Wie ein kleines Molekül mit verschiedenen Signalen vielfältig geschaltet werden kann

junger Mann in weißen Kittel in einem Labor
Maximilian Sacherer, Lehrstuhl für Organische Chemie I und Erstautor der Studie. (Foto: FAU/Lehrstuhl für Organische Chemie I)

FAU-Chemiker entwickeln neuartige molekulare Schalter für den Einsatz in intelligenten Materialien oder Medikamenten

Kann man die Eigenschaften bestimmter Moleküle kontrolliert an- und ausschalten, können sie als sogenannte molekulare Schalter bei der Datenspeicherung oder in Medikamenten eingesetzt werden. Chemikern der FAU ist es nun gelungen, neuartige molekulare Schalter auf Basis des Farbstoffs Indigo zu entwickeln, in denen eine Vielzahl von Eigenschaften eingestellt werden können. Die Ergebnisse haben die Forscher in dem renommierten Journal Nature Communications veröffentlicht, das die Publikation zusätzlich als „Editor’s Highlight“ ausgewählt hat.

Molekulare Schalter sind Moleküle die Chemiker/-innen mithilfe von verschiedenen Signalen oder Stimuli in Zustände mit unterschiedlichen Eigenschaften versetzen können. Diese hochpräzise Schaltbarkeit setzen sie dann für Anwendungen zum Beispiel bei der Datenspeicherung oder im biologischen und pharmakologischen Kontext ein.

Aus zwei Dimensionen mach vier

Herkömmliche molekulare Schalter besitzen zwei Zustände mit unterschiedlichen intrinsischen Energien, Geometrien und elektronischen Eigenschaften. Bei der Unterklasse der molekularen Photoschalter kann Licht mit bestimmten Wellenlängen entweder den energetisch günstigen oder den ungünstigen Zustand anschalten, während eine Erhöhung der Umgebungstemperatur nur zu dem energetisch günstigen Zustand führt. Doch ist es möglich, mehr als nur zwei Zustände zu haben, die angesprochen und kontrolliert werden können?

Forschern des FAU-Lehrstuhls für Organische Chemie I um Prof. Dr. Henry Dube und Maximilian Sacherer, Erstautor der Studie, ist genau das gelungen. Sie haben eine neue Klasse von molekularen 4D-Schaltern auf Basis von organischen Farbstoffen entwickelt. „Die neuen Schalter bieten durch die vergrößerte Zahl der Zustände und die Vielzahl der möglichen Signale und ihrer Abfolgen völlig neue Möglichkeiten bei der Entwicklung intelligenter Materialien, der Informationsverarbeitung oder Anwendungen im Bereich der Medikamentenaktivierung durch äußere Reize“, erklärt Henry Dube.

Vom Jeansstoff zum molekularen Schalter

Möglich werden diese Schalter durch die gezielte Weiterentwicklung von bekannten organische Farbstoffen. „Die Natur liefert uns eine Fülle solcher Farbstoffe“, sagt Dube. „Unsere Schalter basieren auf dem Jeansfarbstoff Indigo, der erstmals Ende des 19. Jahrhunderts von Adolf von Bayer synthetisiert wurde.“ Die neuen „Diaryl-Hemiindigo-Schalter“ können nun vier verschiedene, selektiv steuerbare Zustände annehmen. Je nach Abfolge und Kombination von grünem und rotem Licht, unterschiedlichen Säure- beziehungsweise Alkalinitätsgraden und Temperaturen können die vier molekularen Zustände unabhängig voneinander angesteuert werden. Die Zustände sind dabei visuell unterscheidbar und weisen die Farben Rot, Dunkelviolett oder Magenta auf. Die starken Farbkontraste zwischen den verschiedenen Zuständen, ihre ausgeprägten elektronischen Unterschiede, ihre hohe thermische Stabilität und  ihre Robustheit gegenüber verschiedenen Umgebungsbedingungen – flüssig in einem Lösungsmittel oder im festen Zustand – ermöglichen nun neue Anwendungen. Die Forscher demonstrieren dies durch die Herstellung eines intelligenten Materials, transparente farbige Polymere, in die mit grünem Licht Information geschrieben werden und diese mit rotem Licht wieder gelöscht werden können.

Originalpublikation: Sacherer, M., Hampel, F. & Dube, H. Diaryl-hemiindigos as visible light, pH, and heat responsive four-state switches and application in photochromic transparent polymers. Nat Commun 14, 4382 (2023). https://www.nature.com/articles/s41467-023-39944-x

Weitere Informationen:
Prof. Dr. Henry Dube
Lehrstuhl für Organische Chemie I
Tel: 09131 85-65571
henry.dube@fau.de