei dieser wichtigen Technologie.“
Leistung ist nicht alles
Leistungsfähigkeit und Langlebigkeit sind nicht die einzigen Kriterien für das ideale Solarmodul. „Wir dürfen uns im Ringen um den maximalen Wirkungsgrad nicht verzetteln“, sagt Ian Marius Peters, Forschungsgruppenleiter am HI ERN. Entscheidend sei auch, dass Fotovoltaik-Module in allen Einzelkomponenten und über den gesamten Lebenszyklus hinweg einen möglichst geringen ökologischen Fußabdruck hinterlassen.
Das beginnt bereits mit der Wahl der Halbleiterschicht: Ein fotoaktives Polymer, das in wenigen Syntheseschritten hergestellt werden kann, ist möglicherweise einem Material vorzuziehen, das mit höherem Arbeits- und Energieaufwand im Produktionsprozess am Ende zwei Prozent mehr Leistung hat. „Entscheidend ist für uns auch, das Polymer ohne toxische und umweltschädliche Lösemittel verarbeiten zu können“, erklärt Peters. Günstigere und umweltfreundlichere Syntheseprozesse – etwa die Abscheidung aus Wasserlösungen und der Druck im Tintenstrahlverfahren – sind deshalb ein zentrales Forschungsfeld am HI ERN.
Der Cradle-to-Cradle-Ansatz, den Peters verfolgt, beinhaltet selbstverständlich auch die Frage, was nach dem Ende ihrer Lebensdauer mit den Produkten passiert. „Siliziummodule halten zwar länger, lassen sich jedoch kaum recyceln“, sagt er. „Meist landen sie auf Mülldeponien, oder sie werden geschreddert und partiell recycelt.“ Die Lösung liegt entweder in einem Multi-Layer-Design, das es erlaubt, verschiedene Materialien leicht voneinander zu trennen und zu verwerten – oder aber in der konsequenten Fertigung des gesamten Moduls aus organischen Materialien, die sich im Idealfall kompostieren lassen. „Ein Modul muss nicht 100 Jahre halten, wenn die Technik nach 20 Jahren nicht mehr up to date ist“, erklärt Peters, der für seine Forschung 2023 einen mit zwei Millionen Euro dotierten ERC Consolidator Grant gewonnen hat.
Technologie braucht Akzeptanz
Eine ganzheitliche Betrachtung des ökologischen Fußabdrucks könnte auch die Akzeptanz bei Verbraucherinnen und Verbrauchern erhöhen, zumal die Entscheidung für Solarmodule ja ohnehin eine Entscheidung für grüne Energie ist. Verena Tiefenbeck erforscht solche Konsumpräferenzen – und die Marktchancen, die daraus erwachsen. Als Professorin für Digitale Transformation an der FAU wirft sie einen genauen Blick auf die Schnittstelle zwischen Unternehmen und Konsumenten. Sie untersucht, wie vor allem neue Produkte und Technologien von den Menschen aufgenommen und in den Alltag integriert werden. „Die organische Solartechnologie ist eine disruptive Innovation“, sagt sie. „Bislang haben wir wenig Daten und als Anwender kaum Wahl- und Vergleichsmöglichkeiten.“
Tiefenbeck versucht, einen Blick in die Zukunft zu werfen und Szenarien für verschiedene Rahmenbedingungen zu skizzieren. Die basieren in erster Linie auf politischen Entscheidungen, etwa Subventionsprogrammen, Verboten umweltschädlicher Produkte oder Richtlinien für den Grad der Wiederverwertbarkeit. „Wenn sich diese Rahmenbedingungen ändern, spricht man in der Makroökonomie von Schocks“, erklärt sie. „Schocks können dramatisch sein, neuen Technologien aber auch zum Durchbruch verhelfen.“
Neben politischen Interventionen gibt es eine Reihe weiterer Faktoren, die Marktchancen und Zukunftsfähigkeit von Produkten beeinflussen. Die Abhängigkeit von Rohstoffen ist ein solcher Faktor. „Je mehr Materialien wir aus anderen Ländern importieren müssen, umso weniger kalkulierbar sind die mittel- und langfristigen Preisentwicklungen“, erklärt sie. „Außerdem können geopolitische Instabilitäten zu Lieferengpässen führen.“ Auch für die gesellschaftliche Akzeptanz einer Technologie sei es nicht unerheblich, in welchen Regionen der Welt und unter welchen Bedingungen die Rohstoffe gewonnen werden. Nicht zuletzt deshalb sei die kohlenstoffbasierte Elektronik und Fotovoltaik ein Hoffnungsträger: Sie ist nicht nur ökologischer, sondern kommt auch vollständig ohne Seltenerd- oder Edelmetalle aus.
Autor: Matthias Münch
Profilzentrum Solar (FAU Solar)
Solarenergie ist eine der wichtigsten regenerativen Energiequellen, ihre Nutzung ein zentraler Baustein der Energiewende. Bislang unterliegt die Fotovoltaik jedoch gravierenden Limitationen, vor allem bei der Leistung, die eine schnelle Expansion verhindern. FAU Solar forscht an Strategien, um diese Einschränkungen zu überwinden. Dazu zählen der Druck organischer Halbleiter ebenso wie eine ganzheitliche Betrachtung des Produktlebenszyklus einschließlich des Recyclings. Mithilfe künstlicher Intelligenz sollen die Prozesse der gesamten Wertschöpfungskette optimiert werden.
Dieser Artikel ist Teil des FAU Magazins
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