Fünf ERC Starting Grants für FAU-Wissenschaftler/-innen

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Bild: @uni_fau / Celina Henning

Nachwuchsforscher/-innen mit EU-Förderung in Millionenhöhe ausgezeichnet

Förderungen des European Research Council (ERC; Europäischer Forschungsrat) sind hart umkämpft. Sie zu erhalten, gibt der Forschung der ausgezeichneten Wissenschaftler/-innen durch die hohen Fördersummen von bis zu 1,5 Millionen Euro über fünf Jahre nicht nur neuen Schwung – sie zeichnet die Geförderten ebenso also Spitzenforscher/-innen auf ihren Gebieten aus. Nun ist es gleich fünf Wissenschaftler/-innen der FAU gelungen, einen ERC Starting Grant einzuwerben: Silvia Budday, Alessandro Del Vecchio, Danijela Gregurec, Ferdinand Knieling und Anna Nelles, die gleichzeitig am DESY als Wissenschaftlerin arbeitet.

Silvia Budday: Die Gehirn-Ingenieurin

Silvia Budday in einem Labor.
Prof. Dr.-Ing. Silvia Budday, Lehrstuhl für Kontinuumsmechanik (Schwerpunkt Biomechanik). (Bild: FAU/Georg Pöhlein)

Eine Ingenieurin, die das Gehirn erforscht? Was zunächst abwegig klingt, erschließt sich bei genauerem Hinsehen. Prof. Dr. Silvia Budday erforscht das Verhalten extrem weicher Materialien unter mechanischen Einflüssen. Dazu gehöre Hydrogele, aber eben auch menschliches Gehirngewebe. Denn die Mechanik beeinflusst die Funktionsweise von Zellen und hat somit Auswirkungen auf unsere Gesundheit.

Ziel des durch den ERC Starting Grant geförderten MAGERY-Projekts ist es, Schädigungen von Gehirnzellen durch mechanische Belastung, zum Beispiel bei einer Gehirn-OP, zu verhindern.

Durch einen neuartigen Testaufbau und die Kombination von mechanischen Messungen, Multiphotonenmikroskopie sowie mathematischer Modellierung und Simulation untersuchen Budday und ihr Team, wie hoch mechanische Belastungen sein dürfen, bevor unsere Gehirnzellen Schaden nehmen oder sterben.

Durch die Integration dieser Erkenntnisse in Virtual beziehungsweise Augmented Reality-Lösungen für die Gehirnchirurgie könnten Belastungen und mögliche Schädigungen, die während eines chirurgischen Eingriffs auftreten, zuverlässig vorhergesagt und direkt angezeigt werden, um reagieren und damit effektiv Gewebe- und Zellschäden vermeiden zu können.

Prof. Dr. Silvia Budday ist Leiterin des Lehrstuhls für Kontinuumsmechanik und Biomechanik (LKM) an der FAU; ihre Professur wird aus der Hightech Agenda Bayern gefördert. Sie studierte Maschinenbau am Karlsruher Institut für Technologie (KIT), wo sie 2011 als eine der vier besten Bachelorabsolvent/-innen und 2013 als beste Masterabsolventin abschloss.

Während ihres Masterstudiums verbrachte sie ein Auslandsjahr an der Purdue University, Indiana, USA. Sie promovierte zum Thema „The Role of Mechanics during Brain Development“ an der FAU und schloss ihre Promotion 2017 mit „summa cum laude“ ab.

Von 2019 an leitete Budday eine Forschungsgruppe im Emmy Noether-Programm der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) zu BRAIn mechaNIcs ACross Scales (BRAINIACS), bevor sie den Lehrstuhl an der FAU übernahm. Im Jahr 2021 wurde sie mit dem Heinz Maier-Leibnitz-Preis der DFG und des BMBF ausgezeichnet.

Alessandro Del Vecchio: Vom Gedanken zur Bewegung

Alexxandro Del Vecchio in einem Treppenhaus.
Prof. Dr. Alessandro Del Vecchio, Professur für Neuromuscular Physiology and Neural Interfacing. (Bild: FAU/Georg Pöhlein)

Viele Menschen leiden unter teilweisen oder vollständigen Muskellähmungen, für die es keine Heilung gibt. Neuronale Schnittstellen haben zwar das Potenzial, die motorische Funktion mit Hilfe von Assistenzsystemen wiederherzustellen. Aber selbst bei den modernsten invasiven neuronalen Implantaten, können Patient/-innen die Bewegungen der gelähmten Gliedmaßen nur sehr eingeschränkt kontrollieren – dafür ist die Übersetzung vom Gehirnbefehl an die Assistenzsysteme zu ungenau.

Mit dem ERC Starting Grant möchte Alessandro Del Vecchio, Professor für Neuromuscular Physiology and Neural Interfacing an der FAU, Schnittstellen entwickeln, die die gewünschte Bewegung besser an die Prothese übertragen.

Dafür setzt er bei den spinalen Motoneuronen an: Das sind die letzten Zellen des Nervensystems, die motorische Befehle in Bewegung umsetzen.

Bei den meisten Nervenverletzungen, wie Rückenmarksverletzungen und Schlaganfällen, gibt es noch funktionell aktive spinale Motoneuronen,die mit minimalinvasiven Methoden zugänglich gemacht werden können.

Del Vecchio und sein Team wollen sogenannte bidirektionale Schnittstellen entwickeln, die die Aktivität von spinalen Motoneuronen in Echtzeit erkennen und weitergeben. Dafür nutzen die Forscher/-innen neue Deep-Learning-Methoden und Hunderte Sensoren, die die elektrische Aktivität der Muskeln messen, um die Aktionspotenziale einzelner motorischer Einheiten für die Muskeln, die die Hand steuern, aufzuzeichnen, zu aktivieren und zu erweitern und so die Funktionsweise von Assistenzsystemen verbessern.

Prof. Dr. Alessandro Del Vecchio ist seit 2020 Professor für Neuromuscular Physiology and Neural Interfacing an der FAU. Seinen Bachelor (2011) und seinen Master (2014) in Biomechanik hat er an der Universität Parma in Italien erworben; 2015 schloss er seinen Master in Applied Physiology an der Universität Loughborough, UK, ab.

Anschließend promovierte Del Vecchio zu Movement Neuroscience an der Universität zu Rom Foro Italico. Von 2015 bis 2016 war er als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Department of Neurorehabilitation Engineering der Universität Göttingen tätig, bevor er 2017 an das Department of Bioengineering des Imperial College London wechselte.

Danijela Gregurec: Bimodale Neuromodulation ermöglicht Lesen und Schreiben im Gehirn

Danijela Gregurec in einem Labor.
Prof. Dr. Danijela Gregurec, Juniorprofessur für Sensory Sciences (am Chair for Aroma und Smell Research) an der FAU (Bild: FAU/Georg Pöhlein)

Neurodegenerative Krankheiten und neurologische Dysfunktionen wie Depression, Parkinson oder Demenz betreffen immer größere Teile unserer Gesellschaft. Für ihre erfolgreiche Behandlung bedarf es innovativer Ansätze im Bereich der Neurowissenschaften. Bisher basiert Neuromodulation in der Regel auf chronisch implantierter makroskopischer Hardware, die zahlreiche Sicherheitsbedenken aufwirft, häufig unter mangelnder Präzision leidet und keinen Zugang zu tieferliegenden Hirnregionen ermöglicht.

Hier setzt das ERC Starting Grant-Projekt BRAINMASTER von Prof. Dr. Danijela Gregurec an: Ihr Ziel ist, eine innovative bimodale, drahtlose, minimal-invasive Technologie zur neuronalen Modulation zu entwickeln, mit der neurologische Erkrankungen räumlich und zeitlich präzise behandelt werden können.

Kernstück des Projekts sind funktionelle magnetische Nanopartikel, die mithilfe fokussierten Ultraschalls und externer Magnetfelder zielgerichtet im Gehirn platziert und angesteuert werden können. Durch bildgebende Magnetresonanztomographie wird die neuronale Reaktion in Echtzeit analysiert. Die bimodale Funktionsweise ermöglicht zellspezifische Stimulation und gleichzeitige Analyse neuronaler Aktivität.

Damit wird BRAINMASTER eine kabellose Neuromodulation ohne implantierte Hardware ermöglichen, die neuronale Inaktivität auf zellulärer Ebene detektieren und innerhalb von Millisekunden die passende therapeutische Stimulation betroffener Hirnareale bewirken kann. Gregurec und ihr Team entwickeln damit die erste intuitive Schnittstelle zwischen dem Tiefenhirn und einem technischen System, um mögliches kognitives Training und Therapien für Entwicklungs-, neurodegenerative und mentale Störungen zu erleichtern.

Seit Ende 2020 ist Danijela Gregurec Professorin für Sensory Sciences am Department Chemie und Pharmazie der FAU. Sie ist eine der Pionierinnen auf dem Gebiet der magnetischen drahtlosen Neuromodulation.

Prof. Dr. Danijela Gregurec studierte Angewandte Chemie an der Universität von Zagreb, Kroatien. Sie forschte im Bereich Molekularbiologie und Biomedizin am Centro de Investigación Cooperativa en Biomateriales (CIC biomaGUNE) in San Sebastian, Spanien, wo sie 2016 promoviert wurde.

Anschließend wechselte sie an das Massachusetts Institute of Technology (MIT, Cambridge), wo sie im Forschungslabor für Elektronik und am McGovern Institute for Brain Research arbeitete.

Ferdinand Knieling: Der mit dem Durchblick

Porträt am Schreibtisch
Dr. Ferdinand Knieling, Lehrstuhl für Innere Medizin I und Lehrstuhl für Kinderheilkunde an der FAU (Bild: FAU/Knieling)

Durchfall, Bauchschmerzen, Fieber: Entzündliche Prozesse im Magen-Darm-Trakt verstecken sich oft hinter diffusen Symptomen und erschweren damit eine frühe Diagnose, was im schlimmsten Fall zu einer Entzündung des Bauchfells, Abszessen oder Darmdurchbrüchen führen kann. Oftmals können sie erst mittels einer Magen- beziehungsweise Darmspiegelung sicher erkannt und im Körper genau lokalisiert werden – eine unangenehme, invasive Methode mit Einschränkungen.

Durch die für den Patienten unangenehme aber notwendige Vorbereitung ist diese für die Früherkennung nur begrenzt einsetzbar, genauso wie für wiederholte oder risikoreiche Anwendungen, etwa bei Kindern.

Eine nicht-invasive Alternative ist die multispektrale opto-akustische Tomographie (MSOT), ein molekular-sensitiver Ultraschall. Diese optische Bildgebungsmethode nutzt Laserlicht, um im Körper Schwingungen zu erzeugen, die dann wiederum mit hochsensitiven Detektoren wahrgenommen und zu einem Bild zusammengesetzt werden können.

PD Dr. Dr. Ferdinand Knieling erforscht in seinem ERC-geförderten Projekt, wie MSOT weiterentwickelt und für die frühzeitige Lokalisierung von Entzündungsprozessen im Darm eingesetzt werden kann. Zusammen mit seinem Team hat er entdeckt, dass Farbstoffe, die auf oralem Wege verabreicht werden, die dynamische Visualisierung des gesamten Darmtrakts ermöglichen. Dieser molekularsensitive Ansatz hat den Vorteil, dass solche Kontrastmittel nicht systemisch absorbiert werden und weitgehend unverändert ausgeschieden werden.

Das Projekt soll nun ermöglichen, neue Kontrastmittel zu entwickeln, um entzündete Bereiche im Darm zu markieren und über einen Ultraschall aufzuspüren.

Ferdinand Knieling hat Medizin an den Universitäten Göttingen und Erlangen-Nürnberg studiert. Noch im Studium absolvierte er einen Aufenthalt am Molecular Imaging Program Stanford der Stanford University und promovierte anschließend an der FAU.

Seither ist er klinisch und wissenschaftlich an der Kinder- und Jugendklinik des Uniklinikums Erlangen tätig und absolvierte eine duale Ausbildung als „Clinician Scientist“ über das Programm des Interdisziplinären Zentrums für klinische Forschung (IZKF) Erlangen.

Seit 2018 leitet er eine eigene Forschungsgruppe. 2021 habilitierte er und 2023 schloss er eine Promotion zu optoakustischen Bildgebungsverfahren ab.

Anna Nelles: Auf der Suche nach kosmischen Neutrinos

Anna Nelles in einem Labor.
Prof. Dr. Anna Nelles, Professur für Experimentelle Astroteilchenphysik an der FAU. (Bild: FAU/Georg Pöhlein)

Prof. Dr. Anna Nelles, die an der FAU als Professorin für Experimentelle Astroteilchenphysik forscht und gleichzeitig als Wissenschaftlerin am Deutsches Elektronen-Synchrotron DESY in Zeuthen (Host Institution für den ERC Grant) tätig ist, baut auf Grönland ein Netzwerk von Radioantennen auf, um damit extrem energiereiche Neutrinos aus dem Weltall zu belauschen.

Neutrinos sind flüchtige Elementarteilchen, die sich von nahezu nichts aufhalten lassen. Sie durchqueren ungehindert Wände, Planeten und ganze Galaxien und erreichen uns daher aus den fernsten Winkeln des Kosmos und aus dem Zentrum extremer Prozesse wie etwa Supernova-Explosionen von Sternen oder aus den Staubscheiben um Schwarze Löcher.

Manche dieser Teilchen haben so viel Energie wie ein scharf geschmetterter Tischtennisball. Versuche haben gezeigt, dass die schnellen Neutrinos auf ihrem Weg durch die Atmosphäre sowie den grönländischen Eisschild Radiowellen hinterlassen, die sich mit Spezialantennen auffangen lassen.

„Die Entdeckung von Neutrinos mit extremen Energien verspricht neue Erkenntnisse sowohl in der Astrophysik als auch in der Teilchenphysik bei Energien weit jenseits solcher, die sich mit irdischen Teilchenbeschleunigern erreichen lassen“, erläutert Nelles. „Wir hoffen, mit solchen Beobachtungen neue Quellen extrem energiereicher kosmischer Strahlung zu enthüllen und die Ausbreitung dieser Teilchen im All besser zu verstehen.“

Das „Radio Neutrino Observatory – Greenland“ RNO-G wird die erste große Anlage ihrer Art und soll bis 2026 auf 35 Stationen ausgebaut werden. Aufbau und Betrieb werden von Nelles und Kollegen aus den USA und Belgien geleitet.

Dr. Anna Nelles ist seit 2019 Professorin für Experimentelle Astroteilchenphysik, insbesondere Radionachweis von Neutrinos, an der FAU; gleichzeitig arbeitet sie als Wissenschaftlerin am DESY in Zeuthen.

Nelles hat an der RWTH Aachen Physik sowie Wirtschaftswissenschaften (MBA) studiert , bevor sie an der Universität Nimwegen, Niederlande, in Physik promoviert hat. Anschließend ging sie 2015 als Postdoc an die University of California.

Ihre letzte Station vor der FAU war die einer Emmy-Noether-Gruppenleiterin an der Humboldt-Universität zu Berlin.

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