Wenn ein Stern die Hüllen fallen lässt

Künsterlische Darstellung eines Sterns.
Künstlerische Darstellung eines Gamma Col ähnlichen Sterns. Der überlagerte Kranz stellt den katalytischen nuklearen Kreisprozess dar, durch den normalerweise tief im Sterninnern vier Wasserstoffkerne zu einem Heliumkern verschmolzen werden, wobei riesige Energiemengen freiwerden. (Credit: Collage: Prof. Dr. Norbert Przybilla (Innsbruck); https://www.eso.org/public/images/eso2010a/; https://supernova.eso.org/exhibition/images/0418_cno-1080/)

FAU-Forschende untersuchen einen ehemaligen Doppelstern, der seine Hülle verlor

Ein Stern im Bild Taube, etwa 900 Lichtjahre von der Erde entfernt: Gamma Columbae hütete eine dunkle Vergangenheit – die jetzt von einem internationalen Forschungsteam unter Federführung der FAU enthüllt wurde. Der Astronom Dr. Andreas Irrgang vom Astronomischen Institut an der Dr. Karl-Remeis-Sternwarte Bamberg der FAU ist Teil eines internationalen Forschungsteams, das herausfand, dass der Stern einst das Herz eines Doppelsternsystems bildete und seine Hülle verlor, als er sein Gegenüber verschlang.

Über ihre Ergebnisse berichteten sie kürzlich in der renommierten Fachzeitschrift Nature Astronomy.

Energie durch Kernfusion

Seit Ende der 1930er Jahre ist bekannt, dass Sterne ihre enorme Strahlungsenergie durch Kernfusion von Wasserstoff zu Helium bei Temperaturen von vielen Millionen Grad Celsius tief im Sterninnern erzeugen. Diese Fusion läuft in einem Kreisprozess ab, in dem Kohlenstoff, Stickstoff und Sauerstoff als Katalysatoren wirken. Dadurch kommt es zu einer charakteristischen Anreicherung von Stickstoff im Kern des Sterns.

Weil Sterne verschwenderisch mit ihrem nuklearen Energievorrat umgehen, existieren sie nur wenige Millionen Jahre bevor sie in einer gigantischen Explosion, einer Supernova, vergehen. Diese nukleare Entwicklung ist normalerweise nicht direkt beobachtbar, da die sehr dichten Sternhüllen, die Oberflächenschicht eines Sterns, den heißen zentralen Fusionsreaktor abschirmen. Vorhersagen von Sternentwicklungsmodellen können daher nur durch zahlreiche Beobachtungen von Sternoberflächen getestet werden.

Freigelegtes Herz

Seit vielen Jahren beobachten FAU-Astronom Dr. Andreas Irrgang und ein Kollege der Universität Innsbruck massenreiche Sterne, indem sie spektroskopische Aufnahmen vieler Sterne mit ausgefeilten Modellen analysieren. Nun gelang ihnen eine einzigartige Entdeckung: Der massereiche Stern Gamma Columbae im südlichen Sternbild Taube zeigte Abweichungen in der chemischen Zusammensetzung seiner Oberfläche – abweichend davon, wie sie für Sterne mit ähnlicher Masse erwartet wird.

Zusammen mit einem führenden Sternenentwicklungstheoretiker der Universität Genf fanden die Wissenschaftler um Irrgang die Erklärung.

Sie kamen zu dem Ergebnis, dass Gamma Columbae, der, wie die Forschenden vermuten, einst zu einem Doppelsternsystem gehörte und mit einem anderen Stern um einen gemeinsamen Schwerpunkt kreiste, seine Hülle verlor, als er sein Gegenüber verschlang.

Dass sich Doppelsterne einander ständig nähern und dadurch Energie verlieren ist normal. Stehen die beiden Sterne nahe beieinander sind die Gravitationswellen, die den Energieverlust verursachen, stark und haben einen großen Einfluss – wie es hier der Fall gewesen sein muss. Bei Gamma Columbae wurde durch diesen Prozess der stellare Kern, sozusagen das Herz des Sterns, freigelegt. Das deutet darauf hin, dass Gamma Columbae der freigelegte Kern eines ursprünglich viel größeren Sterns eines ehemaligen Doppelsternsystems sein könnte.

Voraussichtliche Explosion in ein bis zwei Millionen Jahren

Aufgrund der festgestellten Zusammensetzung ist anzunehmen, dass Gamma Columbae rund 90 Prozent seiner auf gut zehn Millionen Jahre geschätzten Lebenszeit erreicht hat. Damit dürfte er noch weniger als zwei Millionen Jahre zu leben haben, bevor er explodiert. Bis dahin bietet Gamma Columbae ein Studienobjekt anhand dessen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die Vergangenheit und Zukunft von Doppelsternen im Detail untersuchen können.

Die Veröffentlichungen zum Papier der Universität Genf und des Schweizerischen Nationalfonds finden Sie online.

Weitere Informationen

Originalpublikation: doi.org/10.1038/s41550-022-01809-6

Prof. Dr. Ulrich Heber
Tel.: 09519/5222-14
ulrich.heber@sternwarte.uni-erlangen.de 

Dr. Andreas Irrgang
andreas.irrgang@sternwarte.uni-erlangen.de