Schleifen und Spinnenseidenmatrix für besseres künstliches Gewebe
Spezielle Spinnenseidenproteine verbessern die Funktion von Biomaterialien. Forschende der FAU und der Universität Bayreuth haben den Spinnenseidenproteinen einen weiteren Stoff hinzugefügt, der das Wachstum von Blutgefäßen in künstlichem Gewebe fördert.
Unfälle, Verbrennungen oder Tumoroperationen können großflächige Schäden an Haut- und Muskelgewebe verursachen. Um diese zu reparieren, wird häufig Eigengewebe verpflanzt, der sogenannte autologe Gewebeersatz. Das ist jedoch nicht immer möglich: individuelle Faktoren, wie etwa Nebenerkrankungen oder Voroperationen, aber auch die die Größe der Schäden, können die Verpflanzung von Gewebe erschweren und in manchen Fällen sogar unmöglich machen. Hier kann zukünftig künstlich gezüchtetes Ersatzgewebe eine wichtige Rollen spielen. „Eine innovative und besonders schonende Technik, um großflächig beschädigtes Gewebe wiederherzustellen, ist künstliches Ersatzgewebe zu züchten“, erklärt Prof. Dr. Raymund Horch, Direktor der Plastisch- und Handchirurgischen Klinik am Universitätsklinikum der FAU. Dabei werden Gewebezellen, die das zu ersetzende Gewebe bilden sollen, in ein spezielles Gerüst aus unterschiedlichen Biomaterialien, die Trägermatrix, eingebracht. Diese wird später in den Defekt implantiert. „Entscheidend ist hierbei, dass die mit Gewebezellen angereicherte Trägermatrix ausreichend durchblutet wird, damit die transplantierten Zellen überleben und das gewünschte Gewebe gebildet wird“, führt Prof. Horch aus.
Schleifen für die Durchblutung
In zahlreichen Vorarbeiten konnten die Forschenden der FAU nachweisen, dass mit einer arteriovenösen Kurzschlussverbindung, dem sogenannten AV-Loop, eine verbesserte Durchblutung und Gewebeneubildung erreicht werden kann. AV-Loops sind dreidimensionale Gefäßschleifen, die je über eine Arterie und eine Vene an den Blutkreislauf angeschlossen sind. Rund um die Gefäßschleife bilden sich neue Blutgefäße aus, die das künstliche Ersatzgewebe mit Sauerstoff und Nährstoffen versorgen. Hier kam nun eine Besonderheit der Spinnenseide zum Einsatz: „Spinnenseide ist stabiler und dehnbarer als Hightech-Fasern und kann zum Beispiel dreimal mehr Energie aufnehmen als Kevlar, bevor sie reißt“, erklärt PD Dr. Dominik Steiner, Arzt an der Plastisch- und Handchirurgischen Klinik. „Wir konnten gemeinsam mit Prof. Dr. Thomas Scheibel von der Universität Bayreuth früher schon nachweisen, dass die Verwendung von besonders dünnen Fasern aus dem Spinnenseidenprotein die Durchblutung, die vom AV-Loop ausgeht, deutlich verbessert.“
Die Spinnenseide macht es besser
Für die aktuellste Studie wurde nun eine Matrix aus dieser bewährten Spinnenseide mit einem zusätzlichen RGD-Peptid eingesetzt. Peptide sind Moleküle aus Aminosäuren, den Bausteinen von Proteinen. Das RGD-Peptid fördert unter anderem die Blutgefäßneubildung. Über vier Wochen wurden nun in Matrizes aus der RGD-Spinnenseide mittels AV-Loop neue Blutgefäße gebildet und durchblutet, sowie mit der Kontrollgruppe ohne RGD-Peptid verglichen. Dabei konnten die Forschenden in der RGD-Gruppe beobachten, dass diese deutlich besser durchblutet wurde. Außerdem konnten sie feststellen, dass sich die Spinnenseidenmatrix im Vergleich zu anderen Biomaterialien langsamer abbaut.
Weitere Studien, in denen mit Gewebezellen angereicherte Matrizes aus Spinnenseide verwendet werden sollen, sind vorgesehen. „Die gewonnenen Erkenntnisse stellen aber jetzt schon einen wichtigen Meilenstein auf dem Weg zum künstlichen Ersatzgewebe dar“, sagt Dr. Steiner.
Zugriff auf die Originalpublikation
von Simone Harland/Boris Mijat
In der aktuellen Ausgabe finden Sie Artikel zu Renditeverlusten an der Strombörse bei erneuerbaren Energien und wieso dies so ist, zu künstlichem Gewebe aus Spinnenseide, zur Theaterkultur im 17. Jahrhundert, zum dritten Bildungsweg, zur Hochschulhackinggruppe FAUST und den Squirrels, einer eSport-Gruppe, sowie Interviews mit dem neuen Vizepräsident People Prof. Andreas Hirsch und dem neuen FAU-Botschafter Günther Weiss.
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