Ausbildungspersonal kann seiner Schlüsselrolle immer weniger gerecht werden
Motiviert, aber ausgebremst: Mängel bei Ausbildung gefährden die Transformation
Ausbilderinnen und Ausbilder in den Betrieben: Sie haben eine Schlüsselrolle, um Betriebe erfolgreich durch die Transformation zu bringen und die Fachkräfte der Zukunft fit zu machen. Doch sie fühlen sich von den Unternehmen bei Ausstattung, Zukunftsgestaltung und Qualifizierung häufig ausgebremst. Die Betriebe drohen, das wertvolle Potenzial der dualen Berufsausbildung im Wandel zu verspielen. Davor warnt eine neue Studie der FAU für die IG Metall in Industrie und Handwerk.
Dr. Hans-Jürgen Urban, geschäftsführendes Vorstandsmitglied der IG Metall: „Das Ausbildungspersonal ist motiviert, wird aber von den Unternehmen ausgebremst. Viele Betriebe sehen die Ausbildung nur als Kostenfaktor. Damit aber fährt der wirtschaftliche, soziale und ökologische Wandel an die Wand.“ Nötig sei ein betriebswirtschaftlicher Perspektivwechsel: Nur wer in das Ausbildungspersonal und damit die Ausbildung junger Menschen investiere, mache Unternehmen fit für die Zukunft. „Gute Ausbildung ist der Ausgangspunkt für gute Arbeit“, sagte Urban.
Prof. Dr. Sabine Pfeiffer, Lehrstuhl für Soziologie mit dem Schwerpunkt Technik – Arbeit – Gesellschaft und Studienautorin der FAU: „Die Anforderungen steigen, die Bedingungen werden schlechter und die Mitsprache bei Zukunftsthemen fehlt: Darunter leiden Ausbildungsqualität, Auszubildende und die Attraktivität des Berufsbildungssystems – und letztlich die Innovationsfähigkeit der Wirtschaft.“
Belastung kostet Ausbildungsqualität
Persönliche Belastungen des Ausbildungspersonals verringern die Qualität der Ausbildung: Mehr als die Hälfte (54 Prozent) ist widersprüchlichen Anforderungen der Unternehmen mit Blick auf die Aufgabe als Ausbilderin bzw. Ausbilder und der gewöhnlichen Arbeit ausgesetzt. Das bedeutet für die überwiegende Mehrheit: Mehrarbeit und Überstunden (59 Prozent), Stress (70 Prozent) sowie eine höhere Arbeitsintensität (86 Prozent). Die gravierende Folge: Fast die Hälfte (45 Prozent) muss Abstriche bei der Qualität der Ausbildung machen.
Das Ausbildungspersonal erfährt von 96 Prozent der Auszubildenden Wertschätzung, vom Betrieb hingegen nur zu 70 Prozent. Während die Bezahlung von hauptamtlichen Ausbildenden tariflich geregelt ist, ist die zusätzliche Tätigkeit für 89 Prozent der ausbildenden Fachkräfte allerdings ehrenamtliches Engagement: Sie erhalten keine zusätzliche Vergütung, wenngleich sich 85 Prozent aller Ausbildenden für die Kolleginnen und Kollegen eine finanzielle Honorierung wünschen.
Kaum Infos und Mitsprache beim Wandel im Betrieb
Gleichzeitig sind Ausbilderinnen und Ausbilder bei wichtigen Entwicklungen außen vor, obwohl sie mit der Qualifizierung der zukünftigen Fachkräfte die Weichen für die Unternehmen stellen: Die Hälfte der Befragten wird von den Unternehmen im Unklaren gelassen, was betriebliche Veränderungsprozesse und Planungen angeht. Ebenfalls 49 Prozent der Ausbilderinnen und Ausbilder werden von den Betrieben bei Veränderungsprozessen nicht mit einbezogen. Dementsprechend beklagt die Hälfte des Ausbildungspersonals (50 Prozent), dass das Thema Ausbildung beim Management kein Gewicht hat.
74 Prozent der Befragten zufolge sind die Unternehmen finanziell gut ausgestattet für eine bessere digitale Ausbildung. Gleichzeitig sehen sie große Mängel in Ausstattung (35 Prozent), Personal (43 Prozent) und bei der Motivation der Betriebe für eine Digitalisierung der Ausbildung (32 Prozent).
Mehr als die Hälfte (57 Prozent) der Ausbilderinnen und Ausbilder sagt, dass sie maßgeblich zur digitalen Transformation in den Betrieben beitragen (können). Dennoch vernachlässigt es mehr als jeder dritte Betrieb (38 Prozent), die Kenntnis über neue Maschinen oder Produktionstechniken systematisch in die Ausbildung zu integrieren.
Zu wenig Ressourcen gefährden Ausbildung der Ausbilder/-innen
Die Weiterbildung der Ausbilderinnen und Ausbilder ist zentral, um sie für die anstehenden Herausforderungen zu qualifizieren. Die überwiegende Mehrheit der Unternehmen hat jedoch keine betrieblichen Regelungen zu regelmäßiger Weiterbildung des Ausbildungspersonals (67 Prozent), Kostenübernahmen (55 Prozent) oder Freistellungen (52 Prozent).
Ausbilderinnen und Ausbilder empfinden sich oft zu wenig vorbereitet für ihre Aufgabe: Allein im pädagogischen Bereich sehen 86 Prozent zunehmende Anforderungen. Ein Drittel (35 Prozent) fühlt sich pädagogisch heute unzureichend gerüstet.
Über die Studie
Bundesweit sind 643.000 Ausbilderinnen und Ausbilder registriert. Darüber hinaus sind ein Vielfaches mehr an Beschäftigten als ausbildende Fachkräfte mit der Ausbildung betraut. Für die repräsentative Studie befragte die FAU 1.004 Ausbilderinnen und Ausbilder sowie ausbildende Fachkräfte in der Metall- und Elektro- sowie der Textilbranche mit Onlinebefragungen und Tiefeninterviews.
Ein zusammenfassendes Working Paper zur Studie finden Sie unter https://www.igmetall.de/presse.
Die vollständige Studie finden Sie unter https://wap.igmetall.de/APIF-2021.htm.
Weitere Informationen
Prof. Dr. Sabine Pfeiffer
Lehrstuhl für Soziologie mit dem Schwerpunkt Technik – Arbeit – Gesellschaft
Tel.: 0911/5302 96670
sabine.pfeiffer@fau.de