Vom Geist der Forschung: FAU-Botschafter Günter Weiss

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„Für mich ist es eine Ehre, FAU-Botschafter zu sein“, sagt Günter Weiss. (Bild: Florian Lechner)

Der Infektiologe und Immunologe Prof. Dr. Günter Weiss, Direktor der Universitätsklinik für Innere Medizin II in Innsbruck, ist der neue FAU-Botschafter. Ein Porträt.

Die Impfung weist eine sehr hohe Effektivität auf.“ Mit diesen Worten beginnt das YouTube Video, indem Günter Weiss Fragen und Gerüchte in ruhigem Ton zur Covid-Schutzimpfung erklärt. In Zeiten einer weltweiten Pandemie hat der Fachbereich des Immunologen und Infektiologen vermehrt Aufmerksamkeit bekommen. Das findet er auch grundsätzlich gut, zumal in seiner Jugend die WHO davon ausging, dass Infektionskrankheiten in der Mitte des 21. Jahrhunderts keine Rolle mehr spielen würden.

Nun ist es leichter Gelder für Forschungsprojekte zu bekommen – auch für die Grundlagenforschung. Im Gegenzug sieht er sich als Wissenschaftler der Gesellschaft gegenüber in der Verantwortung: „Es ist Aufgabe der Wissenschaft, die Bevölkerung zu informieren und auf Fragen und Ängste einzugehen. Manchmal gibt es keine eindeutige Antwort, aber trotzdem müssen die Expertinnen und Experten Rede und Antwort stehen.“ Deshalb sitzt er im Beratungsgremium, das Österreichs Regierung in Sachen Coronapolitik berät. Sein übliches Tagesgeschäft hat dagegen nur indirekt mit der Corona-Pandemie zu tun. Die Grundlagenforschung, an der Günter Weiss und sein Team derzeit arbeiten, dreht sich um das Immunsystem: Wie funktioniert ein gesundes Immunsystem? Welche Mechanismen hat es, um Eindringlinge abzuwehren? Und wie schaffen es Bakterien, dieses System zu unterwandern? Obwohl die Forschung auf eine jahrhundertelange Tradition zurückblicken kann, gibt das Immunsystem den Forscherinnen und Forschern noch immer Fragen auf.

Für ihn untrennbar: Forscher und Mediziner

Günther Weiss
Schon seit er denken kann, fasziniert ihn naturwissenschaftliches Arbeiten. „Die Forschung ist etwas, das ständig im Fluss ist“, sagt Günter Weiss. (Bild: Florian Lechner)

Schon seit er denken kann, fasziniert ihn das naturwissenschaftliche Arbeiten. „Die Forschung ist etwas, das ständig im Fluss ist.“ Hypothesen aufstellen, Proben entnehmen und am Ende doch alles verwerfen, weil sich die Eingangshypothese als falsch herausgestellt hat. Was andere als Scheitern sehen, ist für Weiss normaler Forschungsalltag: „Die größten Errungenschaften wurden dann gemacht, wenn es nach dem Scheitern der ersten Hypothese trotzdem weiterging.“ Günter Weiss wollte sich aber nie entscheiden. Denn: So sehr er vom wissenschaftlichen Eifer gefesselt ist, schätzt er auch die Arbeit mit seinen Patientinnen und Patienten. Dabei war er sich anfangs nicht so sicher, ob ihm das wirklich liegt. Deshalb hat er nach der Schule erstmal als Pflegekraft ein bisschen Krankenhausluft geschnuppert. „Mir hat das dann eigentlich extrem viel Spaß gemacht.“ Aber dennoch wollte er sich nicht für den einen oder anderen Weg festlegen: Schon im fünften Semester seines Medizinstudiums begann er deshalb mit seiner Dissertation in der Biochemie. Mittlerweile ist er Geschäftsführender Direktor am Department der Inneren Medizin an der Universität in Innsbruck. Hier hat Günter Weiss den größten Teil seiner bisherigen akademischen Laufbahn verbracht. So ließen sich auch Familie und Forschung vereinbaren.

Als Geschäftsführender Direktor bleibt leider nur wenig Zeit für Patienten oder Pipette. Von seiner 70 stündigen Arbeitswoche gehen allein 40 Stunden an die Verwaltungstätigkeit. Die restlichen 30 Stunden ist er Arzt und Forscher, aber auch Lehrer und Vermittler. Trotz der vielen Aufgaben, die Günter Weiss tagtäglich untereinen Hut bekommen muss, ist er noch immer mit Eifer dabei: „Es geht auch darum, das Feuer, dass man selbst in sich trägt, an die jungen Leute weiterzugeben.“

Die Würde eines Botschafters

Die Würde des FAU-Botschafters kommt ausländischen Forscherinnen und Forschern zuteil, die auf ihrem Forschungsgebiet international hohes Ansehen genießen und in besonderer Weise mit der FAU verbunden sind. Die zahlreichen Preise und Auszeichnungen, die Günter Weiss gewonnen hat – darunter auch der Novartis Preis für Medizin und der Anton von Eiselsberg-Preis – sprechen für sich. Die besondere  Verbindung zur FAU begann vorknapp30 Jahren: 1994 forschte er zum ersten Mal gemeinsam mit Medizinerinnen und Medizinern der FAU an einem Projekt zum Eisenstoffwechsel. Seitdem ist der Kontakt zwischen den beiden medizinischen Fakultäten nie abgebrochen: Es gibt Austauschprojekte für Studierende und Mitarbeitende, gemeinsame Forschung und gegenseitige Vorträge. „Für mich ist es eine Ehre, FAU-Botschafter zu sein.“ Er möchte sich dafür einsetzen, das Netzwerk zwischen der Universität Innsbruck und der FAU weiter auszubauen. „Wenn sich zwei Universitäten für einen ähnlichen Forschungsschwerpunkt interessieren, warum nicht auch weitere?“ Einer Sache ist sich Günter Weiss nämlich sicher: Forschung lebt vom Austausch. Wenn gemeinsame Interessen aus unterschiedlichen Blickwinkeln beleuchtet werden, dann entstehen immer fruchtbare Synergien. Vor allem dann, wenn eine naheliegende und simple Hypothese widerlegt wird. Hierbei öffnen sich Tore für wagemutige Ideen. Genau das ist es, was einen Forschergeist ausmacht.

von Michelle Schreiber


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alexander Nr. 118

In der aktuellen Ausgabe finden Sie Artikel zu Renditeverlusten an der Strombörse bei erneuerbaren Energien und wieso dies so ist, zu künstlichem Gewebe aus Spinnenseide, zur Theaterkultur im 17. Jahrhundert, zum dritten Bildungsweg, zur Hochschulhackinggruppe FAUST und den Squirrels, einer eSport-Gruppe, sowie Interviews mit dem neuen Vizepräsident People Prof. Andreas Hirsch und dem neuen FAU-Botschafter Günther Weiss.

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