Klimakrise und Verlust der Artenvielfalt gehen Hand in Hand
FAU-Paläontologe beteiligt an neu veröffentlichter Review Study zur Bekämpfung von Klimawandel und Artensterben
Der durch den Menschen verursachte Klimawandel in Kombination mit der Nutzung und Zerstörung natürlicher Ökosysteme zieht einen beispiellosen, fortschreitenden Verlust der Artenvielfalt mit sich.
Da Klima- und Biodiversitätskrise in der Öffentlichkeit jedoch oft als zwei getrennte Katastrophen gehandelt würden, ruft nun ein internationales Team aus Forschenden – unter ihnen Prof. Dr. Wolfgang Kießling, Paläontologe an der FAU – dazu auf, eine neue Sichtweise einzunehmen: In ihrer gerade im Journal „Science“ veröffentlichten Studie empfehlen sie, mindestens 30 Prozent aller Landflächen, Binnengewässer und der Meere zu schützen beziehungsweise wiederherzustellen.
Darüber hinaus sollen Naturschutzgebiete durch ein Netzwerk verbunden und interdisziplinäre Kollaborationen zwischen Institutionen gefördert werden.
Das Wirken des Menschen hat das Klimasystem der Erde maßgeblich verändert: Durch die Emission von Treibhausgasen ist die globale Durchschnittstemperatur im Vergleich zu vorindustriellen Zeiten bereits um 1,1 Grad Celsius angestiegen. Die Konsequenzen für den Planeten sind vielfältig und umfassen unter anderem steigende Meeresspiegel, häufiger auftretende extreme Wetterphänomene und das Sterben der Arten.
Klima und Biodiversität gehören zusammen
In ihrem gerade veröffentlichten Bericht „Overcoming the coupled climate and biodiversity crises and their societal impacts” (zu Deutsch: Wie wir die gepaarten Krisen des Klimas und der Artenvielfalt sowie ihrer gesellschaftlichen Effekte bewältigen), heben die 18 internationalen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler hervor, wie Klimaerwärmung und ein Rückgang der Biodiversität miteinander in Verbindung stehen.
FAU-Paläontologe und Inhaber des Lehrstuhls für Paläoumwelt am Geozentrum Nordbayern Prof. Dr. Wolfgang Kießling ist einer der Co-Autoren. Er erklärt: „Die drastischen Temperaturveränderungen, die wir gerade erleben, haben einen massiven Einfluss auf die Lebensräume aller Arten. Diese haben jeweils einen ganz speziellen Toleranzbereich was das angeht und müssen ihr Habitat aufgrund des Klimawandels nun verlagern. Damit einher gehen verschiedene Herausforderungen. Mobile Lebewesen können nur solange migrieren bis sie in einer Sackgasse landen, zum Beispiel an der Küste einer Landmasse. Sessile Organismen wie Korallenriffe können erst im Laufe mehrerer Generationen ihren Lebensraum verändern. Auf lange Sicht ist es für viele von ihnen vielleicht schon zu spät.“
Fischerei, Land- und gewerbliche Wirtschaft würden die Situation weiter verschlimmern, da sie Ökosysteme weiter räumlich einschränken. Die Autoren der Studie schätzen, dass der Mensch so bereits etwa 75 Prozent der Landflächen und 66 Prozent der Meere auf unserem Planeten verändert habe. Daraus resultiere ein Verlust von 80 Prozent Biomasse bei den Säugetieren sowie 50 Prozent weniger pflanzliche Biomasse. In der Menschheitsgeschichte seien noch nie so viele Lebewesen vom Aussterben bedroht gewesen wie jetzt.
So sei ein Teufelskreis entstanden: Die Erderwärmung und Zerstörung natürlicher Lebensräume beschneide nicht nur die Biodiversität, sondern verringere auch die Kapazität von Organismen, Böden und Sedimenten, welche Kohlenstoff speichern.
Jetzt anpassen für eine gute Zukunft
Um dieser Fülle an Krisen entgegenzuwirken, schlagen die Forschenden eine Kombination aus Maßnahmen vor: Emissionen müssten reduziert, Ökosysteme geschützt und Flächen intelligent genutzt werden. An politische Akteure wird appelliert, über Institutionen hinweg in Kooperation zu gehen.
„Für eine gute Zukunft genügt es nicht, sich auf einen reduzierten Ausstoß von Treibhausgasen zu konzentrieren. Darüber hinaus müssen nachhaltige Anpassungen an die bereits eingetroffenen Klimaveränderungen gemacht werden, besonders durch naturbasierte Lösungen“, so Kießling.
Dazu gehörten unter anderem: der Schutz von Küsten durch Korallenriffe und Feuchtgebiete; die Rekultivierung von Landflächen, Süßgewässern und Meeren, um weiteres Artensterben zu vermeiden; und ein globales Netzwerk, das Schutzgebiete durch Migrationskorridore verbindet und so sichere Rückzugsorte für Lebewesen schafft.
Die Review Study betont außerdem, dass Landwirtschaft und Fischerei ihren Fokus auf Nachhaltigkeit und die Schonung von Ressourcen legen müssten. Die zuverlässige Lebensmittelversorgung der Menschheit solle mit Konzepten umgesetzt werden, die eine Kohlenstoff-Speicherung in Biomasse und Böden priorisierten und eine erhöhte Aufnahme von Kohlenstoffdioxid ermöglichten.
Zudem bedürfe es einem besonderen Schutz durch sichere Rückzugsorte für Spezies, die Ernten möglich machen, zum Beispiel Insekten, die Obstbäume bestäuben.
Einstimmiges Vorgehen
Der Erfolg all dieser Maßnahmen sei des Weiteren abhängig von der Zusammenarbeit der Länder und Institutionen dieser Welt. Diese müssten an einem Strang ziehen.
Kießling beschreibt es so: „Ganz egal, ob eine Entscheidung wirtschaftlicher, politischer oder gesellschaftlicher Natur ist – wir alle müssen stets den Klimawandel, Biodiversität und Nachhaltigkeit im Blick behalten und uns darüber im Klaren sein: Wir sind alle betroffen. Hier wird nicht nur ein Land in Mitleidenschaft gezogen. Deshalb sind gemeinsame Strategien und regelmäßiger Austausch zwischen Weltführern und Organisationen so wichtig.“
Der komplette Bericht ist über die DOI 10.1126/science.abl4881 erreichbar.
Weitere Informationen
Prof. Dr. Wolfgang Kießling
Inhaber des Lehrstuhls für Paläoumwelt am Geozentrum Nordbayern
Tel: +49-9131-85-26959
wolfgang.kiessling@fau.de