Herausragende Umwege: Studium ohne Abitur?

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(Bild: Marie Maerz/shutterstock)

Christian Schmidt hat an der FAU Rechtswissenschaft studiert. Hier erzählt er über seinen (dritten Bildungs-)Weg zum Staatsexamen.

Für einen Studenten der FAU führte der Weg in den Hörsaal nicht übers Gymnasium. Christian Schmidt erzählt, wie er über den dritten Bildungsweg ein rechtswissenschaftliches Studium absolvierte. Wege gibt es nämlich viele. Einer sieht so aus: Realschulabschluss, Ausbildung zum Justizfachwirt, eine Anstellung beim Landgericht Coburg, dann beim Oberlandesgericht Bamberg. Dann die Arbeitszeitreduzieren und ein rechtswissenschaftliches Studium an der FAU beginnen, sich Vollzeit aufs Studium konzentrieren, das beste juristische Staatsexamen der Prüfungsgruppe 2021/2 hinlegen.

Vorteil Berufserfahrung

So könnte man den Weg von Christian Schmidt beschreiben. Seit April ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, Handels-, Gesellschafts-und Wirtschaftsrecht. Doch bevor er das Studieren für sich entdeckte, war er im juristischen Handwerk tätig. Nach der zweijährigen Ausbildung zum Justizfachwirt und mehrjähriger Erfahrung im Berufsleben hörte Christian Schmidt von der Option, über den dritten Bildungsweg zu studieren. „An den Beruf als Jurist habe ich während der Schulzeit nie gedacht“, meint er. „Und ich glaubte auch, dass es sowieso das Abitur braucht, um Richter oder Anwalt zu werden.“

Doch der Abschluss am Gymnasium ist nicht der einzige Weg an die Uni: Zum Beispiel gelangen Menschen auch über den sogenannten dritten Bildungsweg in die Hörsäle. Die drei Jahre Berufserfahrung, die notwendig sind, konnte Christian Schmidt vorweisen. Ein Auswahlgespräch und das Probestudium, das mit der juristischen Zwischenprüfung abschloss, ersetzten für ihn das Abitur.

„Als ich an der Uni begonnen habe, hatte ich den klaren Vorteil, dass ich den beruflichen Alltag kannte und wusste, dass mir die juristische Praxis Spaß macht. So konnte ich super motiviert ins Studium starten“, erzählt Christian Schmidt. Während der ersten zwei Semester arbeitete er, dank der Flexibilität seines Arbeitgebers, neben dem Studium weiter am Oberlandesgericht in Bamberg. Damals hieß es: am Vormittag arbeiten, am Nachmittag Kurse und Seminare besuchen–oder andersherum. „Natürlich verlangte das Ganze viel Ausdauer, gerade am Anfang, als ich halbtags gearbeitet und nebenbei Vollzeit studiert habe. Nach zwei Semestern wusste ich, dass mir das Studieren liegt, und ich habe das Studium priorisiert.

Bestnote: Sehr gut

Christian Schmidt
Der gelernte Justizfachwirt
Christian Schmidt studierte an der FAU Rechtswissenschaft. (Bild: Luisa Mähringer)

Das Studium der Rechtswissenschaft führte Christian Schmidt schließlich zum Staatsexamen. Nach einer intensiven Vorbereitungsphase, die sich über mehrere Semester zog, legte er im Herbst letzten Jahres den schriftlichen Teil des Ersten Staatsexamens ab. Er erinnert sich: „Es war schon sehr stressig, weil im Jurastudium die Leistungen, die während des Studiums erbracht werden, nicht in die Endnote eingerechnet werden. Potenzielle Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber sehen nur die Ergebnisse des Staatsexamens. Die Vorbereitung ist also ein Marathon, kein Sprint. Ein Tag, an dem man nur das Nötigste tut, muss aber auch ab und zu drin sein, um den Kopf zwischendurch freizubekommen.“ Die Ausdauer hat sich gelohnt: Christian Schmidt glänzte beim juristischen Staatsexamen und erreichte mit16,38 Punkten die seltene Bestnote „sehr gut“ und belegte unter allen Prüflingen den ersten Platz.

Wo es für Christian Schmidt als Nächstes hingeht, ist auch schon klar: Nach dem Ersten Staatsexamen ist der universitäre Teil seiner Ausbildung beendet. Danach stehen noch das praxisorientierte Referendariat und das Zweite Staatsexamen an – beides ist notwendig, um als Notar, Richter, Staats- oder Rechtsanwalt zu arbeiten.

Vorerst bleibt er aber als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der FAU und beginnt eine Promotion. „Ich würde gerne dafür sensibilisieren, dass es mehr als einen Weg an die Uni gibt. Ich würde allen empfehlen, die in ihrem Berufsfeldbleiben, aber dennoch studieren wollen, sich über die Möglichkeiten zu erkundigen“, sagt Christian Schmidt. Für ihn selbst war es die beste Entscheidung, obwohl er auch vorher mit seinem Job zufrieden war. „Die Überlegung war, dass ich nicht noch 40 Jahre den gleichen Job machen möchte und irgendwann auch mehr Verantwortung tragen wollte. Letztlich gehört ein bisschen Mut dazu, etwas Neues zu starten. Aber selbst wenn es nicht klappt: einen Weg zurück in die Arbeitswelt gibt es immer.“

von Deborah Pirchner


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alexander Nr. 118

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