Die Quadratur der Variabilität

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Kleine Kugeln aus noch kleineren Kugeln: Suprapartikel sind Mikrokugeln, die aus Millionen Nanokugeln bestehen. (Bild: FAU/Sarah Wenderoth)

Arbeitsgruppen der FAU forschen gemeinsam an Supermaterialien mit völlig neuen Eigenschaften

Dass man mit Milchpulver die Materialforschung auf den Kopf stellen könnte, ist sicherlich übertrieben. Und doch steckt hinter dessen Produktion ein vergleichsweise simples Verfahren, das auch für die Herstellung neuartiger Materialien interessant ist: Mittels Sprühtrocknung können nämlich nicht nur Emulsionen – im Falle der Milch aus Wasser, Fetten und Eiweißen bestehend – in Pulver mit definierten Partikelgrößen verwandelt werden.

„Wir verwenden diese Technologie, um Stoffe gezielt miteinander zu kombinieren, auch solche, die sich eigentlich nicht mögen“, sagt Stephan Müssig. Müssig ist Promotionsstipendiat der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) in der Gruppe von Prof. Dr. Karl Mandel, Professur für Anorganische Chemie. Beide sind im April 2020 von der Uni Würzburg nach Erlangen gewechselt, nachdem Mandel einen Ruf an die FAU erhalten hatte. Die Forschungsgruppe designt sogenannte Suprapartikel. Das sind Mikrokugeln mit einem Durchmesser von bis zu 50 Mikrometern, die wiederum aus Millionen Nanokügelchen zusammengesetzt sind. Die Grundbausteine werden zunächst in einer wässrigen Dispersion gemischt und im Trocknungsverfahren gewissermaßen zwangsvereinigt. Mandel: „Wir verbinden zum Beispiel Polymere mit Metalloxiden, um Stoffe herzustellen, die besonders leicht sind und zugleich magnetische oder katalytische Eigenschaften haben.“ Magnetische und farbige Suprapartikel können beispielsweise eingesetzt werden, um Barcodes unsichtbar in Verpackungsfolien zu integrieren oder um Beschädigungen von Werkstoffen anzuzeigen. Erst vor kurzem haben die Forschenden Suprapartikel entwickelt, die austretenden Wasserstoff durch eine sofort sichtbare Farbänderung zuverlässig anzeigen – ohne Strom und komplexe Messgeräte.

Atomlagendünne Veredelung

Ein weiterer herausragender Vorteil der Superkugeln: Durch ihren porösen Aufbau vergrößert sich die Oberfläche um ein Vielfaches. „Genau diesen Umstand wollen wir nutzen, um aus den Suprapartikeln noch mehr rauszuholen“, sagt Stephan Müssig. Dazu hatte die Mandel-Gruppe Kontakt zu Prof. Dr. Julien Bachmann aufgenommen, der den Lehrstuhl für Chemistry of Thin Film Materials innehat und eine einzigartige Expertise im Bereich der Atomlagenabscheidung (atomic layer deposition, kurz: ALD) besitzt. „Bei der ALD verdampfen wir Metallverbindungen, die wir abwechselnd mit weiteren Ausgangsstoffen in eine Vakuumkammer leiten. Dort reagieren die Stoffe kontrolliert mit der Oberfläche und scheiden so dünne Filme auf dem Substrat ab – in unserem Fall also auf den Suprapartikeln“, erklärt Vanessa Koch, Doktorandin und Mitglied der Bachmann-Gruppe. Dieses Verfahren ermöglicht es den Forschenden, beliebige Strukturen mit Schichten von der Stärke einzelner Atomlagen zu überziehen. Dabei wird nicht nur die Hülle der Suprapartikel veredelt, sondern auch die einzelnen Nanopartikel im Inneren. Wichtig für die spätere Funktion allerdings ist, dass bei diesem Vorgang die Räume zwischen den Nanokugeln nicht verschlossen werden. Die Kooperation der Arbeitsgruppen ermöglicht gewissermaßen die Quadratur der Variabilität, weil die ohnehin flexibel aufgebauten Suprapartikel nochmals um die Materialvielfalt des ALD-Verfahrens ergänzt werden. „Im Grunde können wir alles mit allem kombinieren“, sagt Vanessa Koch. „Das ist überall dort interessant, wo Interaktion an Grenzflächen stattfindet.“

Hier kommen nicht nur ökonomische, sondern auch ökologische Vorteile zum Tragen: Eine große Oberfläche auf kleinstem Raum, kombiniert mit hauchdünnen Reaktionsschichten, hilft dabei, wertvolle und teure Materialien wie Gold, Platin oder Palladium einzusparen – entweder, weil sie nur in Schichten einzelner Atomlagen aufgebracht werden müssen, oder weil sie gänzlich durch preiswerte und leicht verfügbare Metalloxide ersetzt werden können.

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Von Matthias Münch


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alexander Nr. 118

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