Zeitzeugengespräche im Studium: Eine seltene Gelegenheit
FAU-Studentin Hannah Trapp trifft NS-Zeitzeugin
Was haben die Menschen mitbekommen, die während der NS-Zeit in der Nähe eines KZ-Außenlagers wohnten? Solche Fragen kann ein Gespräch mit Zeitzeuginnen und Zeitzeugen beantworten. Hannah Trapp, Lehramts-Studentin an der FAU, hatte dazu bei einer Tagung die Gelegenheit.
Hannah Trapp studiert im siebten Semester Mittelschullehramt. Gerade hat sie ein Seminar zur Oral History besucht – das ist die wissenschaftliche Methode des Zeitzeugengesprächs. Spannender Teil des Seminars: Sie moderierte selbst ein Gespräch mit einer Zeitzeugin. Ihre Interviewpartnerin, Irmingard Philipow, hat während ihrer Kindheit in der NS-Zeit in Hersbruck gelebt, wo es ein Außenlager des KZ Flossenbürg gab.
Im Interview beschreibt die Studentin, was sie dabei gelernt hat und was das interessante an Oral History ist.
Frau Trapp, was können Sie über die Zeitzeugin Irmingard Philipow erzählen?
Frau Philipow wurde 1936 geboren und ist heute über 85 Jahre alt. Sie stammt aus Hersbruck. Es gibt nicht mehr viele Zeitzeuginnen und Zeitzeugen, die etwas über die Zeit berichten können, in der es das KZ-Außenlager in Hersbruck gab. Sie hat aber noch einige sehr klare Erinnerungen, zum Beispiel an die Häftlingszüge durch die Stadt. Frau Philipow hat es sich zu einer späten Lebensaufgabe gemacht, von den Schrecken des NS-Terrors zu berichten und für eine demokratische Zukunft einzutreten.
Was konnte sie auf der Tagung berichten?
Frau Phillipow beschrieb ihre eigene Biografie, berichtete von traumatisierenden Ereignissen, etwa als ein Aufseher des KZ-Außenlagers ihre Mutter mit einer Waffe bedrohte. Und sie erzählte vom Alltag ihrer Familie während des Krieges. Außerdem beschrieb sie, wie sie nach ihrer Rente begann, sich mit dem Thema intensiv auseinanderzusetzen.
Hatten Sie schon vor der Tagung die Möglichkeit ein Zeitzeugengespräch zu führen?
Im letzten Sommersemester habe ich ein Seminar zu Oral History bei Leonard Stöcklein, der Dozent am Lehrstuhl für Didaktik der Geschichte ist, besucht. Dort habe ich ihm oder meinen Kommilitoninnen und Kommilitonen bei Zeitzeugengesprächen zugehört und mich mit eigenen Fragen beteiligt. Am Ende des Semesters führte ich außerdem ein Interview zum Thema „Kindheit und Jugend in der DDR“ mit einer Bekannten, die in der DDR aufgewachsen ist.
Die Zeitzeugin war ja in der NS-Zeit ein Kind, wie verlässlich sind denn Zeitzeugen-Erinnerungen von Kindern?
Wenn man diese Frage stellt, sollte man vor allem bedenken, dass die Zeit des Nationalsozialismus inzwischen fast achtzig Jahre zurückliegt. Das stellt die Geschichtsdidaktik vor ein großes Problem: Das Ende der Zeitzeugenschaft. Es gibt immer weniger Menschen, die Erinnerungen an diese Zeit haben und davon erzählen können und möchten. Zeitzeuginnen und Zeitzeugen, die damals erwachsen waren, sind kaum noch zu finden.
Frau Philipow berichtet sehr detailliert und ausführlich und erreicht damit die Zuhörenden sehr gut. Natürlich muss man immer problematisieren, ob eine bestimmte Aussage als sicher gelten kann. Menschen sind grundsätzlich nie objektiv. Das ist aber eine Facette der Oral History, die sie besonders spannend macht.
Was haben Sie persönlich durch das Gespräch mit Frau Philipow gelernt?
Das Gespräch zeigte mir wieder einmal sehr deutlich, dass es in unserer Gesellschaft viele Brennpunkte gibt, an denen wir anpacken müssen. Rechte Denkmuster werden überall auf der Welt präsenter. Als Lehrkräfte der Zukunft sehe ich meine Kommilitoninnen und Kommilitonen und mich ganz besonders in der Pflicht uns mit diesem Thema auseinanderzusetzen, Position zu beziehen und uns einzusetzen für eine bessere Zukunft. Frau Philipows Mahnung den Anfängen zu wehren, hat dies in meinem Bewusstsein noch einmal verstärkt. Außerdem war es natürlich eine gute Übung für meine Moderationstechniken und Sensibilität bei solchen Gesprächen.
Sind solche Tagungen und Zeitzeugengespräche üblich in Ihrem Studium?
Natürlich gibt es Dozentinnen und Dozenten und Lehrstühle, die öfter solche praktischen Arbeiten ermöglichen, so wie es etwa im Seminar Oral History der Fall war. Aber normal ist das leider nicht. Ich würde mir sehr wünschen, dass sich die Uni im Lehramtsstudium stärker nach außen öffnet und mehr Kontakt und Zusammenarbeit möglich wäre – vor allem mit Schulen.
Dinge erleben, statt im Seminarraum zu sitzen, motiviert mich viel stärker zur Eigenaktivität. Damit wächst auch die Bereitschaft, Projekte im Berufsleben mit den Schülerinnen und Schülern umzusetzen und ihnen damit bessere Lerngelegenheiten zu ermöglichen.