Über Mineralien forschen am schönsten Ort der FAU
Wir präsentieren in einer Folge von 22 Beiträgen ein Panorama an FAU-Wissenschaftlerinnen verschiedener Qualifikationsstufen und akademischer Positionen, von der Studentin bis zur W3-Professorin. Als Role Models motivieren die Forscherinnen aus dem MINT-Bereich durch ihre individuellen Werdegänge Nachwuchswissenschaftlerinnen für eine akademische Laufbahn, denn sie geben interessante Einblicke in ihren beruflichen Werdegang. Dabei lernen wir die MINT-Expertinnen auch von ihrer privaten Seite kennen.
Doktorandin Irina Kirchberger: „Über Mineralien forschen am schönsten Ort der FAU”
Irina Kirchberger hat wahrscheinlich einen der schönsten Arbeitsplätze an der FAU – direkt im Schlossgarten. Hier befindet sich das GeoZentrum Nordbayern. Nach ihrem Studium der Geowissenschaften – mit einem Frauenanteil von etwa 50 Prozent – erforscht die Doktorandin nun am Lehrstuhl Mineralogie verschiedene Zement-Arten. Das ist wichtig für Baumaterialien und Gebäude. Ob die aus Neumarkt in der Oberpfalz stammende Ingenieurin (Master of Science) einmal in der Bauindustrie oder weiter in der Wissenschaft arbeiten will, entscheidet sie erst nach der Promotion. Eines steht jedoch fest: Die Forschung liegt ihr am Herzen.
Von den Vulkanen zum MINT-Studium
„Schon als Kind habe ich im Fernsehen viele Dokumentationen über Natur- und Wetterphänomene angeschaut und Bücher darüber gelesen. Ab der 8. Klasse interessierte ich mich dann vor allem für Vulkane. Obwohl ich in der 11. Klasse an der Fachoberschule den sozialen Zweig gewählt hatte, wollte ich unbedingt Geowissenschaften – Vulkanologie ist ein Teil davon – studieren, um mehr über die Natur und ihre zusammenhängenden Prozesse zu erfahren. Doch nach drei Semestern habe ich gemerkt, dass mich die Mineralogie noch mehr interessiert als die Petrologie, also die Steinkunde. Daher bin ich umgestiegen und habe meinen Bachelor und Master of Science im Bereich Mineralogie gemacht.“
Mein Studienalltag? Exkursionen!
„Der Studienalltag besteht bei den Geowissenschaften unter anderem aus vielen Exkursionen. Man fährt gemeinsam ins Gelände und begutachtet Gesteinsaufschlüsse. Das sind Stellen an der Erdoberfläche, an denen Gestein unverhüllt zu Tage tritt. Im Gelände übt man auch Gesteinsansprachen. Das heißt, es wird genau beobachtet und mit allen Sinnen wahrgenommen, wie das Gestein aussieht, sich anfasst und riecht. Ziel ist es, dies in einem Feldbuch zu notieren als Hilfsmittel für das spätere Verfassen des Exkursionsberichts. Auch ziehen wir Schlüsse über die Entstehungsprozesse des Gesteins und finden hin und wieder Fossilien. Geowissenschaften bedeutet aber auch Laborarbeit. Die ist in all unseren Vertiefungsrichtungen ein Kernpunkt. Durch Experimente oder genauere Untersuchungen von im Gelände gesammelten oder im Labor hergestellten Materialien müssen zum Beispiel Theorien bewiesen werden.“
Forschung, die dem Hausbau nutzt
„Da ich mich für die Vertiefung Angewandte Mineralogie und dort im Speziellen für die Bauchemie entschieden habe, forsche ich nun im Rahmen meiner Promotion an Zementen. Diese findet man im klassischen Gesteinsaufschluss natürlich nicht, sodass bei mir Exkursionen nicht mehr auf der Tagesordnung stehen. Ich bewege mich vielmehr im Labor und rühre kleine Zementproben an. Meistens sind es nur wenige Gramm. Dabei versuche ich nachzuvollziehen, welche Phasen entstehen, wenn der Zement hart wird und wie man diese beeinflussen kann. Zement ist ein wichtiger Baustoff für die Industrie, wird aber auch als Fugenmörtel am Bau oder als Fliesenkleber benutzt. Zusätzlich zu meinen praktischen Experimenten werte ich die gesammelten Daten aus und interpretiere sie, um daraus Publikationen zu schreiben. Die wiederum sind dann Teil meiner Dissertation. Seit Beginn meiner Promotion habe ich auch eine Hilfskraft, die mich bei Laborarbeiten sehr gut unterstützt. Außerdem halte ich als Doktorandin auch Lehrveranstaltungen ab.“
Mein Engagement an der FAU:
„Während des Studiums war ich aktiv in der Fachschaftsinitiative (FSI) Geowissenschaften engagiert. In der Fachschaftsvertretung fungierte ich als stellvertretende Fachschaftssprecherin. Auch war ich Studierendenvertreterin im Fakultätsrat der Naturwissenschaftlichen Fakultät. Außerdem habe ich am Jugend-und-Technik-Praktikum der FAU mitgewirkt: Das bietet Schülerinnen und Schülern von der 8. bis 12. Jahrgangsstufe einen mehrtägigen Einblick in die vielfältigen Berufe in den Bereichen Technik und Physik. Und beim jährlich stattfindenden Girls’Day habe ich mit den Mädchen Versuche durchgeführt.“
Was ich an der FAU zu schätzen weiß:
„Die Kollegialität bei uns fand ich schon im Studium absolut überragend. Die FSI organisiert für die neuen Studierenden ein Wochenende im Nördlinger Ries mit höheren Semestern, die einem zum ersten Mal zeigen, was es bedeutet, Geolog/-in zu sein. Da wird sich wirklich viel Mühe gegeben, die Gruppe zusammenzubringen! Außerdem gibt es noch die Barbarafeier, die für das gesamte GeoZentrum, ebenfalls von der FSI, traditionell im Erlanger E-Werk ausgerichtet wird. Hier feiern dann Dozierende, Studierende und Alumni gemeinsam den Tag der heiligen Barbara, also der Schutzpatronin der Geologie. Die Geselligkeit, die dieser Studiengang hier an der FAU mit sich bringt, spiegelt sich so auch eins zu eins in meiner jetzigen Arbeitsgruppe Angewandte Mineralogie wider. Die meisten Personen, mit denen man zusammenarbeitet, sind zu Freundinnen und Freunden geworden.“
Bloß nicht unterkriegen lassen!
„Schon vor dem Studium musste ich mich für meinen Studienwunsch stark rechtfertigen: ,Wieso will eine, die auf einem sprachlichen Gymnasium war, dann in den Französisch-Zweig der Realschule gewechselt ist, um dann einen sozialen Abschluss an der Fachoberschule (FOS) zu machen, etwas Naturwissenschaftliches studieren?‘, wurde da gefragt. Es gab Menschen in meinem Umfeld, die ihre Bedenken geäußert und mir davon abgeraten haben. So sagte mir ein Berufsberater, mit meiner Vorbildung würde ich das Geowissenschaftenstudium sowieso nicht schaffen. Doch ich habe mich davon auf gar keinen Fall unterkriegen lassen! Die größte Hürde während des Studiums selbst war für mich eigentlich die Matheklausur, weil ich panische Angst davor hatte und früher der Meinung war, dass ich keine komplexere Mathematik nachvollziehen kann. Auch musste ich immer daran denken, dass ich ja tatsächlich keinerlei tiefere naturwissenschaftliche Ausbildung hatte. Doch ich habe die Klausur geschafft!“
Berufliche Pläne? Industrie oder Wissenschaft
„Da mir das Forschen extrem viel Freude bereitet, möchte ich das gerne auch beruflich weiter ausüben. Ob in der Industrie, also bei einer Firma für bauchemische Produkte, oder in der Wissenschaft, kann ich jetzt noch nicht sagen. Prinzipiell bin ich für beide Richtungen offen. Erst einmal bin ich bis voraussichtlich 2024 noch mit meiner Promotion beschäftigt.“
Mein Tipp für künftige MINT-Frauen:
„Den Schülerinnen kann ich nur sagen: Unterschätzt euch nicht – auch wenn ihr vielleicht über einen sozialen Zweig der Fachoberschule kommt oder keine naturwissenschaftlichen Leistungskurse belegt hattet. Wenn ihr für eine Sache brennt, werdet ihr die Hürden meistern. Mit genug Motivation könnt ihr einiges mehr erreichen als ihr vorher vielleicht gedacht habt! Frauen, die in einem MINT-Fach promovieren möchten, rate ich: Wenn die Leidenschaft für ein Fach so groß ist, dass ihr euch gerne noch weitere Jahre damit beschäftigen wollt, dann go for it!“
Dieser Artikel ist Teil der Broschüre „The Sky is the Limit“
Facettenreich, inspirierend und innovativ werden in der Broschüre „The Sky is the Limit“ MINT-Wissenschaftlerinnen aus der Technischen und Naturwissenschaftlichen Fakultät der FAU in abwechslungsreichen Interviews vorgestellt.
Weitere veröffentlichte Interviews können Sie online auf der Seite Research nachlesen.
Broschüre „The Sky is the Limit — MINT-Wissenschaftlerinnen an der FAU“ zum Download
Die Publikation entstand im Rahmen einer Kooperation zwischen dem GRK 2423 FRASCAL und dem Büro für Gender und Diversity. Die Interviews führte Dr. Susanne Stemmler.