Wie Quantencomputer zuverlässiger und leistungsfähiger werden

Ein Mann im blauen Anzug.
Prof. Dr. Christopher Eichler, Lehrstuhl für Experimentalphysik. (Bild: FAU/Georg Pöhlein)

Katzen auf der Quantenwaage

Wollte man Christopher Eichlers Forschungsgebiet in einem Satz zusammenfassen, ließe sich sagen, hier beißt sich Schrödingers Katze in den Schwanz: Um Quantencomputer zuverlässiger und leistungsfähiger zu machen, müssen fehlerhafte Operationen aufgespürt und korrigiert werden. Das erfordert zum einen Redundanz und damit die Skalierung hin zu größeren Quantenprozessoren. Zum anderen müssen die einzelnen Elemente auf den immer komplexer werdenden Prozessoren verbessert werden. Das stellt eine große Herausforderung dar, denn die Quantenzustände reagieren extrem empfindlich auf äußere Störfaktoren, hervorgerufen etwa durch elektrische und magnetische Felder, Wärme oder Materialdefekte. „Es führt aber kein Weg an diesen beiden Entwicklungssträngen vorbei“, sagt der Inhaber des Lehrstuhls für Experimentalphysik an der FAU. „Wir wollen einerseits bessere Prozessoren bauen und andererseits die Verfahren der Fehlerkorrektur perfektionieren.“

Mit seinem Team forscht Christopher Eichler an der Zukunft des Quantencomputers. Zugleich ist er Sprecher des Projektes QuMeCo, mit dem die FAU im Munich Quantum Valley vertreten ist.

In Blackboxes schauen, ohne sie zu öffnen

Für den Laien ist der Quantencomputer ein Mysterium, weil er nicht mit den klassisch binären Zuständen Null und Eins arbeitet, sondern mit sogenannten Superpositionen. Die Quantenbits, kurz: Qubits, können sich gleichzeitig in zwei Zuständen befinden – solange man nicht nachschaut. Ähnlich hatte es Erwin Schrödinger 1935 in einem Gedankenexperiment beschrieben, bei dem sich eine Katze in einer undurchsichtigen Kiste befindet und wir erst erfahren, ob sie lebendig oder tot ist, wenn wir entscheiden, die Kiste zu öffnen. „Die Qubits sind gewissermaßen Blackboxes, die wir nicht öffnen können, ohne den Rechenvorgang damit zu unterbrechen“, erklärt Eichler.

Wie aber lassen sich Fehler in geschlossenen Boxen ermitteln? Die Quantenforscher bedienen sich hier eines Tricks: Sie nutzen eine Art Waage auf Quantenebene, mit der sie die Zustände benachbarter Qubits vergleichen können, ohne diese einzeln auszulesen. An genau solchen Messverfahren arbeitet die Arbeitsgruppe von Christopher Eichler. „Hier kommt die Redundanz ins Spiel“, erklärt der Physiker. „Wir müssen Quanteninformation auf eine Vielzahl von Qubits verteilen, in Form sogenannter verschränkter Zustände. Nur dann können wir Abweichungen messen und als Fehler identifizieren, ohne den Rechenvorgang zu unterbrechen.“

Warum solche Kontrollmechanismen – und eine bessere Hardware – so wichtig sind, erklärt Eichler am Beispiel der Ammoniaksynthese, eines grundlegenden Verfahrens für die Düngemittelproduktion: „Das ist einer der energieaufwändigsten Prozesse der chemischen Industrie überhaupt. Schon kleinste Optimierungen würden zu erheblichen Einsparungen führen“, sagt er. Für die Entwicklung neuer Katalysatoren müssten jedoch die Abläufe auf molekularer Ebene besser verstanden werden – mit Simulationen, die konventionelle Computer nicht leisten können. „Um hinreichend genaue Rechenergebnisse zu bekommen, sind Billiarden an Quantenoperationen nötig. Aktuell macht der Quantencomputer etwa alle 1000 Operationen einen Fehler. Um diese Lücke zu schließen, braucht es die Quantenfehlerkorrektur.“

Arbeitsgruppe mit Start-up-Spirit

Im September 2021 ist Christopher Eichler auf den Lehrstuhl für Experimentalphysik an der FAU berufen worden. Wer ein Ohr für Dialekte hat, hört einen leichten schweizerischen Einschlag bei ihm, obwohl er in der Nähe von Mainz geboren und aufgewachsen ist. „Das kommt von meiner langen Zeit an der ETH Zürich, dort habe ich 2013 promoviert und bis zum vergangenen Jahr geforscht.“ Zürich ist einer der renommiertesten Standorte der Quantenforschung weltweit – hier wurden grundlegende Durchbrüche bei den Fehlerkorrekturverfahren erzielt. Für zwei Jahre, von 2014 bis 2016, wechselte Eichler als Dicke-Fellow an die Princeton University in den USA. „Dort herrscht eine unglaubliche Dynamik, die von viel Optimismus geprägt ist.“

Diesen Spirit hat Eichler mit nach Erlangen gebracht, seine Arbeitsgruppe vergleicht er mit einem Start-up. An die FAU ist er gewechselt, weil er hier zum einen etwas Neues aufbauen und zum anderen auf ein hervorragendes akademisches und technisches Umfeld setzen kann – vis-a-vis etwa das Max-Planck-Institut für die Physik des Lichts mit einem der bestausgestatteten akademischen Reinräume in Deutschland. „Bei aller Faszination für die Theorie – letztlich müssen die Prozessoren ja auch entwickelt und hergestellt werden, und bei supraleitenden Quantencomputern bewegen wir uns nicht nur auf der Mikro-, sondern auch auf der Nanoebene. So etwas umzusetzen, geht nur an ganz wenigen Standorten.“ Seine Begeisterung teilt der 39-Jährige auch mit seinen Studierenden, die Lehre ist ihm ein ebenso wichtiges Anliegen wie die Forschung.

Leuchtturm am Munich Quantum Valley

Die FAU gehört zu den Gründungsmitgliedern des Munich Quantum Valley und ist seit Januar 2023 mit dem Leuchtturmprojekt „Quantum Measurement and Control for the Enablement of Quantum Computing and Quantum Sensing“, kurz: QuMeCo, an der bayerischen Initiative beteiligt. Christopher Eichler ist Sprecher des Projektes, zu dem sich elf Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Erlangen zusammengeschlossen haben – acht aus dem Bereich Licht und Materie des Departments Physik sowie drei vom Department Elektrotechnik-Elektronik-Informationstechnik der FAU. „Neben der Optimierung der Qubits und der Fehlerkorrektur beschäftigt sich das Konsortium zum Beispiel mit der Steuerelektronik“, erzählt Eichler. „Es sollen Mikrowellenschaltungen entwickelt werden, die sich möglichst nah an den Quantenchips befinden und Steuerimpulse im Nanosekundenbereich ermöglichen. Die Komponenten müssen eine extrem geringe Leistungsaufnahme haben, um ungewollte Wechselwirkungen mit den Qubits auszuschließen.“

Weitere Schwerpunkte des Projekts sind die Sensorik und die Bildgebung. Die Forschenden experimentieren beispielsweise mit neuartigen Quantenlichtquellen und -detektoren und machen sich dabei die besonderen Eigenschaften verschränkter Photonen zunutze. Außerdem nutzen sie Farbzentren – Fehlstellen in Kristallen, die Licht absorbieren – als hochempfindliche Quantensensoren, um elektrische und magnetische Felder sowie elektrochemische und photochemische Reaktionen von Molekülen auf einem völlig neuen Niveau optischer Auflösung abzubilden. Das ermöglicht zum Beispiel den Blick in schwer zugängliche Spektralbereiche, etwa um biologische Prozesse besser verstehen zu können. Ein weiteres Anwendungsszenario ist die Optimierung von Elektrolyten und ionischen Flüssigkeiten, um die Effizienz und Lebensdauer von Batteriezellen zu erhöhen.

„Die Beteiligung am Munich Quantum Valley zeigt zum einen die besondere Expertise der FAU und bietet uns zugleich die Möglichkeit, uns mit anderen Initiativen im Bereich der Quantenforschung in Bayern zu vernetzen“, erklärt Christopher Eichler. „Wir alle teilen die Faszination dafür, die verblüffenden Gesetze der Quantenwelt in Anwendungen nutzbar machen zu können.“

Über das Munich Quantum Valley

Die FAU ist einer der Gründungspartner des Munich Quantum Valley. Ziel ist es, Hard- und Software für Quantencomputer zu entwickeln. Dafür soll in den kommenden fünf Jahren ein Zentrum für Quantencomputing und Quantentechnologie entstehen. Hier sollen die drei derzeit aussichtsreichsten Quantencomputing-Technologien verfügbar sein, also sowohl ein Computer auf Basis von supraleitenden Qubits als auch solche mit Qubits auf Basis von Ionen und Atomen. Darüber hinaus soll ein Quantentechnologiepark entstehen, um die Forschungskapazitäten zu bündeln und die schnelle Umsetzung wissenschaftlicher Erkenntnisse in marktreife Produkte zu forcieren. Flankiert werden die Aktivitäten durch den Aufbau von Aus- und Fortbildungsangeboten sowie Maßnahmen zur Förderung von Start-ups in den Quantentechnologien.

Weitere Informationen

Prof. Dr. Christopher Eichler
Lehrstuhl für Experimentalphysik
Tel.: 09131/85-28371
christopher.eichler@fau.de