Forschende der FAU optimieren Leistung und Stabilität mehrschichtiger organischer Solarzellen
Kurze Ketten für langes Leben
Akzeptorschichten aus Oligomeren können die Leistung organischer Solarzellen steigern und zugleich eine lange Lebensdauer gewährleisten. Das haben Materialwissenschaftler/-innen der FAU in aufwändigen Laborexperimenten bewiesen. Organische Solarzellen sind einfacher herzustellen als herkömmliche Siliziummodule und zugleich deutlich flexibler einsetzbar, weil sie beispielsweise biegsam und transparent sein können. Ihre Erkenntnisse haben die Forschenden im renommierten Fachjournal „Nature Energy” veröffentlicht.
Spätestens der Ukrainekrieg führt uns nachdrücklich vor Augen, wie wichtig es ist, möglichst rasch unabhängig von fossilen Energieträgern zu werden. Der zügige Ausbau regenerativer Energieversorgung ist einer der Schlüssel dazu. Bei der Photovoltaik etwa zählt längst nicht mehr nur das Ringen um mehr Leistung, sondern auch die Erschließung neuer Einsatzfelder, denn die Fläche für Solarkollektoren ist in dichtbesiedelten Industrieländern wie Deutschland sehr begrenzt.
Aus diesem Grund wird mit Hochdruck an der organischen Photovoltaik geforscht: Organische Solarzellen bestehen aus kohlenstoffbasierten Halbleitern, die – im Unterschied zum herkömmlich verwendeten Silizium – aus einer Lösung heraus direkt auf eine Trägerfolie gebracht werden. Dadurch sind die Module biegsam, auf Wunsch durchscheinend oder sogar völlig transparent, was ein breites Einsatzspektrum in urbanen Räumen ermöglicht – bis hin zur Nutzung von Fensterflächen.
Das Beste aus zwei Welten
Bei der Wahl des perfekten Werkstoffs für die Halbleiterschichten steht die Forschung jedoch vor einem Dilemma: „Wenn wir beispielsweise Polymere mit sehr langen Molekülketten verwenden, ist das Modul robust gegenüber Temperatureinflüssen und lange haltbar“, sagt Prof. Dr. Christoph Brabec, Inhaber des Lehrstuhls für Werkstoffwissenschaften (Materialien der Elektronik und der Energietechnologie) der FAU und Direktor des Helmholtz-Instituts Erlangen-Nürnberg (HI ERN). „Allerdings sind Polymere nicht so gut definiert und haben aufgrund ihrer Komplexität mehr Defekte, was zu einer schlechteren Leistungsausbeute bei schwachem Licht führen kann.“
Am HI ERN wird deshalb verstärkt an einer Alternative für den Elektronentransfer geforscht: an sogenannten Oligomeren. Ihre Ketten sind kürzer, sie lassen sich präzise designen und ihre Effizienz im Nah-Infrarot-Licht ist wesentlich besser als die von Polymeren. Der Nachteil: Oligomere sind temperaturempfindlicher und generell instabiler.
Die internationale Arbeitsgruppe um Christoph Brabec will das Beste aus beiden Welten vereinen – niedermolekulare Nichtfulleren-Halbleiter, die eine hohe Leistungsausbeute haben und zugleich robust und langlebig sind. Im Visier haben sie dabei die Derivate eines besonderen Moleküls mit dem Namen Y6, das symmetrisch aufgebaut ist und neben Kohlenstoff aus Stickstoff-, Wasserstoff-, Sauerstoff-, Schwefel- und Bromatomen besteht.
„Wir haben das Molekül in unzähligen Versuchen modifiziert und seine Eigenschaften als Akzeptorschicht untersucht“, erklärt Difei Zhang, die als Doktorandin die Experimente an der FAU durchgeführt hat. Bei den Untersuchungen – beteiligt waren an der Studie auch Forschende der South China University of Technology (SCUT) – kamen zum Beispiel zweidimensionale Weitwinkel-Röntgenstreuungsmessungen zum Einsatz, mit denen die Mikrostruktur und das Verhalten der Molekülketten analysiert wurde.
The winner is: OY3
Das aufwändige Feintuning der molekularen Struktur brachte schließlich einen vielversprechenden Kandidaten hervor: ein Oligomer mit dem Kürzel OY3. „OY3 hat eine durchschnittliche Leistungseffizienz von 15 Prozent – ein Wert, den wir auch bei einigen anderen Derivaten gemessen haben“, sagt Christoph Brabec. „Was uns darüber hinaus beeindruckt hat, ist die hervorragende Photostabilität.“
So zeigte das Oligomer auch nach 200 Betriebsstunden noch 94 Prozent seiner anfänglichen Leistung. Weitere Messungen ergaben eine Lebensdauer von mehr als 25000 Betriebsstunden – bei einem durchschnittlichen Betrieb von 1500 Stunden pro Jahr bedeutet das eine Lebensdauer von über 16 Jahren.
Brabec: „Diese Parameter sind bislang einzigartig für mehrschichtige organische Photovoltaikmodule und erfüllen alle Anforderungen an eine zügige Kommerzialisierung. Unsere Strategie des gezielten Oligomer-Designs hebt die organische Photovoltaik auf eine neue Effizienzstufe und bringt sie ganz nah an die praktische Anwendung.“
Weitere Informationen
Originalpublikation: „Organic Solar Cells Using Oligomer Acceptors for Improved Stability and Efficiency” in Nature Energy, DOI: 10.1038/s41560-022-01155-x
Prof. Dr. Christoph J. Brabec
Lehrstuhl für Werkstoffwissenschaften (Materialien der Elektronik und der Energietechnologie)
Tel.: 09131/85-25426
christoph.brabec@fau.de