Auswirkungen der Corona-Pandemie auf Menschen mit Migrations- oder Fluchtgeschichte
Fokus auf Integrationsarbeit in den Kommunen
Die Auswirkungen der Corona-Pandemie haben Menschen mit Migrations- oder Fluchtgeschichte besonders stark getroffen. Das zeigt eine neue Studie des Forschungsbereichs Flucht, Migration und Integration (MFI) der FAU und der Robert Bosch Stiftung GmbH, die am 9. November in Berlin vorgestellt wird (zum Video). Im Fokus des Forschungsprojekts „Brennglas Corona“ steht die Integrationsarbeit, die seit Beginn der Pandemie in den Kommunen geleistet wurde: in kommunalen Integrationsmanagements, Jobcentern und Integrationsbeiräten, in den Beratungseinrichtungen der Wohlfahrtsverbände oder durch ehrenamtliche Helferinnen und Helfer.
„Die Covid-19-Pandemie hatte gravierende Auswirkungen auf die lokale Integrationsarbeit. Unsere Studie zeigt, dass der Bedarf an Integrations- und Unterstützungsangeboten für Menschen mit einer Migrations- oder Fluchtgeschichte während der Pandemie stieg, während die Angebotsstruktur an vielen Stellen fatalerweise einbrach“, sagt Prof. Dr. Petra Bendel, die den Forschungsbereich Migration, Flucht und Integration an der FAU leitet und dem Sachverständigenrat für Integration und Migration (SVR) vorsitzt.
Auswirkungen der Pandemie betreffen alle wichtigen Bereiche kommunaler Integrationspolitik
Für die explorative Studie hat Bendel gemeinsam mit der Politik- und Rechtswissenschaftlerin Sonja Reinhold die Erfahrungen zahlreicher kommunaler Akteure ausgewertet und auf dieser Basis konkrete Handlungsempfehlungen für die Politik entwickelt. „Die Auswirkungen der Pandemie betreffen alle wichtigen Bereiche kommunaler Integrationspolitik, etwa das Wohnen, den Zugang zum Arbeitsmarkt und die Möglichkeit, mit Behörden in Kontakt zu treten“, erklärt Reinhold.
So zeigt die Studie unter anderem, dass Behörden und Ämter für Menschen mit Migrations- oder Fluchtgeschichte aufgrund der bestehenden Kontaktbeschränkungen kaum noch erreichbar waren. Finanzielle Hilfen, die die Existenzsicherung garantieren sollten, wurden nicht oder mit starken Verzögerungen ausgezahlt, beispielsweise weil Unterlagen nicht bei den Jobcentern eingereicht werden konnten oder ein persönliches Vorsprechen beim Standesamt nicht möglich war.
Gemeinschaftsunterkünfte besonders stark benachteiligt
Besonders stark benachteiligt waren laut der Untersuchung schutzbedürftige Personen wie Frauen, Kinder und Kranke sowie Bewohnerinnen und Bewohner von Gemeinschaftsunterkünften. Neben der sozialen Isolation und den erhöhten gesundheitlichen Risiken in den Einrichtungen sei auch die gesellschaftliche Teilhabe der Geflüchteten deutlich eingeschränkt gewesen, beispielsweise bei Impfangeboten oder dem Zugang zum Internet und den dort verfügbaren digitalen Bildungsangeboten.
Mehr Ressourcen und eine Flexibilisierung der Verwaltung
Zu den drängendsten Empfehlungen der Wissenschaftlerinnen gehören die Flexibilisierung der Verwaltung und der rasche Ausbau der digitalen Verwaltungs- und Bildungsinfrastruktur. Im Zentrum steht aber die Forderung nach verlässlichen und nachhaltigen Strukturen für die Integrationsarbeit vor Ort. Dazu gehöre auch die Zusage von Bund und Ländern, die Kommunen finanziell zu unterstützen und klare Handlungsspielräume zu garantieren.
„Die Handlungsempfehlungen der Studie reichen weit über die Bewältigung der noch andauernden pandemischen Lage hinaus. Wir hoffen daher sehr, dass sie von der Politik angenommen werden“, sagt Markus Lux, Bereichsleiter für die Themen Demokratie und Einwanderungsgesellschaft im Fördergebiet Globale Fragen der Robert Bosch Stiftung. „Die kommunale Integrationsarbeit wird auch künftig durch Krisen herausgefordert werden. Das sehen wir aktuell angesichts der hohen Zahl an Geflüchteten aus der Ukraine und den steigenden Gas- und Energiepreisen.“
Hintergrund zur Studie „Brennglas Corona – Lokale Integrationsarbeit in Zeiten einer globalen Pandemie“
Die Erhebung zur Studie wurde von Anfang März bis Ende Mai 2022 in sieben Kommunen durchgeführt. Insgesamt wurden rund 30 teilstrukturierte Interviews mit den für Integration und Teilhabe zuständigen Stellen aus Politik, Verwaltung, Wirtschaft und Zivilgesellschaft geführt. Die teilnehmenden Kommunen wurden nach wissenschaftlichen Kriterien aus insgesamt 23 Bewerbungen ausgewählt. Ziel war ein möglichst heterogenes Set an Kommunen.