Warum Schwimmen und Jura Freiheit bedeuten
Er schwimmt von einer Medaille zur nächsten und studiert seit dem Sommersemester Jura an der FAU: Josia Topf.
Der Spitzensportler kam mit dem TAR-Syndrom zur Welt. Wie er trotzdem zum Schwimmen kam, was ihm die Paralympics bedeuten und warum er Anwalt werden will, erzählt Josia Topf im Interview.
Herr Topf, die Liste Ihrer sportlichen Erfolge ist lang: Gerade erst der Weltrekord über 50 Meter Schmetterling in Berlin, kurz davor die Silber- und Bronzemedaille bei der Weltmeisterschaft in Funchal, und sehr gute Plätze bei den Paralympics in Tokio im Jahr 2020. Sind Sie im Wasser geboren?
Nein, das nicht. Aber wenn ich schwimme, bin ich frei! Schwimmen bedeutet für mich Freiheit, weil ich im Wasser viele Sachen machen kann, die an Land nicht gehen: Ich kann mich frei bewegen, Saltos machen, tauchen. Es gibt keine Grenzen, deshalb liebe ich das Wasser so.
Dann ist Wasser eindeutig Ihr Element. Wie haben Sie das Schwimmen für sich entdeckt?
Durch meine Eltern. Als ich sechs Jahre alt war, wollte mein Papa unbedingt, dass ich schwimmen lerne. Er sagte: „Jedes Kind muss schwimmen lernen, egal ob behindert oder nicht.“ Also hat er mir im Familienurlaub auf Mallorca das Schwimmen beigebracht.
Dann haben Ihre Eltern Sie im Schwimmverein angemeldet. Wie kam es dazu?
Als ich in die Grundschule kam, waren fast alle in einem Sportverein. Sie haben Fußball oder Tennis gespielt, gingen zu Turnieren und lernten neue Freunde kennen. Das wollte ich auch. Aber für mich kam nur ein kontaktarmer Sport in Frage, bei dem das Verletzungsrisiko so gering wie möglichst ist. Denn ich hatte auch in der Grundschule schon viele Operationen hinter mir. Also habe ich meine Eltern bequatscht, dass sie mich zum Schwimmen anmelden. Meine Mama hat ins Telefonbuch geschaut und beim ersten Schwimmverein angerufen, den sie gefunden hat. Das war der Erlanger SSG81 und da bin ich noch heute.
Was gibt Ihnen der Schwimmverein?
Der Verein ist mein zweites Zuhause. Der SSG81 war von Anfang an offen und hat mich behandelt wie jedes andere Kind auch. Die haben nicht versucht, mich irgendwie besonders zu behandeln und zu integrieren. Mussten sie auch nicht. Ich habe mit den anderen Kindern trainiert und mich hochgearbeitet in die Mannschaften. Und irgendwann haben wir dann erkannt, dass ich Talent habe. Und dann hat sich Christian Thiel vom SSG81 eingeschaltet und mich trainiert. Zusammen haben wir alles Mögliche ausprobiert und an meiner Technik gefeilt.
Offenbar mit großem Erfolg, immerhin waren Sie bei den Paralympics! Seit wann nehmen Sie denn an Wettkämpfen teil?
Seit 2014 nehme ich an größeren Wettkämpfen teil und habe schnell festgestellt, dass ich eine „echte Wettkampfsau“ bin. Ich liebe es, mich mit anderen zu messen und über meine Grenzen zu
gehen. Der Moment vor dem Start mit den ganzen Adrenalinschüben ist unbeschreiblich cool und ich laufe zur Höchstform auf. So kam ich dann auch in den Perspektivkader der Nationalmannschaft des Deutschen Behindertensportverbands und zu den Paralympics, dem bisherigen Höhepunkt meiner Karriere.
Sie trainieren jeden Tag mehrere Stunden – und haben im Sommersemester begonnen, Jura zu studieren. Warum?
Aus verschiedenen Gründen. Zum einen war mein Uropa Jurist und meine Oma hat mir immer von ihm erzählt. Zum anderen habe ich etwas gebraucht, was mich intellektuell fordert. Da ist Jura
genau richtig, denn es hat viel mit Sprache und Denken zu tun. Und natürlich spielt auch meine körperliche Einschränkung eine Rolle. Wer behindert ist, stößt im Alltag auf viel Hürden. Im Restaurant fehlt die Toilette für Behinderte, auf dem Behindertenparkplatz steht ein Falschparker, im Theater gibt es keinen rollstuhlgerechten Eingang et cetera. Das habe ich alles selbst schon erlebt und will mich als Anwalt für bessere Rahmenbedingungen stark machen. Denn die bedeuten mehr Selbstbestimmung und damit auch Freiheit.
Wie bekommen Sie das Studium und den Spitzensport unter einen Hut?
Zunächst einmal wurde ich super an der Uni aufgenommen und meine Behinderung spielt überhaupt keine Rolle. Das genieße ich sehr. Durchgetaktet bin ich natürlich trotzdem, aber genau das tut mir extrem gut. Ich brauche es einfach, ständig ausgelastet zu sein. Dienstags gehe ich zum Beispiel morgens um halb sieben ins Becken und trainiere eineinhalb Stunden, um 10 Uhr habe ich meine propädeutische Übung, danach fahre ich ins Fitnessstudio, dann nach Hause zum Essen, nachmittags ist um 14 Uhr eine Vorlesung und um 16.30 gehe ich wieder zum Schwimmtraining.
Was wollen Sie sportlich noch erreichen?
Eine Goldmedaille bei den Paralympischen Spielen ist natürlich der heilige Gral für jeden Sportler. Das ist auch mein großes Ziel. Ob das bei den Sommerspielen in Paris in zwei Jahren schon klappt, werden wir sehen.
Wir drücken die Daumen!
von Elke Zapf
In der aktuellen Ausgabe finden Sie Beiträge zu folgenden Themen: Wie Wissenschaft und Diplomatie zusammenspielen können, welche Wege mit der Wasserstofftechnologie LOHC gegangen werden sollen, einen Einblick in die abenteuerliche Donaufahrt der FAU-Römerboote, ein Interview mit dem Paralympicsathleten und Jura-Studenten Josia Topf sowie ein Porträt mit dem neuen Humboldt-Professoren Vincent C. Müller.
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