Achse der Wissenschaft: „Hier wird es prickeln“
Bürgerinnen und Bürger spazieren mit OB, Uni-Präsident und Uni-Kanzler durch die künftige Lebensader der Stadt Erlangen entlang der Sieboldstraße
Eins gleich vorweg. Wer Ende dieses Jahrzehnts vom Kollegienhaus der FAU die Fahrstraße und die Sieboldstraße entlang in Richtung Himbeerpalast läuft, der wird die Erlanger Innenstadt kaum wiedererkennen. Denn entlang dieser Strecke, gemäß ihrer zukünftigen Hauptnutzung „Achse der Wissenschaft“ getauft, entsteht in den kommenden Jahren ein neuer Stadtteil. Wieso, warum, wie und wann – darüber konnten sich Bürgerinnen und Bürger am 7. September bei einem Stadtspaziergang mit Oberbürgermeister Florian Janik, FAU-Präsident Joachim Hornegger und FAU-Kanzler Christian Zens informieren. Eine Möglichkeit, die rund 50 Erlangerinnen und Erlanger genutzt haben. Treffpunkt war der Himbeerpalast: Einst Siemens-Stammhaus, wird er sich bis spätestens Ende des Jahrzehnts zum Zentrum der Geistes- und Sozialwissenschaften der FAU mausern – mit modernster Lehr-Lern-Infrastruktur und dem, was man heute „höchste Aufenthaltsqualität“ nennt.
Der Entwurf des renommierten Leipziger Architekturbüros Schulz und Schulz ist zukunftsweisend: eine ästhetische Glasfront zum Innenhof, die optisch an ein Bücherregal erinnert, beherbergt eine neue gemeinsame geistes- und sozialwissenschaftliche Zweigbibliothek anstelle der derzeitigen Seminarbibliotheken. Studierende lernen und chillen im grünen Innenhof und lunchen in der vegan-vegetarischen Mensateria. Innovation, Vielfalt und Leidenschaft – die Werte der FAU – müssen sich natürlich auch in Bauten und Infrastruktur widerspiegeln, findet FAU-Präsident Hornegger. Dabei versteht sich die Universität immer auch als Teil der Stadt und der Stadtgesellschaft und will mit dem Himbeerpalast noch stärker zum Ort des Austauschs und Dialogs werden, offen für Studierende, Lehrende, Bürgerinnen und Bürger – kurz: alle, die Wissen suchen. „Die Achse der Wissenschaft wird das Bild der Stadt nachhaltig verändern“, so Hornegger. „Wir wollen ‚Wissen bewegen‘ – so lautet ja unser Motto, und das gilt keineswegs nur innerhalb der FAU-Mauern.“
Büro- und Seminarräume für die Philosophische Fakultät und Fachbereich Theologie, das Sprachenzentrum, die Studienberatung und vieles mehr will der Kanzler im neuen Zentrum unterbringen – rund 1.000 Mitarbeitende und 8.000 Studierende werden täglich dort ein- und ausgehen. Wie das neue Zentrum heißen wird? „Ganz sicher wird oben an der Fassade nicht ‚geisteswissenschaftliches Zentrum‘ stehen“, lacht Zens. „Vermutlich bleibt es für alle Welt einfach der Himbeerpalast.“ Aber mit ganz viel FAU-Flair und neuen Lern- und Arbeitswelten, die alle Vorteile von Präsenz und Digitalität vereinen. Für die FAU wird es das Jahrzehnt des Wandels, davon ist Zens überzeugt.
Wichtig für FAU-Angehörige sowie Erlangerinnen und Erlanger im Kontext der Achse der Wissenschaft: Mobilität – hier vor allem Anbindung an die Infrastruktur des Öffentlichen Nahverkehrs. Mandy Guttzeit und Corinna Gräßel als Vertreterinnen des Zweckverbands Stadt-Umland-Bahn skizzierten daher die Details zu den Planungen der StUB. Die geplante Trassenführung entlang der Sieboldstraße, mit Haltestellen auf Höhe des Himbeerpalasts und am Langemarckplatz, sorgt für eine optimale Anbindung der Achse an den ÖPNV – nicht nur innerhalb Erlangens, sondern auch an dan geplanten Neubau für die Lehrkräftebildung im Nürnberger Norden. „Und nein, wir müssen dafür in Erlangen keine bestehenden Häuser abreißen“, nahm Gräßel Bezug auf die Frage eines Bürgers in der Runde.
Bei sommerlichen Temperaturen und im schönsten Abendlicht spazierten die Teilnehmenden weiter entlang der Sieboldstraße, wo ihnen Matthias Heinlein (Heinlein Bau und Raum GmbH) und Jobst Dentler (GS Schenk) die Dimensionen des neu geplanten „Quartiers Sieboldstraße“ erklärten – einem Wohn- und Gewerbekomplex mit 88 bezahlbaren Mietwohnungen, 277 geförderten Studierendenappartements, 84 geförderten Mietwohnungen, Gewerbeflächen im Erdgeschoss und einer Tiefgarage. Heute noch eine riesige Baustelle – 2025 schon „Urbanes Wohnen für Generationen“, wenn es nach Heinlein und Dentler geht. Infrastruktur, die nicht nur Studierenden und Lehrenden, sondern natürlich auch Bürgerinnen und Bürgern zugutekommt.
Die Pläne zu Umbau und Renovierung des Pacelli-Hauses stellte das Erlanger Architekten-Duo Annemarie Bosch und Hartmut Schmidt (Bosch Schmidt freie Architekten BDA und Stadtplaner PartmbB) vor. Eine Herausforderung sei es, dieses alte Gebäude zu verwandeln und ihm ein neues Gesicht zu geben, meinte Bosch – aber schon 2024 soll das Pacelli-Haus als Bildungseinrichtung der Katholischen Hochschulgemeinde in neuem Glanz erstrahlen – offen für alle kulturellen Aktivitäten, auch alle Religionsgemeinschaften und Kultureinrichtungen.
Ein Highlight des Spaziergangs: der Stopp am Studentenhaus am Langemarckplatz. Dort lud Studentenwerk-Chef Mathias M. Meyer alle Mitspazierenden zu einem kleinen Imbiss ein – und erzählte von den Plänen, im Mensa-Garten zusätzlich zum herrlichen Biergartenbetrieb eine moderne Kinderkrippe unterzubringen.
Direkt ums Eck: Die alte organische Chemie der FAU, die bald einem modernen Hörsaalzentrum weichen wird. Eine wundervolle Nachricht nicht nur für Studierende und Lehrende, sondern gerade auch für Erlangerinnen und Erlanger: Der Neubau in der Henkestraße sei „so viel mehr als ein Hörsaalzentrum“, schwärmt FAU-Kanzler Zens. Vielmehr entstehe dort ein Ort auch und gerade für Wissenschaftskommunikation, für den Dialog, für die Vermittlung von wissenschaftlichen Inhalten für Studierende UND Laien. Was dort Gestalt annehmen wird, macht die Henkestraße tatsächlich zu einem Attraktionspunkt: ein Audimax mit rund 900 Plätzen, ein Multifunktionssaal bzw. Konzertsaal, große und kleine Hörsäle sowie ein großes Foyer als Ausstellungs- und Veranstaltungsfläche und als Aufenthaltsbereich mit Lerninseln. Und: eine neue Heimat für die populäre Antikensammlung der FAU, die dann wieder deutlich besser für die Öffentlichkeit zugänglich sein wird – und für das Experimentiertheater der FAU, eine wichtige öffentliche Bühne in der Stadt und Ort vieler Events. Kurzum: Neben dem Lehr- und Lernbetrieb wird das neue Hörsaalzentrum eine der größten Veranstaltungslocations der Stadt werden. Der Architektenwettbewerb ist noch nicht final entschieden – aber kurz davor, wie Bernhard Mayer vom Staatlichen Bauamt Nürnberg berichtet.
Ebenfalls an der Achse der Wissenschaft gelegen: das Areal der ehemaligen Erlanger Traditionsbrauerei Kitzmann, im Moment im Umbruch. Doch auch hier wird geplant und gebaut, wie Schultheiss-Vorstandsmitglied Rüdiger Sickenberg betont. Architekt Roland Wagner von GP Wirth Architekten aus Nürnberg erklärt anhand von großen Schautafeln das Vorhaben – und wie sich alt und neu mit viel Respekt vor der zu erhaltenden Bausubstanz verquicken lassen. Natürlich mit Augenmerk darauf, wie auch der historische „Knick in der Stadtmauer“ kreativ in die Planungen einbezogen werden kann.
Endstation des Spaziergangs war schließlich der Bereich des sich aktuell in der Sanierung befindlichen Kultur- und Bildungscampus Frankenhof (KuBiC), der gemeinsam mit der Sponselhalle und dem stadtbildprägenden Christian-Ernst-Gymnasium (CEG) einen neuen, eigenständigen Baustein an der Achse bilden soll. Hierzu wird im kommenden Jahr ein Wettbewerb ausgelobt mit dem Ziel, die Flächen neu zu ordnen und neue Nutzungen zu ergänzen. So soll beispielsweise an der Fahrstraße eine neue Sporthalle sowie attraktive Freiräume für Sport- und Bewegung für das CEG entstehen. Auch ist eine öffentliche Tiefgarage geplant. „Das Quartier wird architektonisch und stadträumlich weiter zusammenwachsen“ erläutert Tilmann Lohse, Leiter des Amtes für Stadtplanung und Mobilität. Auch CEG-Schulleiter Kellner begrüßt die geplanten Veränderungen im Umfeld seiner Schule und verweist auf die Synergien der künftigen Nutzungen.
Zum Abschluss bekräftigen FAU-Präsident Hornegger und OB Janik noch einmal ihre Vision für die Erlanger Innenstadt – ein Ort, an dem sich das Leben abspielt. „Andere Städte kämpfen damit, dass ihre Innenstädte verwaisen. Aber hier in Erlangen, gerade auch entlang der Achse der Wissenschaft, wird etwas los sein. Hier wird es prickeln.“