FAU-Biologin entdeckt ergebnisorientierte Kommunikation bei weiblichen Nasenaffen
Beschützer herbeigezwitschert
Weibliche Weißnasenmeerkatzen setzen Alarmrufe gezielt ein, um Männchen für die Verteidigung der Gruppe zu rekrutieren. Das hat Claudia Stephan, Evolutionsbiologin an der FAU, gemeinsam mit Kollegen der Wildlife Conservation Society bei Beobachtungen in der Republik Kongo entdeckt. Die Weibchen halten ihre zwitscherartigen Rufe solange aufrecht, bis das Männchen das typische Abwehrverhalten gegenüber Raubtieren zeigt. Eine solche intentionale Stimmkommunikation ist im Tierreich zuvor nicht beobachtet worden. Ihre Erkenntnisse hat die Forscherin jetzt im renommierten Wissenschaftsjournal „Animal Behavior and Cognition“ veröffentlicht.*
Was uns Menschen einzigartig macht, ist unsere Fähigkeit zu sprechen. Sprache versetzt uns nicht nur in die Lage, komplexe Sachverhalte zu beschreiben, sondern auch Gefühle und Bedürfnisse zu äußern und das Verhalten anderer gezielt zu beeinflussen. „Bislang fehlen eindeutige Beweise dafür, dass es eine solche Intentionalität auch in der tierischen Stimmkommunikation gibt“, sagt Dr. Claudia Stephan vom Lehrstuhl für Entwicklungsbiologie der FAU. Die Suche nach den evolutionären Wurzeln menschlicher Intentionalität konzentrierte sich überwiegend auf Menschenaffen: Bei Schimpansen beispielsweise konnten spezifische Rufe in verschiedenen Kontexten identifiziert werden, etwa Alarmrufe, Rufe zum Aufbruch oder zur Ruhe. Unklar aber ist bis heute, ob der Signalgeber eine Verhaltensänderung bei den Mitgliedern der Gruppe gezielt herbeiführen will und seine Kommunikation entsprechend anpasst.
Weibchen rekrutieren Männchen zur Verteidigung
Seit 15 Jahren erforscht Stephan die Kommunikation innerhalb von Primatengruppen auf dem afrikanischen Kontinent – zunächst in Sierra Leone und der Elfenbeinküste, später in der Republik Kongo. Hier, im Nouabalé-Ndoki Nationalpark im Nordwesten des Landes, hat sie eine erstaunliche Entdeckung gemacht: Weibliche Weißnasenmeerkatzen setzen ihre Alarmrufe strategisch ein, um das Verhalten des einzigen ausgewachsenen Männchens ihrer Gruppe zu manipulieren und es zur Verteidigung gegen Raubfeinde zu rekrutieren. „Weißnasenmeerkatzen leben in Gruppen von etwa 5 bis 25 Tieren überwiegend auf Bäumen“, erzählt die Biologin. „Das Männchen hält sich zumeist am Rand der Gruppe auf und beteiligt sich kaum an sozialen Interaktionen“. Zu den Aufgaben des Männchens zählt – neben der Zeugung von Nachkommen – vor allem die Abwehr von Raubtieren. Dafür stößt es zum einen Alarmrufe aus, zum anderen macht es Drohgebärden, um den Angreifer zu vertreiben.
Unterstützt von Mitarbeitenden des Nationalparks und der Wildlife Conservation Society hat Claudia Stephan in 13 freilebenden Gruppen untersucht, wie sich Meerkatzenweibchen verhalten, wenn sie einen Angreifer – im konkreten Fall ein mit einem Leopardenfell verkleideter Forscher – entdecken und ihr Männchen zugleich weit vom Geschehen entfernt ist. „Um eine intentionale Rekrutierung des Männchens zur Gruppenverteidigung durch Weibchen zu beweisen, haben wir den Weibchen nach der Präsentation des Leoparden männliche Alarmrufe vom Tonband vorgespielt“, erklärt Stephan. „Wir wollten damit zeigen, dass Weibchen unmittelbar auf männlichen Schutz und nicht nur auf Rufe reagieren.“ Meerkatzenweibchen verfügen nur über einen allgemeinen Alarmruf, der einem Zwitschern ähnelt. Die Forschenden konnten beobachten, dass dieses Zwitschern solange andauert, bis das Männchen das typische Abschreckungsverhalten zeigt, erst danach zogen die Weibchen sich mit ihrem Nachwuchs in sichere Bereiche zurück. Von männlichen Alarmrufen allein blieben sie interessanterweise unbeeindruckt.
Kommunikation an Zielerreichung geknüpft
Nach Ansicht der Forscherin zeigen Meerkatzenweibchen damit eine Art intentionaler Kommunikation, weil sie Dauer und Intensität ihrer Alarmrufe an eine Zielerreichung knüpfen: die Gruppenverteidigung durch das Männchen. Stephan: „Diese Kontrolle der Zielerreichung, verbunden mit der Anpassung des eigenen Verhaltens, ist im Tierreich bislang nicht beobachtet worden.“ Obwohl die Männchen über ein größeres Repertoire an Lautäußerungen verfügen, beispielsweise über spezielle Alarmrufe für verschiedene Situationen, scheinen Weibchen mit nur einem Ruftyp dennoch komplexere kognitive Fähigkeiten zu nutzen.
Weitere Untersuchungen sollen zeigen, welche evolutionären Wege zu der differenzierten Lautkommunikation von Männchen und Weibchen geführt haben. So vermutet die Evolutionsbiologin, dass männliche Kommunikation zusätzlich unter sexuellem Selektionsdruck steht. Ob im Falle der Weißnasenmeerkatzen der gute Ruf eines Männchens als effektiver Beschützer auch langfristig zu mehr Nachkommen führt, weil er von den Weibchen bevorzugt wird, ist Gegenstand zukünftiger Forschung.
Weitere Informationen
Dr. Claudia Stephan
Telefon: 09131 85-28072
claudia.stephan@fau.de